Tumornekrosefaktor
Synonyme: Tumornekrosefaktor-α, TNF-α, TNF alpha, TNFA, Kachexin
Englisch: tumor necrosis factor-α
Definition
Der Tumornekrosefaktor, kurz TNF, ist ein proinflammatorisches Zytokin aus der TNF-Superfamilie. Es wird hauptsächlich von Makrophagen ausgeschüttet und aktiviert Akute-Phase-Proteine. TNF ist an einer Vielzahl physiologischer und pathophysiologischer Prozesse beteiligt, insbesondere an der Regulation von Entzündungen, Immunantwort, Zellproliferation und Apoptose.
Geschichte und Nomenklatur
Eine antitumorale Wirkung von Immunzellen wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert vermutet. William B. Coley entdeckte einen zytotoxischen Faktor, das sogenannte Lymphotoxin, der von Lymphozyten gebildet wird. 1975 isolierte Lloyd J. Old erstmals ein Zytokin aus Makrophagen, das in der Lage war, bestimmte Tumorzellen direkt abzutöten und nannte es Tumornekrosefaktor. Beide wurden dann der TNF-Superfamilie zugeordnet und werden als TNF-α und TNF-β (alternative Bezeichnung: Lymphotoxin-α) bezeichnet.
Genetik
Das TNF-Gen ist auf Chromosom 6 am Genlokus 6p21.33 lokalisiert. Es liegt im MHC-Genkomplex und wird durch verschiedene Transkriptionsfaktoren wie NF-κB reguliert. TNF wird als Vorläuferprotein synthetisiert, das membrangebunden vorliegt und durch das TNF-alpha konvertierende Enzym (TACE) proteolytisch zu seiner löslichen Form gespalten wird.
Physiologie
Der Tumornekrosefaktor wird hauptsächlich von Makrophagen, jedoch zu einem geringen Anteil auch von Mastzellen, Lymphozyten, Endothelzellen, Herzmuskelzellen, Fibroblasten und Nervenzellen ausgeschüttet. Auch Fettzellen (Lipozyten) können den Tumornekrosefaktor sezernieren, weshalb er auch den sogenannten Adipokinen zugerechnet wird.
Der Tumornekrosefaktor hat verschiedene Wirkungen:
- Zentralnervensystem
- Induktion von Fieber (pyrogene Wirkung über Hypothalamus)
- Suppression des Appetits
- Ausschüttung von CRH
- Leber
- Stimulation der Synthese von Akute-Phase-Proteinen
- Induktion von Insulinresistenz durch Phosphorylierung von Insulinrezeptoren
- Immunsystem
- Chemotaxis und Aktivierung neutrophiler Granulozyten
- Aktivierung von Makrophagen und dendritischen Zellen
- Muskel- und Fettgewebe
Signaltransduktion
TNF wirkt über zwei membranständige Rezeptoren: TNFR1 und TNFR2. Der TNFR1 aktiviert Signalkaskaden für die Apoptose (u.a. über TRADD, FADD, Caspase 8), induziert aber auch NF-κB-vermittelte Überlebenssignale (u.a. über RIPK1, TRAF2). Der TNFR2 aktiviert bevorzugt pro-survival und regenerative Signalwege.
Die Balance zwischen TNFR1- und TNFR2-vermittelten Signalwegen beeinflusst, ob Zellen apoptotisch oder proinflammatorisch reagieren.
Klinische Relevanz
TNF ist an einer Vielzahl chronisch-entzündlicher und immunvermittelter Erkrankungen beteiligt:
- Rheumatoide Arthritis
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Psoriasis
- Spondylitis ankylosans
- Asthma bronchiale
- Sepsis
Eine chronische Überproduktion kann zu Gewebeschäden, systemischer Inflammation und Kachexie führen. Bei Tumorerkrankungen kann TNF sowohl tumorhemmend (Zelllyse, Immunaktivierung) als auch tumorfördernd (Angiogenese, Immunescape) wirken.
Pharmakologie
Die Therapie der zuvor genannten Krankheitsbilder kann durch TNF-Inhibitoren erfolgen. Hier werden entweder monoklonale Antikörper wie Infliximab oder Golimumab eingesetzt oder Etanercept, ein zytokinbindender Wirkstoff. Risiken sind u.a. eine erhöhte Infektanfälligkeit (z.B. Tuberkulose) sowie mögliche Reaktivierung latenter Infektionen.