Periradikuläre Schmerztherapie der Halswirbelsäule
Definition
Die periradikuläre Schmerztherapie der Halswirbelsäule, kurz PRT der HWS, ist ein Verfahren der interventionellen Schmerztherapie zur Behandlung von Zervikobrachialgien, die durch die Beteiligung einer Nervenwurzel im entsprechenden Neuroforamen der Halswirbelsäule (HWS) bedingt sind.
Hintergrund
Bei der periradikulären Schmerztherapie (PRT) werden unter CT-Kontrolle perkutan Medikamente so nah wie möglich an die zu behandelnde Struktur appliziert. Durch die Gabe von Glukokortikoiden können die Entzündung um die nervalen Strukturen und damit die Schmerzen reduziert werden.
Indikationen
Die periradikuläre Therapie im Bereich der Halswirbelsäule ist eine Alternative zu einem chirurgischen Eingriff, wenn die Schmerzintensität durch eine medikamentöse Therapie nicht genügend gelindert werden kann. Aufgrund der möglichen Komplikationen des Eingriffs sollte die PRT nur nach einer erfolglosen konservativen medikamentösen und physiotherapeutischen Behandlung bei einer Schmerzdauer von mindestens 6 Wochen (chronischer Schmerz) durchgeführt werden. Bei professionellen Sportlern kann der Eingriff in Ausnahmefällen früher angeboten werden. Entscheidende Indikationen der PRT im Bereich der HWS sind:
- radikuläre Schmerzen mit einer eindeutigen klinischen und radiologischen Korrelation
- Neuroforamenstenose durch Unkarthrose
- chronische radikuläre Symptomatik mit einer Schmerzdauer von mindestens 6 Wochen.
Grundsätzlich muss bei der Indikationsstellung darauf geachtet werden, dass nicht eine pseudoradikuläre Symptomatik vorliegt. Beispielsweise können Pathologien der Facettengelenke der Etagen C3/C4 und C4/C5 oder Dysfunktionen der Kostotransversalgelenke der 1. und 2. Rippe zu ausstrahlenden Schmerzen in der Arm-Schulter-Region führen. Deshalb müssen im Zweifelsfall ein Blocktest mit lokaler Applikation von Lokalanästhetikum und eine Behandlung der Facettengelenke oder Kostotransversalgelenke einem foraminalen Eingriff vorausgehen.
Durchführung
Im Idealfall sollte vor einer PRT eine aktuelle MRT-Diagnostik vorliegen. Alternativ kann eine CT durchgeführt werden. Die Gabe von Kontrastmittel ist sinnvoll, um anatomische Varianten der Arteria vertebralis zu erkennen und eine Punktion von Gefäßen zu vermeiden. Die MRT ist nicht nur sinnvoll zur Indikationsstellung und Beurteilung der anatomischen Gegebenheiten, sondern kann auch die Erfolgschance einschätzen. So gehen neu aufgetretene und foraminal gelegene Bandscheibenvorwölbungen mit einer besseren Outcome einher als eher knöcherne Neuroforamenstenosen.
Grundsätzlich werden bei der CT-gesteuerten PRT Low-Dose-Protokolle verwendet, um die Strahlendosis so gering wie möglich zu halten. Hierfür wird die Stromstärke reduziert (z.B. 30 mAs) und ein sequenzieller Akquisitionsmodus benutzt. Der Einsatz einer Navigationshilfe macht weniger Kontroll-Scans nötig. An der Halswirbelsäule wird eine dünne Schichtdicke (z.B. von 1,2 mm) verwendet.
Benötigte Materialien
- Desinfektionsmittel
- steriles Abdecktuch
- Kompressen
- Spritzen mit 2 und 5 ml
- entsprechende Sonden für den Eingriff: z.B. 27-G-Hohlnadeln bzw. -Sonden oder 26-G-Hohlnadeln bzw. koaxiale Spinalnadeln
- Glukokortikoid (z.B. Triamcinolon 10 - 40 mg)
- ggf. Kontrastmittel
- ggf. kurzwirksames Lokalanästhetikum (z.B. Mepivacain)
- ggf. isotone Kochsalzlösung
Lokalanästhetikum
Bei einer PRT an der Halswirbelsäule werden, sofern möglich, 27-G-Hohlnadeln verwendet. In diesem Fall ist die Gabe von Lokalanästhetikum in der Regel nicht notwendig. Bei einem muskulösen oder kurzem Hals, einer Behandlungsetage C6 bis Th1 oder einer Entfernung von der Hauteinstichstelle bis zum Neuroforamen > 5 cm, wird entweder eine spinale koaxiale 22-G- oder eine 26-G-Hohlnadel verwendet. Bei dickeren Sonden kann die vorherige Gabe eines Lokalanästhesikum erwogen werden. Dabei sollte kein Lokalanästhetikum direkt am Neuroforamen appliziert werden, um eine Diffusion in den Epiduralraum zu vermeiden. Sonst kann evtl. eine (oft nur vorübergehende) Querschnittsymptomatik auftreten.
Bei diagnostischen PRTs wird eine kleine Menge kurzwirkendes Lokalanästhetikum (z.B. 0,3 - 0,5 ml Mepivacain), mit Kochsalzlösung im Verhältnis 1:1 vermischt und präforaminal appliziert. So kann ausgetestet werden, ob die Schmerzsymptomatik direkt nach dem Eingriff nachlässt.
Lagerung
Der Patient wird bequem in Rückenlage auf dem CT-Tisch positioniert. Die Arme werden entlang des Körpers gelegt und die Schultern heruntergezogen. Der Kopf kann in Mittellage stehen oder etwas auf die entgegenliegende Seite des zu behandelnden Neuroforamens gedreht werden.
Planungsphase
Wenn der Patient gelagert ist, beginnt die Planung der PRT. Die Position des Patienten darf nicht mehr verändert werden. Mithilfe eines lateralen CT-Topogramms werden axiale Schnittbilder auf der geplanten Behandlungsetage angefertigt. Auf dem CT-Bildschirm werden die Sondeneintrittsstelle und der Winkel bestimmt. Mittels Navigationshilfe wird die Behandlungsebene im Lichtstrahl der CT-Gantry eingestellt und die Sondeneintrittsstelle auf der Haut markiert. Weiterhin kann sich der Behandler an anatomischen Landmarken wie Hautkonturen orientieren.
Die beste Position der Sonde wird kontrovers diskutiert. Grundsätzlich sollte das Medikament so nah wie möglich an das Konfliktareal zwischen Bandscheibe und Nerv gelangen, unter Berücksichtigung möglicher Risiken. Häufig bevorzugt wird eine präforaminale Lokalisation auf einer Schnittebene, auf der die Arteria vertebralis in ihrem knöchernen Kanal geschützt ist.
Teilweise wird die Sonde auch in das Neuroforamen vorgeschoben, um eine Epidurografie zu erreichen. Dabei ist die Zielstruktur das anterolaterale Ende des Facettengelenks. Die Sonde wird dann idealerweise hinter dem Spinalganglion auf dem Facettengelenk positioniert. Die Sondeneintrittsachse sollte immer von anterior nach posterior verlaufen, um eine versehentliche Punktion der Arteria vertebralis zu vermeiden.
Weiterhin kommt ein transfacettärer foraminaler Zugang infrage, um durch die Dehnung des Facettengelenks in den Epiduralraum zu gelangen.
Sondierung
Unter sterilen Kautelen wird die Sonde vorsichtig inseriert. Je nach Erfahrung des Teams kann z.B. direkt nach einem Sondenvorschub von 1 bis 2 cm ein Kontroll-Scan erfolgen. Am Zielort werden einmal langsam 1 - 2 ml Kontrastmittel appliziert, um die Sondenposition und den Ort zu kontrollieren, an dem sich das Medikament später verteilen wird. Bei richtiger Position der Sonde und zufriedenstellender Kontrastmittelverteilung ohne Blutrückfluss und vaskuläre Kontrastmittelverteilung kann nach fehlender Blutaspiration das Glukokortikoid injiziert werden. Um Schmerzen oder eine vasovagale Synkope zu vermeiden, sollte die Applikation langsam erfolgen.
Auch wenn kein Blut aspiriert wurde, kann die Sondenspitze in einem Gefäß liegen. Ist kein Kontrastmittel auf dem Kontrollbild erkennbar, befindet sich die Sondenspitze intravaskulär, da das Kontrastmittel direkt abtransportiert wird. Die Verwendung von 2- bis 3-ml-Spritzen ist empfehlenswert, um einen hohen Stempeldruck zu vermeiden, der die Nadel verschieben könnte.
Aufgrund einer Hyperämie am Neuroforamen kommt es häufiger zu einem leichten venösen Rückfluss aus der Nadel. In diesem Fall sollten ca. 0,5 bis 1,0 ml Kochsalzlösung injiziert und die Nadelposition verändert werden. Falls kein venöser Rückfluss zu verzeichnen ist, kann die Therapie durchgeführt werden. Falls der Rückfluss nicht sistiert, sollte aus Sicherheitsgründen der Eingriff abgebrochen werden.
Kontraindikationen
- Blutgerinnungsstörungen
- Infektion
- Patienten unter Antikoagulation
- Allergien auf die angewendeten Medikamente
- Indikation zur Operation: zervikale Myelopathie, motorisches Defizit
Komplikationen
Mögliche Risiken sind Hämatome und Infektionen (inklusive Meningitis). Ernsthafte Komplikationen der CT-gesteuerten PRT der Halswirbelsäule sind sehr selten. Das Hauptrisiko sind vaskuläre Komplikationen durch:
- direkte Punktion bzw. Dissektion der Arteria vertebralis oder der Arteria carotis
- vaskuläre Injektion in den periradikulären Venenkomplex
- Punktion einer Segmentarterie im Neuroforamen
In Folge kann es zu einer konsekutiven Thrombose oder einem Spasmus der Arteria spinalis anterior durch versehentliches Injizieren von Medikamenten kommen. In Einzelfällen wurden Hirninfarkte, Rückenmarksverletzungen bis hin zu Blindheit, Tetraplegie und Tod beschrieben. Hierbei handelt es sich jedoch meist um Fälle mit teils falscher Indikationsstellung, fehlerhafter Durchführung oder fehlender Durchleuchtung als Bildkontrolle.
Nachsorge
Nach dem meist etwa 15 Minuten dauernden Eingriff sollte der Patient für ca. 30 Minuten überwacht werden. Der Patient sollten an diesem Tag nicht mehr aktiv am Straßenverkehr teilnehmen.
Outcome
Das Outcome ist abhängig von verschiedenen Faktoren, z.B.:
- Chronizität: Je länger die Schmerzen bestehen, desto geringe sind die Erfolgschancen
- Ursache der Neuroforamenstenose: geringere Erfolgschance bei knöchernen Stenosen
- Injektionstechnik
- Häufigkeit der PRT: Es besteht ein kumulativer positiver Effekt, wenn mehrere Injektionen in Abständen von einigen Wochen durchgeführt werden. Deshalb sollte man mindestens 3 bis 4 Injektionstherapien abwarten, bevor ein invasiveres bzw. chirurgisches Therapieverfahren angewendet wird.
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