Titer
Englisch: titer, titre (britisch)
Definition
Titer sind Maßangaben für Verdünnungen von Antikörpern oder Antigenen, die gerade noch eine positive Antigen-Antikörper-Reaktion ergeben. Der Titer gibt also die Verdünnungsstufe an, bei der ein diagnostischer Test noch positiv ist. Da die Titration in der Chemie ein anderer Prozess ist, handelt es sich korrekt ausgedrückt um Antikörpertiter.
Hintergrund
Es wird seit längerem empfohlen, nicht mehr die reziproke Schreibweise, beispielsweise "Titer 1:64" zu verwenden. Bei einer Verdünnung von 1:x wird ein Titer mit dem Wert x angenommen, also "Titer 64". Dies setzt sich nur langsam durch. Die vereinfachte Schreibweise umgeht das Problem bei Ergebnissen, die über oder unter dem Messbereich liegen und dann als "Titer >1:10.000" angegeben werden, denn korrekt müsste es "Titer 1:>10.000" heissen, was aber völlig unüblich ist. Bei "Titer >10.000" wird diese Unkorrektheit vermieden.
Titer sind häufig Vielfache von zwei, da die Verdünnungsstufen aus praktischen Gründen durch eine wiederholte 1:2-Verdünnung des Ausgangsmaterials hergestellt werden. Die Titerreihe ist dann 1:2, 1:4, 1:8, 1:16, 1:32 usw.
Der Begriff Antikörpertiter wird in der medizinischen Umgangssprache auch dann verwendet, wenn die Messung nicht in Form einer Titration, sondern als Bestimmung der Massenkonzentration an einer Eichkurve durchgeführt wurde. "Antistreptolysin O: 325 IU/ml" ist z.B. kein Titer im eigentlichen Sinne, wird aber trotzdem als "Antistreptolysintiter" bezeichnet.
Aussagekraft
Titerhöhe
Um aussagekräftig zu sein, muss die Änderung eines Titers mindestens vierfach sein (beispielsweise von 8 auf 32). Ein Anstieg spricht für das Vorliegen einer frischen Infektion, ein Abfall des Titers für das Abklingen einer Infektion. Eine Einzelmessung hat deshalb häufig eine geringe Aussagekraft.
Diagnostische Lücke
Titeranstiege sind an das Vorhandensein der jeweils untersuchten Antikörper gebunden. Da die Produktion von Antikörpern bei einer de-novo-Immunisierung erst nach ca. 8 Tagen einsetzt, ist bei Verdacht auf Infektion ein Titeranstieg erst nach ca. 10 Tagen zu erwarten.
Diese 10 Tage werden als diagnostische Lücke für den Erregernachweis bezeichnet, da der Patient zwar infiziert sein kann, der Nachweis eines Titeranstiegs aber (noch) nicht möglich ist. Die diagnostische Lücke kann, abhängig von der Art der Infektion, auch deutlich größer sein.
Frische und abgelaufene Infektion
Auch die Antikörperklasse, für die ein Titer angegeben wird, besitzt Aussagekraft. Ein Anstieg des IgM-Titers spricht in der Regel für eine neu aufgetretene Infektion, da IgM die ersten produzierten Antikörper sind.
Ein Anstieg des IgG-Titers spricht hingegen entweder für eine bereits über 3 Wochen zurückliegende oder bereits ausgeheilte Infektion mit dem untersuchten Erreger (Antikörperklassenwechsel).
Beispiele
Neben der Infektionsdiagnostik (z.B. VDRL-Titer) erfolgt eine Titerbestimmung zudem in folgenden klinischen Zusammenhängen:
Impftiter
Nach einer aktiven Immunisierung kann ein Titer bestimmt werden, um den Impferfolg zu beurteilen. So wird z.B. nach der Hepatitis-B-Impfung eine Messung von Anti-HBs durchgeführt, um das Ansprechen der Immunantwort zu kontrollieren. In Abhängigkeit von der Höhe des Titers kann entweder von einer ausreichenden Immunität ausgegangen (> 100 IE/l) oder aber eine Auffrischungsimpfung empfohlen werden (< 100 IE/L).
Autoimmunerkrankungen
Bei bestehendem Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung erfolgt der Nachweis von Autoantikörpern, z.B. von ANA, unter anderem per Titerbestimmung bei der Immunfluoreszenz.
Immunhämatologie
In der Immunhämatologie werden Titer von irregulären erythrozytären Antikörper bestimmt, um z.B. den Schweregrad einer fetomaternalen Inkompatibilität beurteilen zu können.