Neurofibromatose Typ 1
Synonyme: Morbus von Recklinghausen, von-Recklinghausen-Krankheit, Neurofibromatose Typ I, periphere Neurofibromatose
Englisch: neurofibromatosis type 1, NF-1, von Recklinghausen disease
Definition
Die Neurofibromatose Typ 1 ist die häufigste Form der Neurofibromatose (90 % der Fälle).
Geschichte
Die Neurofibromatose Typ 1 wurde vom deutschen Pathologen Friedrich Daniel von Recklinghausen (1833–1910) zum ersten Mal beschrieben und lange Zeit nach ihm benannt.
Epidemiologie
Die Neurofibromatose Typ 1 kommt mit einer Inzidenz von etwa 1 zu 2.500 vor.
Genetik
Der krankheitsverursachende Gendefekt betrifft bei der Neurofibromatose Typ 1 das NF1-Gen auf dem langen Arm von Chromosom 17 (Genlokus 17q11.2). Das Gen kodiert für das Protein Neurofibromin, das im gesunden Zustand als negativer Regulator von Ras fungiert. Durch die mutationsbedingte Funktionsstörung kommt es zur andauernden Aktivierung des Ras. Dies wirkt förderlich auf die Entstehung von Neoplasien und wird als Ursache der Neurofibromatose Typ 1 angesehen.
Die Neumutationsrate für das NF1-Gen ist hoch. Etwa die Hälfte der neu auftretenden Fälle sind auf eine Neumutation zurückzuführen. Die andere Hälfte wird autosomal-dominant vererbt und weist dabei eine vollständige Penetranz auf.[1]
Merkmale
Die Neurofibromatose Typ 1 weist drei Hauptmerkmale auf:
Multiple Neurofibrome
Betroffene Patienten entwickeln während der Pubertät multiple, in ihrer Größe und Form sehr variable Neurofibrome. Die Neurofibrome treten häufig an der Haut auf. Möglich ist jedoch auch ein Auftreten von Neurofibromen an Nerven, Rückenmark, Orbita, Gastrointestinaltrakt und Retroperitoneum. Je nach Lokalisation und Ausmaß rufen Neurofibrome durch ihre lokal verdrängende Wirkung unterschiedliche, jedoch potentiell lebensbedrohliche neurologische Symptome hervor.
Café-au-lait-Flecken
Bevorzugt unter und in der Nähe der Neurofibrome weisen Betroffene sogenannte Café-au-lait-Flecken auf. Dabei handelt es sich um braune Pigmentflecken der Haut. Bei milden Verlaufsformen der Neurofibromatose Typ I können Café-au-lait-Flecken die einzige Manifestation der Erkrankung sein.
Lisch-Knoten
In der Iris betroffener Patienten liegen pigmentierte Hamartome, die sogenannten Lisch-Knoten vor. Sie verursachen in der Regel keine weiteren Probleme, sind bei der Diagnosestellung jedoch ein sehr hilfreiches Kriterium.
Weitere Manifestationen
Das Lebenszeitrisiko für eine Entstehung maligner peripherer Nervenscheidentumoren (MPNSTs) ist deutlich erhöht. Generell besteht ein höheres Risiko zur Ausbildung eines Glioms, Meningeoms und Phäochromozytoms, letzteres insbesondere im Kontext einer MEN Typ 3A. Bei bis 50 % der Patienten finden sich zusätzlich Manifestationen am Skelett (z.B. Skoliose, Knochenzysten). Die Knochendichte ist vermindert.[2]
Diagnostische Kriterien
Eine Neurofibromatose Typ 1 liegt vor, wenn 2 oder mehr der folgenden Kriterien vorliegen:
- 6 oder mehr Café-au-lait-Flecken mit einem größten Durchmesser von mehr als 5 mm vor der Pubertät, bzw. mehr als 15 mm nach der Pubertät
- 2 oder mehr Neurofibrome oder mindestens ein plexiformes Neurofibrom
- sommersprossartige Pigmentierungen in der Achselhöhle oder in der Leistengegend (Freckling)
- Tumor am Sehnerv (Optikusgliom)
- Pigmentanreicherungen auf der Regenbogenhaut des Auges (Lisch-Knötchen)
- Typische Knochenveränderungen (Keilbeinflügeldysplasie, Verkrümmung der langen Röhrenknochen)
- Verwandter ersten Grades (Elternteil, Geschwister, Kind) mit der Diagnose Neurofibromatose Typ 1 aufgrund dieser Kriterien
Differentialdiagnosen
Folgende Erkrankungen kommen als Differentialdiagnosen in Betracht:
- Andere Formen der Neurofibromatose: Segmentale Neurofibromatose, Watson-Syndrom, Neurofibromatose Typ 2, Schwannomatose
- Andere Erkrankungen mit Café-au-lait-Flecken: McCune-Albright-Syndrom, CMMRD-Syndrom, LEOPARD-Syndrom, Neurokutane Melanose, Peutz-Jeghers-Syndrom, Piebaldismus
- Lokalisierte Großwuchssyndrome: Klippel-Trénaunay-Syndrom, Proteus-Syndrom
- Hereditäre neurofibromähnliche Tumorerkrankungen: Lipomatose, Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom, Fibromatose, Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2B
Literatur
- Ferner et al.: Guidelines for the diagnosis and management of individuals with neurofibromatosis 1, J Med Genet, 2007
Quellen
- ↑ Farschtschi et al.: Neurofibromatosen, Dtsch Arztebl Int 2020
- ↑ Nipith Charoenngam, Phuuwadith Wattanachayakul, Aunchalee Jaroenlapnopparat, Patompong Ungprasert, Jirat Chenbhanich: Bone Mineral Density In Neurofibromatosis Type 1: A Systematic Review And Meta-analysis Journal of the Endocrine Society, Volume 7, Issue Supplement_1, October-November 2023
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