Periprothetische Infektion
Synonyme: Protheseninfektion, Protheseninfekt
Englisch: periprosthetic joint infection
Definition
Die periprothetische Infektion ist eine Infektion im Bereich einer Gelenkendoprothese. Sie unterscheidet sich von anderen muskuloskelettalen Infektionen vor allem durch die ausgeprägte Neigung zur Biofilmbildung auf der Implantatoberfläche.
Hintergrund
Der Begriff ist bisher nicht einheitlich definiert. Häufig wird für die Diagnose die Konsensusdefinition des International Consensus Meeting von 2013 herangezogen. Eine periprothetische Infektion liegt demnach bei Vorhandensein von 1 von 2 Major- oder 3 von 5 Minor-Kriterien vor:
- Major-Kriterien:
- Nachweis einer Fistel
- identischer Erreger in 2 Gewebeproben/Punktaten
- Minor-Kriterien:
- positive Histologie
- singuläre positive Kultur
- erhöhte Zellzahl im Punktat
- erhöhter Anteil neutrophiler Granulocyten im Punktat
- CRP- und BSG-Erhöhung
Epidemiologie
Die Inzidenz variiert je nach Gelenk. Nach Primärimplantationen liegt sie bei < 1 % an der Hüfte und ca. < 2 % am Knie und an der Schulter. Besonders hoch ist das Risiko bei Tumorendoprothesen, wo Infektionsraten von bis zu 15 Prozent beschrieben sind. Revisionsoperationen gehen mit einer deutlich erhöhten Gefahr einher. In Deutschland wurden im Jahr 2016 fast 19.000 Fälle registriert. Die Erkrankung ist nicht nur ein funktionelles, sondern auch ein prognostisches Problem, da die Einjahresmortalität zwischen acht und 26 Prozent liegt und bei älteren Patientinnen und Patienten noch höher ausfallen kann.
Ätiopathogenese
Charakteristisch ist, dass bereits kleinste Keimzahlen zu einer Infektion führen können. Ursache ist häufig eine intraoperative Kontamination, seltener eine hämatogene Streuung anderer Infektionsherde.
Häufigste Erreger sind Staphylokokken wie Staphylokokkus aureus oder Staphylokokkus epidermidis, daneben auch Propionibacterium acnes, Streptokokken, Enterokokken und gramnegative Bakterien. Durch die Ausbildung von Biofilmen entziehen sich die Erreger sowohl der Immunabwehr als auch vielen Antibiotika. Begünstigt wird die Entstehung durch Faktoren wie hohes Alter, Adipositas, Diabetes mellitus, Immunsuppression, rheumatische Erkrankungen, Alkohol- oder Nikotinabusus und Tumorleiden.
Symptome
Die klinische Erscheinung hängt stark von der Verlaufsform ab. Akute Infektionen zeigen sich innerhalb weniger Wochen nach der Operation und äußern sich mit Schmerzen, Schwellung, Überwärmung, Rötung und häufig auch Fieber. Chronische Infektionen entwickeln sich dagegen oft schleichend über Monate oder Jahre, wobei Schmerzen, Lockerungszeichen oder Fistelbildungen im Vordergrund stehen.
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfordert eine Kombination aus klinischen, laborchemischen, bildgebenden und mikrobiologischen Verfahren. Neben der Anamnese und der Untersuchung sind Blutwerte wie CRP und Leukozytenzahl wichtig.
Eine Gelenkpunktion liefert Informationen über Zellzahl, Zelldifferenzierung und Erregernachweis. Bildgebung mittels Röntgen, CT, MRT oder nuklearmedizinischen Methoden dient zur Abklärung einer Lockerung oder zur Darstellung von Infektionsherden. Intraoperativ werden mehrere Gewebeproben entnommen, die sowohl histologisch als auch mikrobiologisch untersucht werden. Auch die Sonikation von Explantaten kann helfen, Biofilme zu detektieren.
Therapie
Die Behandlung ist komplex und erfordert eine enge Zusammenarbeit von Orthopädie, Chirurgie, Mikrobiologie und Infektiologie. Bei akuten Infektionen mit stabiler Prothese ist es möglich, durch ein radikales Debridement und eine mehrwöchige antibiotische Therapie den Implantaterhalt zu erreichen. Häufig müssen aber zumindest mobile Teile einer Prothese gewechselt werden.
Chronische Infektionen machen in der Regel einen Prothesenwechsel erforderlich. Dabei wird meist ein zweizeitiges Vorgehen mit temporärem Platzhalter gewählt. Bei multimorbiden oder nicht operablen Patienten können palliative Konzepte mit Langzeitantibiotika oder Drainagen angewendet werden, wenngleich die Erfolgsaussichten begrenzt sind.
Bisher (2025) gibt es keine allgemein anerkannte Strategie zur kalkulierten Antibiotikatherapie. Eine entsprechende Leitlinie befindet sich in Vorbereitung. Einige Autoren empfehlen eine Kombinationstherapie mit Rifampicin zur Eradikation von Biofilmen. Die Wirksamkeit wird aber aktuell (2025) kontrovers diskutiert.
Prognose
Trotz verbesserter diagnostischer Methoden und moderner chirurgischer Konzepte bleibt die periprothetische Infektion eine ernste Komplikation. Rezidive sind häufig, die Prognose hängt wesentlich von der Erregerart, der Dauer der Infektion, dem Allgemeinzustand der Patienten sowie der gewählten Therapie ab.
Prävention
Zur Vorbeugung gehören perioperative Antibiotikaprophylaxe, strengste Hygienemaßnahmen im Operationssaal, eine sorgfältige Wundversorgung und die Optimierung individueller Risikofaktoren wie Blutzuckerkontrolle oder Rauchstopp. Moderne Implantatoberflächen, die die Biofilmbildung hemmen sollen, werden zunehmend erprobt.
Literatur
- Walter G., Gramlich Y.: Periprothetische Infektionen. Orthopädie und Unfallchirurgie, e.Medpedia, SpringerMedizin, 2019.