Homocysteinämie
von altgriechisch: ὑπέρ ("yper"); αἷμα ("haima") - Blut
Synonym: Hyperhomocysteinämie
Englisch: hyperhomocystein(a)emia
Definition
Als Homocysteinämie bezeichnet man einen erhöhten Plasmaspiegel der nicht-proteinogenen Aminosäure Homocystein.
Ursachen
Hereditäre Homocysteinämie
Die hereditäre Homocysteinämie basiert auf angeborenen Enzymdefekten und geht mit deutlich erhöhten Homocysteinspiegeln einher. Man Unterscheidet die heterozygote und die homozygote Form, wobei die homozygote Form die Maximalvariante der Homocystinämie darstellt. Erblich bedingte Störungen, die mit einem erhöhten Homocysteinspiegel einhergehen, werden auch als Homozystinurien zusammengefasst. Beispiele für die angeborenen Enzymdefekte sind:
MTHFR-Mangel
Der Mangel an 5,10-Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR) basiert auf einer autosomal-rezessiv vererbten Punktmutation im MTHFR-Gen an Genlokus 1p36.3. Die Enzymaktivität bei den Betroffenen ist um etwa 70 % reduziert. Der MTHFR-Mangel beeinträchtigt den intrazellulären Stoffwechsel der Folsäure, nämlich die Reduktion von 5,10-Methylen-Tetrahydrofolat zu 5-Methyl-Tetrahydrofolat. 5-Methyl-Tetrahydrofolat dient als Methyldonor für die Remethylierung des Homocysteins zu Methionin. Der Methyl-Tetrahydrofolat-Mangel führt entsprechend zu einer Homozystinurie und Hypomethioninämie. Bei der heterozygoten MTHFR-Mutation liegt der Homocysteinspiegel etwa bei 13,8 ± 1,0 µmol/l, bei der homozygoten MTHFR-Mutation bei 22,4 ± 2,9 µmol/l.
CBS-Mangel
Die klassische Form der hereditären Homocysteinämie ist durch einen Defekt der Cystathioninsynthetase (Cystathionin-beta-Synthase, CBS) bedingt. Hier liegt eine autosomal-rezessiv vererbte Mutation im CBS-Gen an Genlokus 21q22.3 vor. Die Prävalenz in Deutschland beträgt für
- heterozygote Träger: ca. 1%
- homozygote Träger: 1:20.000 bis 1:250.000
Die CBS wandelt im Transsulfurierungsweg des Methioninzyklus Homocystein in Cystathionin um. Bei einem Enzymdefekt ist die Enzymaktivität eingeschränkt oder unterbrochen. Bei heterozygoten Trägern liegt der Homocysteinspiegel zwischen 31 und 100 µmol/l im Blut, bei homozygoten Trägern über 100 µmol/l.
siehe auch: Homozystinurie
Erworbene Homocysteinämie
Neben hereditären Ursachen kann ein Mangel an Vitamin B2, Vitamin B6, Vitamin B12 oder Folsäure zu einer Homocysteinämie führen. Auch Bewegungsmangel, Übergewicht, häufiger Kaffee-, Nikotin- und Alkoholkonsum begünstigen erhöhte Homocysteinspiegel.
Darüber hinaus können Alter, Geschlecht, Medikamente und Nebenerkrankungen den Homocysteinspiegel beeinflussen. Medikamente, die das Homocystein im Blut erhöhen, sind unter anderem trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika und Folsäureantagonisten. Karzinome, chronische Niereninsuffizienz, Hypothyreose oder Erkrankungen der Leber sind Beispiele für Erkrankungen, die mit erhöhten Homocysteinspiegeln einhergehen können.
Pathophysiologie
Ein erhöhter Homocysteinspiegel wirkt sich nachweislich schädigend auf das Gefäßendothel aus. Folge ist eine signifikant erhöhte Thrombosegefahr. Menschen mit entsprechenden weiteren Risikofaktoren haben ein noch stärker erhöhtes Risiko. Im Sinne eines Circulus vitiosus verursachen bei kardiovaskulär gefährdeten Patienten viele ohnehin bereits vorhandene Risikofaktoren (Bluthochdruck, Alkohol, Nikotin, Arteriosklerose) ihrerseits einen weiteren Anstieg des gefäßschädigenden Homocysteins.
Auch einige neurologische bzw. psychiatrische Erkrankungen scheinen durch hohe Homocysteinwerte begünstigt zu werden. So sagt man Homocystein einen Depressions-fördernden Effekt nach. Schlaganfälle in jungen Jahren gehen meist ebenfalls mit einem erhöhten Spiegel von Homocystein einher, ebenso die Eklampsie und die Makuladegeneration. Um den Spiegel dieser Aminosäure nachhaltig zu senken, empfiehlt sich die Gabe von Folsäure (Vitamin B9), Pyridoxin (Vitamin B6) und Vitamin B12.
Labormedizin
Der Homocysteinspiegel im Blut kann durch ein Immunassay oder mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie bestimmt werden. Es müssen Probengefäße mit einem speziellen Hemmstoff verwendet werden, da andernfalls die Erythrozyten in der Blutprobe weiter Homocystein aus Adenosylmethionin bilden. Der Anstieg beträgt etwa 10% pro Stunde. Alternativ kann das Blut sofort nach Entnahme zentrifugiert und das Serum abgetrennt werden (Präanalytik).
Referenzbereiche
Eine Homocysteinämie liegt bei einem Homocystein-Serumspiegel von mehr als 15 µmol/l vor. Etwa 80% des Homocysteins sind dabei an Plasmaproteine gebunden. Abhängig von der Serumkonzentration kann man die Homocysteinämie in folgende Schweregrade einteilen:
Leicht | 15-30 µmol/l (meist Vitaminmangel) |
Mittelschwer | 30-100 µmol/l (V.a. heterozygote Form) |
Schwer | 100 µmol/l (V.a. homozygote Form) |
Bei unauffälligem Labor - aber weiterhin bestehendem Verdacht - kann ein Methionin-Belastungstest durchgeführt werden.
Klinik
Eine Homocysteinämie tritt bei verschiedenen hereditären Stoffwechselerkrankungen auf, die man als Homocystinurien bezeichnet. Diese variieren oftmals stark in ihrer Klinik.
Therapie
Der Homocysteinspiegel kann durch Gabe der Vitamine B6, B12 und Folsäure (Vitamin-B-Komplex) gesenkt werden. Die Indikation einer Therapie richtet sich insbesondere nach den Plasmaspiegeln von Homocystein.
Indikation
Serumspiegel | Interpretation | Konsequenz |
---|---|---|
unter 10 µmol/l | günstig | kein Handlungsbedarf (Therapieziel) |
10 bis 12 µmol/l | tolerabel (bei Gesunden) | Handlungsbedarf für Patienten mit erhöhtem Risiko |
12 bis 30 µmol/l | moderate Homocysteinämie | Handlungsbedarf für alle |
Initiale Low-dose-Therapie
- Folsäure 0,2 bis 0,8 mg/Tag
- Vitamin B12: 3 bis 30 µg/Tag (älter als 60. Lebensjahr: 100 µg/Tag)
- Vitamin B6: 2 bis 6 mg
- generell Umstellung auf vitaminreiche Kost sinnvoll
Kontrollen nach 4-6 Wochen:
- Homocysteinspiegel unter 10 µmol/l → Low-dose-Therapie fortführen
- Homocysteinspiegel über 10 µmol/l → auf High-dose-Therapie wechseln
High-dose-Therapie
- Folsäure 1 bis 58 mg/Tag
- Vitamin B12: 100 bis 600 µg/Tag (älter als 60. Lebensjahr: 100 µg/Tag)
- Vitamin B6: 6 bis 25 mg
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 22.03.2021
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