Down-Syndrom
nach dem britischen Arzt John Langdon Haydon Down (1828-1896)
Synonyme: Trisomie 21, "Mongolismus" (obsolet)
Englisch: Down syndrome, Langdon Down disease
Definition
Das Down-Syndrom ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch eine Chromosomenaberration ausgelöst wird. Das Chromosom 21 liegt nicht zweimal, sondern dreimal (Trisomie) im Erbgut vor.
ICD10-Codes
- Q90.0: Trisomie 21, meiotische Non-Disjunction
- Q90.1: Trisomie 21, Mosaik (mitotische Non-Disjunction)
- Q90.2: Trisomie 21, Translokation
- Q90.9: Down-Syndrom, nicht näher bezeichnet
Epidemiologie
Das Down-Syndrom ist die häufigste autosomale Chromosomenaberration des Menschen. Die Inzidenz liegt bei ca. 1/600 Lebendgeborenen. Das Risiko ist dabei abhängig von dem Alter der Mutter zum Zeitpunkt der Konzeption: Die Inzidenz steigt von 1/1.500 bei einem Alter der Mutter von 20 Jahren auf 1/6 im Alter von 50 Jahren. Dies gilt jedoch nur für die freie Trisomie 21 und nicht für die Translokationstrisomie.
Genetik
Vier Formen des Down-Syndroms sind zu unterscheiden.
Freie Trisomie 21
Die freie Trisomie 21 entsteht durch eine Non-Disjunction während der Meiose. In ca. 90 % der Fälle tritt diese bei der Mutter auf (dabei in 70 % d.F. bei der ersten meiotischen Teilung), selten beim Vater. Als Resultat ist das Chromosom 21 in allen Zellen dreifach vorhanden. Der Karyotyp lautet:
- 47,XX,+21 bzw. 47,XY,+21.
Die freie Trisomie ist die häufigste Form der Trisomie 21 und macht etwa 95 % der Fälle aus. Das Wiederholungsrisiko für weitere Kinder des gleichen Ehepaares beträgt etwa 1 %.
Translokationstrisomie 21
In ungefähr 4 % d.F. liegt eine Translokationstrisomie 21 vor. Dabei sind die Erbinformationen des Chromosoms 21 ebenfalls dreifach vorhanden. Neben dem homologen Chromosomenpaar 21 liegt ein zusätzliches Chromosom 21 vor, das mit einem anderen Chromosom (häufig Chromosom 14) verbunden ist.
Die Translokationstrisomie 21 entsteht in ca. 50 % d.F. durch eine Vererbung einer balancierten Translokation von einem Elternteil. In den anderen Fällen liegt ihr eine Neumutation während der Meiose zugrunde.
Als balancierte Robertson-Translokation wird dabei die Translokation des langen Armes eines Chromosoms 21 auf den langen Arm eines akrozentrischen Chromosoms (unter Wegfall der beiden kurzen Arme) bezeichnet. Die Betroffenen besitzen 45 Chromosomen, aber trotzdem einen normalen Phänotyp. Dies liegt darin begründet, dass durch den Wegfall der kurzen Arme der akrozentrischen Chromosomen kein proteinkodierendes genetisches Material verloren geht.
Durch Weitergabe des Translokationschromosoms zusammen mit einem unauffälligen Chromosom 21 entsteht nach der Befruchtung eine unbalancierte Translokation, wodurch das klinische Bild des Down-Syndroms hervorgerufen wird. Der häufigste Karyotyp lautet:
- 46,XX,+21,t(21;14) bzw. 46,XY,+21,t(21;14).
Die empirische Wahrscheinlichkeit eines Kindes eine Trisomie 21 zu tragen, beträgt 10 bis 15 % wenn die Mutter Trägerin einer balancierten Translokation ist, 1 bis 2 %, wenn der Vater Träger ist.
Mosaik-Trisomie 21
Die Mosaik-Trisomie 21 entsteht durch eine Non-Disjunction in der Mitose. Dabei existiert eine normale Zelllinie neben einer Trisomie-21-Zelllinie. Je nach Zeitpunkt der fehlerhaften Mitose variiert die phänotypische Ausprägung. Der Karyotyp lautet:
- 46,XX/47,XX,+21 bzw. 46,XY/47,XY,+21.
Die Mosaik-Trisomie 21 macht ca. 1 % der Fälle aus.
Partielle Trisomie 21
Bei der äußerst seltenen partiellen Trisomien 21 liegen nur Teile eines Chromosom 21 dupliziert vor. Je nach Ausprägung sind die Symptome variabel.
Pathophysiologie
Die Symptomatik entsteht vermutlich durch eine erhöhte Expression von Genen, die auf dem Chromosom 21 lokalisiert sind. Das Chromosom trägt etwa 250 Gene. Eine veränderte Expression von 20 bis 50 dieser Gene sorgt bereits für den typischen Phänotyp der Trisomie 21. Die Gene liegen in der sogenannten Down syndrome critical region (DSCR) im langen Arm des Chromosoms.
Die genauen pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen der erhöhten Proteinexpression und der Symptomatik sind bisher (2022) kaum verstanden. Für einige Gene wurde ein Zusammenhang mit bestimmten Veränderungen in Patienten mit Down-Syndrom beschrieben:
- COL6A1: codiert für Kollagen Typ VI, alpha 1; steht im Zusammenhang mit diversen Fehlbildungen am Herzen
- SOD1: codiert für die Superoxiddismutase; steht im Zusammenhang mit frühzeitiger Alterung, verminderter Funktion des Immunsystems und der Alzheimer-Krankheit
- ETS2: codiert für einen Transkriptionsfaktor; steht im Zusammenhang mit Knochenfehlbildungen
- CBS: codiert für die Cystathionin-β-Synthase; steht im Zusammenhang mit metabolischen Störungen und Störungen der DNA-Reparatur
- DYRK: codiert für eine Tyrosinkinase; steht im Zusammenhang mit mentaler Retardierung
Symptome
Die klinische Ausprägung des Down-Syndroms ist sehr variabel. Sie reicht von leichten Beeinträchtigungen bis zu schweren Behinderungen.
Morphologische Merkmale
Die postnatalen Symptome der Trisomie 21 sind recht typisch. Der Aspekt der Betroffenen umfasst zahlreiche morphologische Veränderungen an Gesicht und Kopf (kraniofaziale Dysmorphie), u.a.:
- Lidachsen nach außen schräg ansteigend
- schmale Lidspalte
- Epikanthus medialis
- Brushfield-Spots (helle Sprenkel an der Außenseite der Iris)
- Hypertelorismus
- Katarakt in jungem Alter
- offener Mund mit Makroglossie
- hoher Gaumen
- Brachyzephalus mit abgeflachtem Hinterhaupt
- dritte Fontanelle
- hypoplastischer Nasenknochen, breite Nasenwurzel
- Anomalien der Ohrmuschel
- kurzer dicker Hals
Weitere morphologische Merkmale sind:
- Kleinwuchs
- Vierfingerfurche
- Sandalenfurche
- Klinodaktylie
- Brachydaktylie
- Kamptodaktylie
- Rippenanomalien
- Hypermobilität der Gelenke
- muskuläre Hypotonie (Saugschwäche, leichte Ermüdbarkeit, leises Schreien)
Organfehlbildungen
Auch die inneren Organe können von Fehlbildungen betroffen sein:
- angeborene Herzfehler (bei etwa der Hälfte der Neugeborenen): am häufigsten Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt, atrioventrikulärer Septumdefekt, Fallot-Tetralogie
- Ileus bzw. Stenosen des Gastrointestinaltraktes (z.B. bei Duodenalatresie)
- Pancreas anulare
- Analatresie
- Morbus Hirschsprung (Aganglionose des Colon)
- diverse Augenfehlbildungen
- Hypogonadismus (Männer sind im Gegensatz zu Frauen i.d.R. infertil)
Weitere Störungen
Hinzu treten weitere Störungen wie:
- verminderte Intelligenz (Intelligenzquotient liegt im Mittel bei 50)
- hohe Infektanfälligkeit
- Anfälligkeit zur Entwicklung bestimmter Neoplasien (insbesondere ALL und AML)
- höheres Risiko für die Entwicklung einer Epilepsie (ca. 5%, z.B. West-Syndrom)
- Hypothyreose
- Anfälligkeit für Zöliakie
- Alzheimer-Krankheit: tritt bei den meisten Patienten bis zum 40. Lebensjahr auf. Durch das Vorhandensein einer dritten Kopie des APP-Gens kommt es zu einer um ca. 50 % erhöhten Synthese des Proteins. Entsprechend fällt vermehrt das Spaltprodukt Amyloid-β1-42 an, welches zur Bildung von senilen Plaques führt.
Diagnostik
Das Down-Syndrom kann im Rahmen einer Pränataldiagnostik erkannt werden. Mögliche Untersuchungsverfahren sind die Sonographie, Tests aus mütterlichem Blut und verschiedene invasive Methoden.
Sonographie
Ein unspezifischer Hinweis auf eine Trisomie 21 in der Sonographie ist eine verbreiterte Nackentransparenz. Weitere sonographische Zeichen sind:
- Anomalien des Herzens
- Wachstumsstörungen des Fetus
- intrauterin feststellbare Mikrozephalie
- zu kleiner Femur oder Humerus
- Hypoplasie des Os nasale (spätere Sattelnase)
- Double-Bubble-Zeichen bei Duodenalatresie
- Pyelektasie (aufgeweitete Nierenbecken)
Tests aus mütterlichem Blut
Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT)
Mit dem nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) kann eine Trisomie 21 anhand von kindlichen DNA-Fragmenten im mütterlichen Blut mittels PCR nachgewiesen werden. Bei einem NIPT besteht nicht die Gefahr von ungewollten Aborten.
Voraussichtlich ab dem Frühjahr 2022 werden die Kosten des nicht-invasiven Pränataltests von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen und müssen nicht mehr durch die Patienten selbst getragen werden. Der NIPT wird nicht als Screeing-Untersuchung angeboten, sondern soll nur in begründeten Fällen bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken und nach einer ärztlichen Beratung durchgeführt werden. Vor Eínführung der Kostenübernahme wurde die Kritik geäußert, dass die Übernahme der Kosten und die Ausweitung der nicht-invasiven Pränataltests zu einer gesteigerten Diskriminierung von Menschen mit Behinderung führen könnte.[1] Demgegenüber steht das berechtigte Interesse vieler Eltern, die Entscheidung für ein Kind mit Behinderung bewusst treffen zu wollen.
Triple-Test
Im mütterlichen Blut lassen sich um die 15. SSW mit dem Triple-Test serologische Auffälligkeiten diagnostizieren:
Invasive Tests
Invasive Untersuchen zur Chromosomenanalyse beruhen auf dem Nachweis der Aberration in kindlichen Zellen und können auf verschiedenen Wegen gewonnen werden:
- Chorionzottenbiopsie: ab 10. Schwangerschaftswoche (SSW) möglich, Abortrisiko ca. 1 bis 5 %
- Amniozentese: ab 15. SSW, Abortrisiko ca. 1 %
Postnatale Diagnostik
Postnatal kann durch eine Chromosomenanalyse aus den Lymphozyten des Neugeborenen die Form der Trisomie festgestellt werden. Eine Echokardiographie dient dem Nachweis von eventuell vorhandenen Herzfehlern.
Therapie
Die Therapie des Down-Syndroms erfolgt symptomatisch. Operativ korrigierbare Fehlbildungen werden zeitgerecht angegangen. Bezüglich therapierter angeborener Herzfehler bestehen ausgezeichnete Erfolgsraten.
Durch Organisation in Vereinen und Selbsthilfegruppen können Möglichkeiten zur Frühförderung und zu spezifischen Förderangeboten etabliert und genutzt werden. Menschen mit einem Down-Syndrom sind zwar behindert, aber weder lebens- noch integrationsunfähig.
Prognose
Die Lebenserwartung ist aufgrund der erhöhten Infektanfälligkeit, Herzerkrankungen und dem höheren Risiko einer akuten myeloischen Leukämie vermindert. Nur etwa 45 % der Patienten werden älter als 60 Jahre.
Quiz
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Weblinks
Quellen
- ↑ Tagesschau - Trisomie-Test wird Kassenleistung, abgerufen am 15.03.2022