Asthma-Stufentherapie
Definition
Unter der Asthma-Stufentherapie versteht man den systematischen Einsatz medikamentöser Therapieverfahren in Abhängigkeit von der erreichten Symptomkontrolle beim Asthma bronchiale.
Hintergrund
Asthma bronchiale ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege, die mit einer reversiblen bronchialen Obstruktion und/oder mit einem hyperreagiblen Bronchialsystem einhergeht. Die Spektrum an Symptomen ist variabel und reicht von leichten Verläufen mit rezidivierendem Husten bis hin zu anfallsartig auftretender Dyspnoe. Ziele der medikamentösen Therapie sind die Reduktion der asthmatischen Entzündung, eine Verminderung der bronchialen Hyperreagibilität und der Atemwegsobstruktion sowie das Erreichen einer bestmöglichen Asthmakontrolle.
Folgende Medikamente werden derzeit (2023) eingesetzt:
- SABA (kurzwirksame β2-Sympathomimetika): z.B. Salbutamol, Fenoterol, Terbutalin
- LABA (langwirksame β2-Sympathomimetika): z.B. Formoterol, Salmeterol
- LAMA (langwirksame Muskarinrezeptor-Antagonisten): Tiotropiumbromid
- ICS (inhalative Glukokortikoide): z.B. Budesonid, Fluticason, Beclometason, Ciclesonid, Mometason
- orale Glukokortikoide: Prednisolon
- LTRA (Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten): Montelukast
- Biologika:
In Ausnahmefällen werden Cromone (z.B. Nedocromil, Cromoglicinsäure) ab Stufe 2 verwendet. Sie spielen aufgrund ihrer geringen Wirkung jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Als Alternative zu SABA können auch schnell wirksame Anticholinergika (SAMA, z.B. Ipratropiumbromid) oder unretardiertes Theophyllin per os verabreicht werden. Theophyllin-Präparate mit retardierter Wirkstoff-Freisetzung sind nur schwach antiasthmatisch wirksam, haben ein hohes Nebenwirkungsrisiko und werden derzeit (2023) nicht mehr empfohlen.
Grad der Asthmakontrolle
Patienten mit diagnostiziertem Asthma sollen gemäß dem Stufenschema behandelt werden. Entscheidend für die Einordnung in die verschiedenen Stufen ist das Maß der Kontrolle der Asthmasymptome, das mit der jeweiligen Medikation erzielt wird. Man unterscheidet "kontrolliertes", "teilweise kontrolliertes" und "unkontrolliertes" Asthma. Der Grad der Asthmakontrolle soll individuell in regelmäßigen Abständen überprüft werden.
Die Kriterien für die Einordnung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Grad der Kontrolle | Symptomkontrolle | Lungenfunktion | Exazerbation |
---|---|---|---|
Kontrolliert | kein Kriterium erfüllt | normal | keine |
Teilweise kontrolliert | 1 - 2 Kriterien erfüllt | < 80 % | mind. 1 pro Jahr |
Unkontrolliert | mind. 3 Kriterien erfüllt | < 80 % | in dieser Woche |
Symptomkontrolle in den letzten 4 Wochen:
| |||
Lungenfunktion: | |||
Exazerbation: Zunahme von Atemnot, Husten, Brustenge und/oder pfeifendem Atemgeräusch, die mit einem Abfall von FEV1 oder PEF einhergeht. |
Früher wurde die Stufentherapie am Schweregrad des Asthmas orientiert. Hierbei wurde je nach Symptomen und Lungenfunktion unterschieden zwischen intermittierendem sowie geringgradig-, mittelgradig- und schwergradig-persistierendem Asthma.
Vorgehen
Bei unbehandelten Patienten mit teilweise kontrolliertem Asthma beginnt die Therapie bei Stufe 2, bei Patienten mit unkontrolliertem Asthma mindestens bei Stufe 3. Zur initialen Therapie existieren zwei Vorgehensweisen:
- Step-up-Therapie: Beginn auf der wahrscheinlich notwendigen Stufe und Eskalation bei Bedarf
- Step-down-Therapie: Beginn eine Stufe über der vermutlich notwendigen Stufe und Deeskalation bei erreichter Kontrolle.
Es existieren allgemeine Therapieleitsätze:
- Kann durch die medikamentöse Therapie keine Kontrolle erreicht werden, sollten Compliance, korrekte Inhalationstechnik sowie fortbestehende Triggerfaktoren überprüft und ggf. anschließend eine Therapie-Eskalation durchgeführt werden.
- Liegt eine gute Kontrolle über mindestens 3 Monate vor, kann eine Deeskalation erwogen werden. Dabei sollte immer zuerst die Glukokortikoid-Dosis halbiert und ggf. danach weitere Medikamente abgesetzt werden.
- Jede Beendigung einer Langzeittherapie mit oralen oder inhalativen Glukokortikoiden stellt eine Gefährdungssituation dar. Die Patienten sollen in dieser Phase engmaschig überwacht und auf das Risiko einer eigenmächtigen Beendigung der Therapie hingewiesen werden.
- Für jede Therapiestufe ist der Einsatz eines SABA als Bedarfsmedikament möglich, um akut auftretende Symptome zu behandeln. Die Reduktion des Bedarfs dieser schnell wirkenden Beta-2-Sympathomimetika ist ein wichtiges Ziel der Asthmakontrolle und gleichzeitig auch ein Kriterium für den Erfolg der Therapie.
- In den Stufen 2 bis 5 wird der bedarfsorientierte Einsatz eines Bronchodilatators mit einer regelmäßigen Langzeittherapie durch inhalative Glukokortikoide kombiniert.
- LABA besitzen keine entzündungshemmenden Eigenschaften und können somit Asthmasymptome kaschieren. Wegen des damit verbundenen erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko werden LABA nicht als Monotherapie, sondern nur kombiniert mit ICS eingesetzt.
- ICS entfalten ihre vollständige Wirkung erst nach 2 bis 4 Wochen regelmäßiger Anwendung.
- Als SMART-Konzept wird die fixe Kombination aus ICS und Formoterol zur Bedarfs- und Langzeittherapie bezeichnet. Es soll die Exazerbationsfrequenz bei Risikopatienten reduzieren, zur Einsparung von ICS-Dosen und zur Verbesserung der Compliance führen
- Neben der Stufentherapie existieren allgemeine Therapiemaßnahmen (z.B. Asthmaschulung, Allergie-/Umweltkontrolle, körperliche Bewegung/Sport, Behandlung von Komorbiditäten, Nikotinkarenz) und ein Akuttherapie beim Asthmaanfall.
Stufenschema Erwachsene
Das Stufenschema der Asthma-Therapie bei Erwachsenen unterteilt sich insgesamt in 5 Stufen:
Stufe | Therapie | Alternativ in begründeten Fällen | Zusätzlich Bedarfstherapie |
---|---|---|---|
1 |
oder
oder
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2 |
oder
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3 |
oder
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oder
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oder
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4 |
oder
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oder
| |
5 |
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Stufe 1
Eine Therapieoption bei Patienten in Stufe 1 ist eine bedarfsorientierte Inhalation eines SABA. Die häufige Anwendung einer reinen SABA-Bedarfstherapie ist mit dem Risiko eines Verlustes an Asthma-Kontrolle, einer Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität sowie einer erhöhten Mortalität verbunden. Sicherer und effektiver ist eine Fixkombination aus einem ICS und Formoterol. Eine ICS/Formoterol-Fixkombination wird seitens der GINA und der NVL Asthma empfohlen, ist jedoch bisher (2023) formal noch nicht in Europa zugelassen. Eine weitere mögliche Therapieoption ist der Einsatz einer niedrig-dosierten ICS-Dauertherapie. Diese kann Asthma-Exazerbationen sowie die Mortalität reduzieren und die Kontrolle der Symptome verbessern.
Stufe 2
In der zweiten Stufe erhalten die Patienten eine Dauertherapie mit einem niedrigdosierten ICS und einer Bedarfstherapie mit SABA oder als Alternative eine reine Bedarfstherapie mit einer ICS/Formoterol-Fixkombination (bislang noch nicht in Europa zugelassen).
Montelukast ist eine mögliche Alternative bei Patienten, die eine komorbide allergische Rhinitis haben, eine ICS-Therapie ablehnen, bei denen eine Therapie mit ICS nicht möglich ist oder die ausgeprägte lokale Nebenwirkungen der ICS-Therapie aufweisen. In Deutschland ist Montelukast in dieser Indikation als Monotherapie jedoch nur für Kinder zugelassen. In anderen Ländern existiert eine Zulassung für Erwachsene.
Stufe 3
Die Therapie in Stufe 3 besteht aus einer fixen Kombination eines niedrigdosierten ICS mit einem LABA und der bedarfsweisen Anwendung eines SABA oder einer fixen Kombination eines niedrigdosierten ICS mit dem LABA Formoterol zur Langzeit- und Bedarfstherapie.
In begründeten Fällen können folgende Alternativen verwendet werden:
- ICS (niedrigdosiert) + LAMA
- ICS (niedrigdosiert) + LTRA
Stufe 4
In Stufe 4 wird ein ICS mit mindestens einem weiteren Wirkstoff kombiniert:
- ICS (mittlere bis hohe Dosis) + LABA
- ICS (mittlere bis hohe Dosis + LABA + LAMA
Alternativen sind:
- ICS (mittlere bis hohe Dosis) + LABA + LTRA
- ICS (mittlere bis hohe Dosis) + LAMA
Die Bedarfstherapie gleicht der von Stufe 3.
Stufe 5
Kann trotz dreimonatiger Therapie mit ICS in höchster Dosis in Kombination mit LABA und LAMA keine ausreichende Symptomkontrolle erreicht werden, kommen Biologika in Frage. Die Bedarfstherapie gleicht der von Stufe 3.
Die Anti-IgE-Behandlung ist eine zusätzliche Option bei Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren mit schwerem persistierendem IgE-vermittelten allergischem Asthma, wenn folgende Kriterien vorliegen:
- positiver Hauttest oder in-vitro-Reaktivität gegen ein ganzjährig auftretendes Aeroallergen und
- erfolgte Eliminierung vermeidbarer Allergenexpositionen und
- häufige Symptome tagsüber oder nächtliches Erwachen wegen asthmatischer Beschwerden und
- mehrfach dokumentierte, schwere Asthmaexazerbationen trotz täglicher Therapie mit hochdosierten ICS und LABA und
- eingeschränkte Lungenfunktion (FEV1 < 80 %)² und
- IgE-Serumkonzentration unter Berücksichtigung des Körpergewichts im therapierbaren Bereich.
- Die Behandlung mit Omalizumab sollte von in der Versorgung von Patienten mit schwerem Asthma erfahrenen Fachärzten beziehungsweise in entsprechenden Zentren erfolgen.
(² Dieses Kriterium gilt nur bei Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen.)
Bei schwergradigem eosinophilem Asthma ab dem Alter von 18 Jahren sind folgende Biologika zugelassen:
- Anti-IL-5-Antikörper: Mepolizumab, Reslizumab
- Anti-IL5R-Antikörper: Benralizumab
- Anti-IL4-Antikörper: Dupilumab
Tezepelumab (Anti-TSLP) ist als additive Erhaltungstherapie bei Patienten ab 12 Jahren mit schwerem Asthma zugelassen, bei denen trotz einer Therapie mit hochdosierten ICS und einem weiteren Medikament zur Erhaltungstherapie eine unzureichende Kontrolle besteht.
Weiterhin kommen orale bzw. systemische Glukokortikoide in Frage: Prednisolon wird intermittierend oder dauerhaft in der niedrigsten noch effektiven Dosis verabreicht, insbesondere bei Patienten, die kein Biologikum erhalten können und/oder die trotz Therapie schlecht kontrolliert bleiben.
Dosierungsempfehlung
Bei ICS gelten folgende Richtwerte für die Wahl der Tagesdosis (in µg):
niedrige Dosis | mittlere Dosis | hohe Dosis | Höchstdosis | |
---|---|---|---|---|
Budesonid | 200 bis 400 | 400 bis 800 | 800 bis 1.600 | ab 1.600 |
Fluticasonfuroat | 100 | 200 | ||
Fluticasonpropionat | 100 bis 250 | 250 bis 500 | 500 bis 1.000 | ab 1.000 |
Beclometason Pulver | 200 bis 500 | 500 bis 1.000 | 1.000 - 2.000 | ab 2.000 |
Beclometason Dosieraerosol | 100 bis 200 | 200 bis 400 | 400 bis 1.600 | ab 1.600 |
Ciclesonid | 80 | 160 bis 320 | ab 320 | |
Mometasonfuroat | 200 | 400 | 400 bis 800 | ab 800 |
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Stufentherapie im Kindes- und Jugendalter
Im Kindes- und Jugendalter werden insgesamt sechs Stufen unterschieden. Zur Akuttherapie bei Bedarf werden in allen Stufen SABA, in begründeten Fällen zusätzlich oder alternativ Ipratropiumbromid eingesetzt. Ab Stufe 4 kann im Rahmen des SMART-Konzeptes bei Jugendlichen ab 12 Jahren ICS/Formoterol sowohl zur Akut- als auch zur Dauertherapie verwendet werden.
Zur Dauertherapie werden folgende Therapieschemata empfohlen:
Stufe | Dauertherapie |
---|---|
1 |
|
2 |
oder
|
3 |
|
4 |
oder
oder
bei unzureichender Kontrolle:
|
5 |
oder
oder
|
6 |
|
Laut dem GINA-Update 2019 wird ab dem 12. Lebensjahr bereits ab Stufe 1 ICS/Formoterol bedarfsorientiert empfohlen. Weiterhin sollen bei Kindern unter 12 Jahren SABA immer mit ICS verwendet werden.
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