Tumornekrosefaktor
Synonyme: Tumornekrosefaktor-α, TNF-α, TNF alpha, TNFA, Kachexin
Englisch: tumor necrosis factor-α
1. Definition
Der Tumornekrosefaktor, kurz TNF, ist ein multifunktionaler Signalstoff des Immunsystems (Zytokin), der an Entzündungsprozessen beteiligt ist.
2. Hintergrund
Der Tumornekrosefaktor gehört einer Gruppe von Zytokinen an, die alle die Akute-Phase-Proteine aktivieren. Er wird hauptsächlich von Makrophagen ausgeschüttet und kann verschiedene Prozesse auslösen. Dazu zählt Apoptose, Zellproliferation, Zelldifferenzierung und die Ausschüttung weiterer Zytokine.
3. Geschichte und Nomenklatur
Vor etwa 100 Jahren wurde die Theorie einer anti-tumoralen Immunreaktion im Körper diskutiert. Es wurde bereits damals von dem Arzt William B. Coley ein zytotoxischer Faktor gefunden, welcher bei einem Tumor von Lymphozyten produziert wird. Man nannte ihn Lymphotoxin. Es wurde schließlich 1975 von Dr. Lloyd Old aus New York bewiesen, dass ein weiterer zytotoxischer Faktor in der Lage war bestimmte Tumorzellen direkt abzutöten. Diesen Faktor nannte er Tumornekrosefaktor. Kurz darauf fand man heraus, dass auch das Lymphotoxin in der Lage war Tumorzellen zu töten. So entstand die Nomenklatur der Gruppe von Zytokinen (der TNF-Gruppe). Der Tumornekrosefaktor wurde schließlich in Tumornekrosefaktor-α und Lymphotoxin in Tumornekrosefaktor-β umbenannt.
4. Physiologie
Der Tumornekrosefaktor wird hauptsächlich von Makrophagen, jedoch zu einem geringen Anteil auch von Mastzellen, Lymphozyten, Endothelzellen, Herzmuskelzellen, Fibroblasten und Nervenzellen ausgeschüttet. Auch Fettzellen (Lipozyten) können den Tumornekrosefaktor sezernieren, weshalb er auch den so genannten Adipokinen zugerechnet wird. Der Tumornekrosefaktor hat verschiedene Wirkungen:
- auf den Hypothalamus:
- Ausschüttung von Corticotropin-releasing Hormon (CRH)
- Appetitminderung
- Auslösen von Fieber
- auf die Leber:
- Akute-Phase-Proteine werden vermehrt ausgeschüttet.
- Insulinresistenz wird erhöht, indem Insulinrezeptoren phosphoryliert werden.
- Chemotaxis von neutrophilen Granulozyten
- auf Makrophagen: Stimuliert zur Phagozytose
- auf anderes Gewebe: steigert die Insulinresistenz
Eine zu hohe Konzentration von TNF kann über einen längeren Zeitraum zur Kachexie (Abmagerung) führen. Dies kann bei einigen Tumorpatienten beobachtet werden. Eine Überproduktion von TNF wird auch bei einigen Tumorpatienten gefunden, weshalb es auch als sogenannter Tumormarker in der Diagnostik eingesetzt wird.
5. Pharmakologie
Da TNF Entzündungsprozesse auslöst, kann es klinisch zu Autoimmunreaktionen kommen. Dies kann sich äußern in Form von Rheumatoider Arthritis (RA), Spondylitis ankylosans (Gelenkversteifung), Morbus Crohn, Schuppenflechte und Asthma bronchiale. Die Therapie dieser Krankheitsbilder kann durch einen TNF-α-Inhibitor erfolgen. Hier werden entweder monoklonale Antikörper wie Infliximab oder Golimumab eingesetzt oder zytokinbindende Stoffe wie Etanercept.