Ciguatera
Englisch: ciguatera
Definition
Ciguatera beschreibt eine Fischvergiftung durch den Genuss sonst ungiftiger Speisefische.
- ICD10-Code: T61.0
Hintergrund
Der Name Ciguatera leitet sich von dem auf Kuba gebräuchlichen Namen "cigua" für die Schnecke Cittarium pica ab, die anfangs irrtümlich als Ursache der Erkrankung angesehen wurde.
Epidemiologie
Die Ciguatera ist in den USA die häufigste nicht bakterielle Fischvergiftung. Diese wird häufig von Fischen aus tropischen und subtropischen Korallenriffen des Indischen Ozeans, des Südpazifiks und der Karibik hervorgerufen. Betroffene Fischarten sind meist Barrakudas, Schnapper, Stachelmakrelen oder Zackenbarsche.
Außerhalb des Hauptverbreitungsgebietes tritt Ciguatera auch in europäischen und angrenzenden Küstengebieten auf (z.B. Kanarische Inseln, Madeira, Azoren, Israel). 2015 kam es erstmals zu einer Epidemie in Deutschland. Dabei handelte es sich ausnahmslos um Red-Snapper-Speisefische. Weltweit sind schätzungsweise 20.000 bis 50.000 Menschen pro Jahr betroffen.
Ätiologie
Die Vergiftung erfolgt durch die Aufnahme von hoch neurotoxischen, polyzyklischen Polyether wie Cigua-, Scari-, Paly- und Maitotoxin. Diese entstehen als Stoffwechselprodukte von Dinoflagellaten (z.B. Gambierdiscus toxicus) und werden in die Nahrungskette eingebracht und schließlich mit dem Verzehr der Fische vom Menschen aufgenommen.
Die Toxine sind beständig gegen Gefriertrocknung, Hitze, Kälte und Magensäure. Sie beeinträchtigen weder Geruch noch Farbe oder Geschmack des Fischs.
Symptome
Innerhalb der ersten 24 Stunden (meist nach 5 bis 6 Stunden) nach Verzehr kann eine Vielzahl an unterschiedlichen Symptomen auftreten. Dazu gehören:
- gastrointestinale Symptome: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
- neurologische Symptome: Schwindel, Schlaflosigkeit, Parästhesien, Allodynie, Juckreiz, Taubheitsgefühl und Brennen von Zunge und Rachen, Dysphagie, Zahnschmerzen, Tremor, Meningismus, Ataxie, Schmerzen der unteren Extremitäten, Sehstörungen, Hyporeflexie, Krampfanfälle, Koma
- dermatologische Symptome: makulopapulöses Exanthem, blasiges Exanthem, Dermographismus
- kardiovaskuläre Symptome: Dyspnoe, Bradykardie, AV-Block, Hypotonie, zentrale Ateminsuffizienz
- weitere Symptome: Konjunktivitis, Dysurie, Arthralgie, Myalgie, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche
Die Symptome können z.T. 48 Stunden bis mehrere Wochen andauern. Ein pathognomonisches Symptom ist die Umkehr des Kalt-Warm-Empfindens, das meist erst nach drei bis fünf Tagen entsteht und über Monate anhalten kann. Symptomspezifisch ist von vertikaler Transmission der Toxine auszugehen. So zeigten gestillte Säuglinge ebenfalls Symptome.
Letale Verläufe wurden insbesondere bei Personen beschrieben, die diese Erkrankung zum wiederholten Mal durchlitten.
Diagnostik
Der Nachweis von Ciguatoxin mittels Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie ist aufwändig und nicht überall verfügbar. Der Nachweis aus suspekten Fischresten mittels Enzym- oder Radioimmunoassay gelingt meist nicht.
Entsprechend kann die Diagnose i.d.R. nur aufgrund klinischer Beobachtungen gestellt werden.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen kommen z.B. paralytische Muschelvergiftungen, Botulismus, Vergiftung durch Tetrodotoxin bzw. Tetraodon-Vergiftung sowie Organophosphat-Intoxikationen in Frage.
Therapie
Eine Behandlung erfolgt symptomatisch:
- Antiemetika (z.B. Ondansetron)
- Rehydratisierung durch intravenöse Volumengabe
- Atropin bei hämodynamisch wirksamen Bradyarrhythmien
- Katecholamine bei Blutdruckabfällen
Gegen den Juckreiz kann evtl. kaltes Duschen und Hydroxyzin helfen. Amitriptylin soll den Juckreiz und die Parästhesien bessern. Nifedipin wird teilweise nach der akuten Phase zur Behandlung von Kopfschmerzen eingesetzt. Ob die intravenöse Gabe von Mannitol neurologische und kardiovaskuläre Symptome lindern kann, ist umstritten.
In der Rekonvaleszenzphase sollte der Patient 6 Monate lang auf Fisch und Fischprodukte, Muscheln, alkoholische Getränke, Nüsse und deren Öle verzichten.
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