Autoimmune autonome Ganglionopathie
Synonym: akute Pandysautonomie (veraltet)
Englisch: autoimmune autonomic ganglionopathy
Definition
Die autoimmune autonome Gangliopathie, kurz AAG, ist eine seltene, immunvermittelte Form der autonomen Neuropathie. Sie manifestiert sich klinisch mit einer Vielzahl autonomer Funktionsstörungen, die sympathische, parasympathische und enterale Anteile des vegetativen Nervensystems betreffen können.
Ätiopathogenese
Die AAG ist eine Autoimmunerkrankung unbekannter Genese, die entweder idiopathisch oder im Rahmen paraneoplastischer Prozesse auftreten kann. Weiterhin kann der Erkrankung ein Virusinfekt, eine Operation oder in sehr seltenen Fällen eine Impfung vorausgehen.
Bei ca. 50 % der Patienten lassen sich Autoantikörper gegen die α3-Untereinheit der nikotinischen Azetylcholinrezeptoren (nAChR) vom Ganglion-Typ nachweisen. Diese Rezeptoren sind ligandengesteuerte Kationenkanäle, die wesentlich für die synaptische Signalübertragung im autonomen Nervensystem sind. Die Antikörper binden entweder an oder in der Nähe der Bindungsstelle für Liganden und hemmen die cholinerge Transmission.
Klinik
Die Erkrankung beginnt meist subakut bei vormals gesunden Erwachsenen mittleren Alters (ø 52 Jahre) und verläuft typischerweise monophasisch. Zu den häufigsten Symptomen zählen:
- Sympathikus
- Parasympathikus
- Enterales Nervensystem
Die Antikörpertiter korrelieren meist mit dem Schweregrad und der Ausdehnung der Symptome.
Diagnostik
Zunächst werden autonome Funktionstests durchgeführt (z.B. QSART, Kipptischuntersuchung). Der Nachweis der Autoantikörper erfolgt mittels Radioimmunoassay. Konzentrationen > 0,05 nmol/l gelten als pathologisch; Werte > 0,5 nmol/l sind typisch für seropositive AAG. Zusätzlich können Antikörper gegen andere nAChR-Untereinheiten (z.B. α7) oder muskuläre nAChR auftreten, meist jedoch in niedriger Konzentration und ohne klinische Myasthenie.
Differentialdiagnosen
Abzugrenzen sind andere autonome Neuropathien wie:
- Pure autonomic failure (PAF)
- Paraneoplastisches Syndrom (v.a. bei kleinzelligem Bronchialkarzinom mit anti-Hu oder anti-CRMP5)
- Systemische Autoimmunerkrankungen (z.B. Sjögren-Syndrom, SLE)
Therapie
Die Behandlung umfasst symptomatische Maßnahmen wie Volumen- und Salzzufuhr, die Gabe von Midodrin, Pyridostigmin sowie prokinetischen Substanzen. Immunmodulatorische Therapien (z.B. Plasmapherese, IVIG, Kortikosteroide, Azathioprin, Rituximab) zeigen teils gute Effekte – insbesondere bei hohen Antikörpertitern – sind jedoch nicht standardisiert.
Prognose
Seropositive Patienten mit subakuter AAG zeigen häufig eine partielle Besserung unter Therapie. Chronische Verläufe können mit persistierenden Defiziten einhergehen. Die Prognose hängt wesentlich vom Ansprechen auf immunmodulierende Maßnahmen und der zugrunde liegenden Ätiologie (idiopathisch vs. paraneoplastisch) ab.
Quelle
- Seelig, Autoantikörper gegen ganglionäre Azetylcholinrezeptoren und autoimmune autonome Gangliopathie, Nervenheilkunde, 2009