Strukturelle Hämoglobinopathie
Definition
Strukturelle Hämoglobinopathien sind Erkrankungen auf Basis einer gestörten Funktion bzw. veränderter physikalischer und chemischer Eigenschaften des Hämoglobinmoleküls.
Ursache
Strukturelle Hämoglobinopathien entstehen durch Veränderungen der Aminosäuresequenz (Mutation)en einer Globinkette des Hämoglobinmoleküls.
Einteilung
Nach funktionellen Gesichtspunkten werden strukturelle Hämoglobinopathien in drei Gruppen eingeteilt:
Abnorme Hämoglobinpolymerisierung
Sichelzellsyndrome beruhen auf einer Mutation der β-Globinkette mit Austausch von Glutamin zu Valin an Position 6. Dieses Hämoglobin S (HbS) polymerisiert bei Desoxygenierung reversibel, sodass eine Sichelzelle entsteht. Sie verliert ihre Verformbarkeit und adhäriert am Endothel kleiner Venolen. In der Folge kommt es zu Episoden mikrovaskulärer Vasookklusion sowie zur vorzeitigen Zerstörung der Erythrozyten (hämolytische Anämie).
Klinische Manifestationen sind Ischämieschmerzen (Sichelzellkrisen) und Funktionsstörungen von Milz, ZNS, Knochen, Gelenken, Leber, Nieren, Herz und Lungen aufgrund multipler Infarkte. Bei homozygoten Mutationen entsteht eine Sichelzellanämie. Weitere Sichelzellsyndrome treten durch Vererbung von HbS von einem Elternteil und einer anderen Hämoglobinopathie vom anderen Elternteil auf, z.B. Hämoglobin C (β6Glu→Lys).
Hämoglobine mit veränderter Sauerstoffaffinität
Hochaffine Hämoglobine binden Sauerstoff mit größerer Affinität, sodass weniger Sauerstoff im Gewebe freigesetzt wird. Dadurch entsteht eine milde Gewebshypoxie, welche die Erythropoese stiumuliert und zur Polyzythämie führt. Die Patienten sind meist asymptomatisch. In extremen Fällen kann der Anstieg der Blutviskosität mit Kopfschmerzen, Somnolenz und Schwindel einhergehen (Hyperviskositätssyndrom). Ein hochaffines Hämoglobin ist beispielsweise das Hämoglobin Yakima (β99Asp→His).
Umgekehrt verlieren niedrigaffine Hämoglobine im peripheren Gewebe soviel Sauerstoff, dass eine sichtbare Zyanose auftritt. Trotzdem brauchen die Patienten meist keine spezifische Therapie. Ein Beispiel für ein niedrigaffines Hämoglobin ist Hämoglobin Kansas (β102Asn→Lys).
Hämoglobin mit vermehrter Oxidationsbereitschaft
Instabile Hämoglobine
Instabile Hämoglobine entstehen durch einen Aminosäureaustausch, der die Löslichkeit des Hämoglobins oder seine Empfindlichkeit gegenüber oxidativen Prozessen erhöht. Folge ist die Präzipitation des Hämoglobins mit Bildung von Einschlusskörperchen, welche die Zellmembran der Erythrozyten zerstören (Heinz-Körper). Die defekten Erythrozyten werden dann frühzeitig in der Milz abgebaut.
Instabile Hämoglobine kommen sporadisch vor. Häufig finden sich dabei neu auftretende Spontanmutationen. Zu den instabilen Hämoglobinen zählen beispielsweise:
- Hämoglobin Philly: β35Tyr→Phe
- Hämoglobin Genova: β28Leu→Pro
- Hämoglobin Köln: β98Val→Met
Bereits heterozygote Personen sind meist symptomatisch, insbesondere wenn das β-Globin betroffen ist. Klinische Manifestationen sind meist hämolytische Anämien unterschiedlichen Schweregrades mit entsprechenden Komplikationen (z.B. Ikterus, Gallensteine, Ulzerationen, Splenomegalie).
Hämoglobin M
M-Hämoglobine, wie zum Beispiel Hämoglobin Iwata (α87His→Tyr), entstehen durch Globinmutationen, die Eisen in oxidiertem Zustand stabilisieren. Sie führen zur Methämoglobinämie. Heterozygote Merkmalsträger zeigen zwar eine Zyanose, sind aber sonst asymptomatisch. Homozygote Träger sind meist nicht lebensfähig.
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