Sarkomatoides Lungenkarzinom
Definition
Das sarkomatoide Lungenkarzinom ist eine seltene, hochaggressive Subgruppe des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC), die durch histologische Merkmale eines epithelialen Karzinoms mit zusätzlich spindelzelliger, pleomorpher oder sarkomatoider Differenzierung gekennzeichnet ist. Die Tumoren zeigen sowohl epitheliale als auch mesenchymale Eigenschaften und gelten biologisch als besonders undifferenziert und prognostisch ungünstig.
Klassifikation
Die WHO (2021) fasst unter dem Begriff "sarkomatoides Lungenkarzinom" mehrere histologische Varianten zusammen, die mindestens teilweise Merkmale mesenchymaler Differenzierung aufweisen. Dazu gehören:
- Spindelzellkarzinom: Tumor besteht überwiegend aus spindelförmigen Zellen mit maligner Morphologie und häufig nur noch rudimentärer epithelialer Differenzierung.
- Riesenzellkarzinom: Besteht überwiegend aus mehrkernigen, riesenzelligen Tumorzellen ohne erkennbare glanduläre oder squamöse Differenzierung.
- Karzinom mit pleomorphen, spindeligen oder riesenzelligen Elementen (PSR-Komponente): Mischtumor mit konventionellen NSCLC-Anteilen und einem signifikanten (> 10 %) Anteil an sarkomatoiden Zellen.
- Pulmonales Blastom: Sehr seltener, biphasischer Tumor aus malignem Epithel und embryonalem, sarkomatoidem Mesenchym. Kommt meist bei jüngeren Erwachsenen vor.
- Karzinosarkom: Besteht aus eindeutig identifizierbaren epithelialen und sarkomatösen Komponenten (z. B. Osteo-, Chondro- oder Rhabdomyosarkom-Anteil).
Epidemiologie
Sarkomatoide Lungenkarzinome machen weniger als 1 % aller Lungenkarzinome aus. Betroffen sind in der Regel ältere Patienten, meist Männer mit ausgeprägter Raucheranamnese. Die Tumoren treten bevorzugt peripher in der Lunge auf, können jedoch auch zentral lokalisiert sein. Aufgrund ihres undifferenzierten Charakters werden sie häufig erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert.
Klinik
Die Symptomatik unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Lungenkarzinomen und kann z.B. Atemnot, Husten, Hämoptysen, Gewichtsverlust oder thorakale Schmerzen umfassen. Auffällig ist jedoch oft ein schneller klinischer Progress, häufig mit Frühmetastasierung (besonders in Leber, Gehirn, Nebennieren und Knochen) und Resistenz gegenüber konventionellen Therapieansätzen.
Bildgebung
Radiologisch erscheinen sarkomatoide Karzinome häufig als große, periphere, solide Raumforderungen mit irregulären Rändern, teils nekrotisch, teils infiltrativ in das angrenzende Lungenparenchym wachsend.
In der PET-CT zeigen sie meist eine hohe metabolische Aktivität (hoher SUV).
Es existieren jedoch keine bildmorphologischen Alleinstellungsmerkmale, die eine sichere Abgrenzung zu anderen NSCLC-Subtypen erlauben.
Pathologie
Histomorphologie
Histopathologisch zeigen sich undifferenzierte Tumorzellen mit spindeliger, pleomorpher oder riesenzelliger Morphologie, häufig mit starker Kernatypie, hoher Mitotoseaktivität und ausgedehnten Nekrosen. Typisch ist die Verlust oder starke Reduktion epithelialer Differenzierungsmarker, was die Diagnostik erschwert. In PSR-Karzinomen lassen sich neben sarkomatoiden Arealen auch klassische NSCLC-Komponenten (z.B. Adeno- oder Plattenepithelkarzinom) nachweisen.
Immunhistochemie
Immunhistochemisch ist die Expression epithelialer Marker wie AE1/AE3, CK5/6, EMA oder TTF-1 oft nur fokal oder sogar komplett negativ. In spindelzelligen Tumoranteilen kann Vimentin stark exprimiert sein, was die mesenchymale Differenzierung unterstreicht. Die Diagnose erfordert daher meist ein umfangreiches Panel an Markern, insbesondere zur Abgrenzung gegenüber primären Sarkomen oder metastatischen Tumoren.
Molekularpathologie
Sarkomatoide Lungenkarzinome zeigen häufig genetische Alterationen, die auch in anderen NSCLC-Subtypen vorkommen, z. B. KRAS-Mutationen, seltener auch EGFR, MET-Exon-14-Skipping oder TP53-Mutationen. PD-L1 ist in vielen Fällen hoch exprimiert, was für immuntherapeutische Ansätze relevant sein kann.
Therapie
Die Therapie folgt weitgehend den Prinzipien des NSCLC, jedoch mit einigen Besonderheiten:
- Chirurgische Resektion ist bei lokalisierter Erkrankung die Therapie der Wahl, sofern operabel.
- Adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie zeigt eingeschränkte Wirksamkeit; Platin-basierte Schemata werden dennoch eingesetzt.
- Aufgrund der häufigen PD-L1-Überexpression besteht eine zunehmende Rolle für Checkpoint-Inhibitoren (z.B. Nivolumab, Pembrolizumab), teils mit gutem Ansprechen.
- Bei nachgewiesener MET-Exon-14-Skipping-Mutation kommen zielgerichtete Therapien wie Capmatinib oder Tepotinib infrage.
- Eine strahlentherapeutische Behandlung ist meist palliativ ausgerichtet.
Prognose
Die Prognose sarkomatoider Karzinome ist insgesamt schlecht. Die mediane Überlebenszeit liegt häufig unter einem Jahr, insbesondere bei nicht resezierbaren Tumoren. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt selbst im Stadium I unter 30 %.