Synoviae-Mykoplasmose (Geflügel)
Synonyme: Mycoplasma-synoviae-Infektion, infektiöse Synovitis, MS
Definition
Als Synoviae-Mykoplasmose bezeichnet man eine kontagiöse, akut bis chronisch verlaufende bakterielle Infektionskrankheit beim Geflügel. Die Erkrankung ist vorrangig durch Synovitiden, Arthritiden und respiratorische Symptome gekennzeichnet.
Ätiologie
Mycoplasma synoviae (MS) ist ein Bakterium aus der Gattung Mycoplasma innerhalb der Familie der Mycoplasmataceae. Mykoplasmen sind zellwandlose, pleomorph bis kokkoid geformte Organismen mit einer Größe von ca. 0,25 bis 0,5 µm. Aufgrund ihrer fehlenden Hülle sind sie nur schwach gramnegativ anfärbbar und nur unter besonderen Bedingungen kultivierbar. Mykoplasen besitzen eine geringe Zell- und Genomgröße, sodass sie aufgrund ihrer beschränkten Stoffwechselkapazität auf eine parasitäre oder kommensale Lebensweise angewiesen sind.
Über die Virulenzfaktoren von Mycoplasma synoviae ist derzeit (2021) noch wenig bekannt. Es sind nur einzelne potenzielle Virulenzfaktoren, wie z.B. die Fähigkeit zur Hämagglutination sowie die Hämadsorption und Adhäsion an das zilientragende Epithel des Respirationstrakts beschrieben.
Epidemiologie
Mycoplasma synoviae verursacht v.a. bei Huhn, Pute und anderen Hühnervögeln klinisch manifeste Erkrankungen der Atmungsorgane, der synovialen Häute der Gelenke, der Sehnenscheiden, der Schleimbeutel (v.a. Bursa sternalis) und der Eileiter.
Der Erreger ist weltweit verbreitet und nimmt in geflügeldichten Regionen einen großen Stellenwert ein.
Pathogenese
Die Erregerübertragung erfolgt sowohl vertikal als auch horizontal. Da Legehennen oftmals latent infiziert sind, stellen sie eine wichtige Infektionsquelle für die horizontale Übertragung in Putenbeständen dar. Die Inkubationszeit wird mit 10 bis 21 Tagen angegeben.
Eintrittspforten sind die Schleimhäute des oberen Respirationstrakts sowie der sich entwickelnde Eifollikel in Elterntieren, von dem aus dann die transovarielle Übertragung möglich ist. Eine latente Infektion kann über Monate bzw. Jahre hinweg persistieren. Die Krankheitsentstehung wird durch prädisponierende Faktoren (z.B. ernährungs- und haltungsbedingte Mangelsituationen, Stressfaktoren, Eintritt in die Geschlechtsreife, Mykotoxinosen u.ä.) begünstigt oder gar verschlimmert. Durch klimatische Umweltbelastungen (z.B. niedrige Temperaturen, hoher Staub- und Ammoniakgehalt) wird die Genese respiratorischer Symptome besonders gefördert.
Abhängig von der Virulenz verursachen die Bakterien entweder lokal begrenzte Entzündungsprozesse im Bereich des Respirationstrakts oder - nach Generalisation und Organmanifestation - verschiedene exsudativ-entzündliche bis regressive Veränderungen im Bereich der synovialen Häute (Gelenke, Sehnenscheiden und Bursen). Innerhalb einer Herde können auch Mischformen beobachtet werden.
Klinik
Das klinische Bild des respiratorischen Krankheitsverlaufs entspricht in abgeschwächter Form jener einer Mycoplasma-gallisepticum-Infektion. Die Tiere leiden an Atembeschwerden, Augen- und Nasenausfluss, sie zeigen pathologische Atemgeräusche, wirken apathisch und haben einen geschwollenen Sinus infraorbitalis. Zusätzlich können ein Rückgang der Legeleistung sowie Entwicklungsstörungen beobachtet werden.
Die synoviale Form ist durch eine Entzündung der Synovia der Gelenke, der Sehnenscheiden und der Schleimbeutel gekennzeichnet. Infolge dessen entwickeln sich ein- bzw. beidseitige und teils hochgradige Lahmheiten sowie eine Bursitis. Häufige Begleitsymptome sind ein gestörtes Allgemeinbefinden und Diarrhö.
Die Morbidität kann zwischen 2 und 75 % bei Hühnern bzw. 1 und 20 % bei Puten betragen. Die Mortalität übersteigt nur selten 1 %.
Histopathologie
Bei der respiratorischen Verlaufsform entwickelt sich eine fibrinöse Aerosacculitis und seltener eine serofibrinöse Peri- und Myokarditis. Sowohl die Art als auch der Schweregrad der Veränderungen hängen dabei maßgeblich von den Sekundärerregern ab.
Bei der synovialen Form schwellen in der akuten Krankheitsphase die Milz und die Nieren an. Die Leber weist charakteristische grau-grüne Flecken mit herdförmigen Nekrosen auf. Zusätzlich kommt es zu alters-inadäquaten Rückbildungen der Bursa cloacalis und des Thymus, entzündlichen Unterhautödemen und grau-gelben bis rötlichen, viskösen und später käsig eingedickten Exsudaten in Bursen, Gelenken und Sehnenscheiden.
Bei chronisch erkrankten Tieren dominieren massive Abmagerungszeichen sowie fibrinöse indurierende und ankylosierende Entzündungen der Gelenke, die oftmals auch die Sehnenscheiden betreffen. Aufgrund der massiven Veränderungen kommt es zu amyloiden Ablagerungen, die den betreffenden Gelenken und Sehnenscheiden ein orangefarbenes Aussehen verleihen.
Differenzialdiagnose
Bei der synovialen Verlaufsform sind folgende Differentialdiagnosen auszuschließen:
- Rheovirus-Arthritis
- Streptobazillose
- Streptokokkosen bzw. Staphylokokkosen
- Salmonellose
- Pasteurellose
Bei der respiratorischen Form kommen Gallisepticum- und Meleagridis-Mykoplasmose sowie Coliseptikämie als Differentialdiagnose in Frage.
Diagnose
Die Diagnostik entspricht im Wesentlichen jener einer Mycoplasma-gallisepticum-Infektion. Neben dem direkten Erregernachweis mittels PCR stehen auch indirekte Nachweismethoden (ELISA u.ä.) sowie die histopathologische Untersuchung zur Auswahl.
Therapie
Bei der synovialen Verlaufsform ist eine Behandlung wenig aussichtsreich. Ein bestandsweiter Einsatz von Antibiotika (Tetrazyklinen oder Fluorchinolonen) verhindert jedoch das Auftreten von Neuerkrankungen. Die Wirksamkeit der antibiotischen Therapie ist geringer als bei einer Gallisepticum-Mykoplasmose.
Eine gezielte antibiotische Therapie ist jedoch nur in Kombination mit der Beseitigung sämtlicher prädisponierender Faktoren sinnvoll.
Prophylaxe
Ziel ist die Schaffung erregerfreier Elterntierherden und die Vermeidung von Neuinfektionen innerhalb des Bestands. Hierfür kann eine Vakzination mit einem Lebendimpfstoff (Stamm MS-H) durchgeführt werden.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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