Thalliumvergiftung
Synonym: Thalliumintoxikation
Definition
Die Thalliumvergiftung ist eine Vergiftung, die durch Thallium oder Thalliumverbindungen ausgelöst wird. Die letale Dosis (LD) für den Menschen beträgt etwa 0,8 bis 1 g. Fälle mit tödlichem Verlauf wurden jedoch bereits nach Ingestion von ca. 8 mg/kgKG beschrieben.
Hintergrund
Thallium bzw. Thalliumverbindungen sind stark toxisch. Sie werden u.a. in Rattengift (Rodentizide) verwendet, das zur besseren Kenntlichkeit und somit zum Schutz vor Vergiftungen blau gefärbt sein muss. In vielen Ländern ist die Herstellung von Thallium-haltigen Rodentiziden inzwischen verboten.
Vergiftungsfälle treten weltweit auf und sind in der Regel auf eine versehentliche Verunreinigung von Lebensmitteln oder auf eine berufliche Exposition zurückzuführen.
Toxikologie
Thallium weist eine chemische Ähnlichkeit zu Kalium auf und wird daher über Kaliumkanäle in die Zelle transportiert. Es folgt dem enterohepatischen Kreislauf und wird aus dem Primärharn in der Niere rückresorbiert, weshalb die Ausscheidung nur sehr langsam erfolgt.
In der Literatur wird vermutet, dass die toxische Wirkung zum einen auf der Verdrängung des Kaliums und zum anderen auf der Hemmung bestimmter Enzyme beruht.
Thallium ist fetotoxisch, es gelangt leicht durch die Plazenta in den Fetalkreislauf.
Symptome
Die in der Literatur dokumentierten Symptome basieren auf Erfahrungen, die in einzelnen Kasuistiken beschrieben wurden und beziehen sich hauptsächlich auf eine akute Intoxikation, wie sie beispielsweise nach der Inkorporation von Rattengift auftritt.
Initialphase
Innerhalb der ersten 4 Tagen kann die Vergiftung symptomarm verlaufen. Teilweise stellt sich zunächst ein Erbrechen ein, gefolgt von einem mehrtägigen symptomfreien Intervall. Mögliche weitere frühe Symptome sind:
Frühphase
Nachfolgend treten unspezifische neurologische Symptome auf wie:
- Schlafstörungen
- psychische Veränderungen
- Hypersensitivität mit starken Schmerzen in den unteren Extremitäten und den Fußsohlen
Maximalphase
Nach ca. 10 bis 20 Tagen zeigen sich zusätzlich:
- Haarausfall, von dem nicht alle Körperteile gleichermaßen betroffen sein müssen
- toxische Polyneuritis und Schädigung der Hirnnerven:
- Atemnot
- Herzrhythmusstörungen
- Anämie mit Thrombozytopenie
- hyperchlorämische metabolische Azidose
Spätphase
Im Überlebensfall spricht man von der sog. Spätphase, die u.a. gekennzeichnet ist durch:
- Blutungen
- Lähmungen an den unteren Extremitäten mit pathologischen Reflexen
- Visusverlust und Katarakt
- Muskelatrophien
- Verringerung der Nervenleitgeschwindigkeit
- Niereninsuffizienz
- Leberschädigung
Postmortal lässt sich auch das sogenannte Widy-Zeichen nachweisen.
Labordiagnostik
Material
Für die Untersuchung werden 5 ml Blutserum oder 20 ml Harn benötigt. Eine Bestimmung aus 0,5 g Haaren ist ebenfalls möglich.
Referenzwerte
- Blutserum: < 0,3 µg/l
- Urin: < 0,7 µg/l
- Haare: < 0,02 µg/l
Die Referenzwerte sind methodenabhängig. Ausschlaggebend ist der vom ausführenden Labor angegebene Wert.
Interpretation
Mögliche Ursachen für erhöhte Werte sind:
- Rattengiftinkorporation
- berufliche Exposition:
- Zement-, Papier-, und Glasindustrie
- Kohlekraftwerke
- Fabrikation infrarotempfindlicher photoelektrischer Zellen
- Leuchtfarben- und pyrotechnische Industrie
- Rodentizide
- Insektizide
Eine Hintergrundbelastung tritt in der Regel nur in der Nähe von Zement- und Stahlwerken auf.
Therapie
Die Therapie der Thalliumvergiftung ist abhängig von der Menge des aufgenommen Giftes und besteht vor allem aus der Überwachung der Vitalparameter sowie der Beschleunigung der Giftelimination. Folgende Maßnahmen können u.a. eingeleitet werden:
- supportive Therapie: Überwachung und Unterstützung der Atemwege, der Atmung und des Kreislaufs.
- Magenspülung: Wird nur sehr selten innerhalb der ersten Stunde nach Gifteinnahme eingesetzt, falls Grund zur Annahme besteht, dass die Giftmenge nicht standardmäßig zu therapieren ist.
- Beschleunigung der Elimination:
- Berliner Blau in kolloidaler Form oder Kaliumhexacyanoferrat(II), auch "gelbes Blutlaugensalz" genannt, kann als Antidot verwendet werden.
- Aktivkohle kann zur Bindung des Thalliums verabreicht werden.
- Extrakorporale Elimination: Eine Hämoperfusion sollte bei schweren Fällen eingeleitet werden. Ein früher Einsatz der Maßnahme verbessert dabei das klinische Outcome.
Quellen
- Laborlexikon.de, abgerufen am 20.05.2021
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