Höhenlungenödem
Englisch: high-altitude pulmonary edema
Definition
Das Höhenlungenödem, kurz HAPE, ist ein nicht-kardiogenes Lungenödem, das meist als Teil der Höhenkrankheit beim Aufenthalt in großen Höhen auftreten kann.
- ICD10-Code: T70.2
Risikofaktoren
Die wichtigsten Risikofaktoren sind ein rascher Aufstieg, ein vorausgegangenes HAPE in der Anamnese, Atemwegsinfektionen und Kälte. Männer sind häufiger betroffen. Personen mit einem offenen Foramen ovale, einer Mitralklappenstenose, einer pimären pulmonalen Hypertonie oder mit einseitigem Fehlen der Pulmonalarterie haben bereits in relativ geringer Höhe (< 3.000 Meter) ein deutlich erhöhtes Risiko.
Pathophysiologie
Bei niedrigem alveolärem Sauerstoffpartialdruck tritt eine lokale, ungleichmäßig verteile Vasokonstriktion der Lungengefäße auf (Euler-Liljestrand-Mechanismus). Diese führt zu einem erhöhten pulmonalkapillären Druck (über 18 mmHg) mit Zerstörung der kapillären Struktur. Warum eine Vasokonstriktion ausgelöst wird, ist noch nicht geklärt. Vermutlich führt eine Hypoxie zur endothelialen Dysfunktion mit verminderter Stickstoffmonoxid-Freisetzung. Desweiteren ist die Konzentration des Vasokonstriktors Endothelin-1 bei Personen mit Prädisposition für HAPE höher als in der Normalbevölkerung.
Weitere Faktoren, die den Pulmonalarteriendruck erhöhen, sind körperliche Belastung und Kälte. Der bei Hypoxie erhöhte Sympathikotonus führt zur Konstriktion der pulmonalen Venen mit Flüssigkeitsaustritt aus den Kapillaren in die Alveolen. Zudem wird eine Störung des transepithelialen Natrium- und Wasser-Transports aus den Alveolen vermutet. Eine Entzündungsreaktion ist vermutlich nur eine Begleiterscheinung, jedoch erhöhen entzündliche Erkrankungen das Risiko für die Entwicklung eines Höhenlungenödems.
Symptome
Klinisch äußert sich das Höhenlungenödem durch eine Dyspnoe. Meist zwei bis fünf Tage nach Erreichen großer Höhe treten als erste Symptome eine stärkere Abnahme der maximalen Ausdauerleistung, als zu erwarten wäre, und ein trockener Dauerhusten auf. Er wird im weiteren Verlauf produktiv und ist dann oft von blutig tingiertem Sputum begleitet. Hinweise auf ein Fortschreiten der Erkrankung sind Tachypnoe und Tachykardie in Ruhe. Später haben viele Patienten Fieber und als Zeichen einer generellen Akklimatisierungsstörung sind Erbrechen und Oligurie möglich.
Differenzialdiagnostik
Bis zum Beweis des Gegenteils ist bei diesen Symptomen in Zusammenhang mit einem schnellen Aufstieg in große Höhe von einem Höhenlungenödem auszugehen. Trotzdem ist differenzialdiagnostisch an virale und bakterielle Atemwegsinfekte oder Pneumonien, Lungenarterienembolien, Asthma bronchiale sowie Linksherzinsuffizienz zu denken.
Diagnostik
Das Höhenlungenödem ist eine klinische Diagnose. In der Regel reicht die Messung der Sauerstoffsättigung mittels Pulsoximetrie aus.
- Auskultation: Mögliche Rasselgeräusche
- Sonografie: Schon im Frühstadium können B-Linien als Zeichen einer interstitiellen Flüssigkeitsansammlung sichtbar sein.
- Röntgen-Thorax: Umschriebene Verschattungen oder ein fleckiges interstitielles Ödem erkennbar, typische Kerley-B-Linien oder schmetterlingsförmige Verschattungen finden sich nicht.
- EKG: Zeichen einer Rechtsherzbelastung bzw. Rechtsherzhypertrophie
- Blutgasanalyse: Neben einer Hypoxie ist auch eine respiratorische Alkalose typisch, außer bei Einnahme von Acetazolamid (z.B. aufgrund einer akuten Höhenkrankheit), was zur metabolischen Azidose führen kann.
Bei Auftreten eines HAPE unter 3.000 Metern oder bei Verdacht auf eine kardiopulmonale Prädisposition für ein HAPE sollte eine Echokardiografie durchgeführt werden.
Prävention
Wie auch bei der akuten Höhenkrankheit lässt sich ein HAPE am besten durch einen langsamen Aufstieg vermeiden. Falls ein rascher Aufstieg notwendig ist oder die Person bereits ein HAPE in der Vorgeschichte hatte, kann retardiertes Nifedipin (30 mg alle 12 Stunden) das Risiko verringern. Weiterhin sind Salmeterol (125 µg per inhalationem alle 12 Stunden), Tadalafil (10 mg alle 12 Stunden) sowie Dexamethason (8 mg alle 12 Stunden) effektiv.
Therapie
Die effizientesten Maßnahmen sind Abstieg und Gabe von Sauerstoff (4 bis 6 Liter pro Minute) mit dem Zielwert der Sauerstoffsättigung über 90%. Weitere körperliche Anstrengung muss vermieden und der Patient warmgehalten werden. Wenn ein Abstieg nicht möglich und kein Sauerstoff verfügbar ist, kann eine mobile Überdruckkammer helfen. Zusätzlich kann retardiertes Nifedipin (30 mg alle 12 Stunden) und evtl. auch Salmeterol verabreicht werden. Desweiteren gibt es noch Fallberichte über den Einsatz von Phosphodiesterase-5-Inhibitoren.
Prognose
Im Gegensatz zum akuten Atemnotsyndrom bleibt die Lungenstruktur bei HAPE in der Regel gut erhalten. Nach einem Abstieg bilden sich die Veränderungen rasch zurück. Aus diesem Grund können Betroffene nach dem Abstieg und einigen Ruhetagen unter Umständen wieder langsam aufsteigen.
Literatur
- Suttorp N. et al., Harrisons Innere Medizin, Hrsg. 19. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2016
- Dehnert et al. High altitude pulmonary edema: A pressure-induced leak, Respiratory Physiology & Neurobiology, Volume 158, Issues 2–3, 30 September 2007, Pages 266-273, abgerufen am 23.06.2019
- Schommer K, Bärtsch P. Basiswissen für die höhenmedizinische Beratung, Dtsch Arztebl Int 2011; 108(49): 839-48; DOI: 10.3238/arztebl.2011.0839, abgerufen am 23.06.2019