Stiff-Person-Syndrom
Synonyme: Stiff-Man-Syndrom, SMS, SPSD, Moersch-Woltmann-Syndrom, Stiff-Person-Spektrum-Erkrankung
Englisch: stiff man syndrome, stiff person syndrome, stiff-person-spectrum-disease
Definition
Das Stiff-Person-Syndrom, kurz SPS‚ ist eine komplexe Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die klinisch primär durch einen rumpfbetonten Rigor mit schmerzhaften Spasmen charakterisiert ist.
Epidemiologie
Die Erkrankung manifestiert sich am häufigsten zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr und betrifft Frauen zweimal häufiger als Männer.
Ätiopathogenese
Die exakte Ursache des SPS ist derzeit (2024) noch nicht vollständig geklärt. Im Rahmen einer B-Zell-vermittelten Autoimmunreaktion geht das Stiff-Person-Syndrom in circa 70 % der Fälle mit Glutamatdecarboxylase-Antikörpern einher. Es existieren zwei Subtypen, anti-GAD65 und anti-GAD67, wobei der anti-GAD65-Antikörper primär kennzeichnend für die Erkrankung ist. Seltener sind Antikörper gegen synaptische Proteine wie Amphiphysin, den Glycin-Rezeptor und das Dipeptidyl-Peptidase-like-Protein-6 (DPP6).
Das Stiff-Person-Syndrom ist mit prädisponierenden Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1, Vitiligo und Hyperthyreose assoziiert. Es kann aber auch als paraneoplastisches Syndrom auftreten. Assoziierte Neoplasien sind primär Mammakarzinom, kolorektales Karzinom, SCLC und Hodgkin-Lymphome.
Klinik
Das Stiff-Person-Syndrom ist durch ein breites Spektrum an motorischen, vegetativen, psychiatrischen, orthopädischen und endokrinologischen Symptomen gekennzeichnet.
- motorisch
- Rigidität
- Spasmen mit myoklonischem Beginn, häufig schmerzhaft
- Gangstörung mit "steifbeinigem" Gangmuster
- Paroxysmale Stürze durch Spasmen bei erhaltenem Bewusstsein
- Gesteigerte Eigenreflexe
- vegetativ
- Profuses Schwitzen
- Tachykardie
- Mydriasis
- Hypertonie
- Tachypnoe
- psychiatrisch
- Angstattacken
- Gesteigerte Schreckreaktionen auf harmlose Außenreize (z.B. Telefonklingel)
- orthopädisch
- endokrinologisch
- Diabetes mellitus Typ 1
- Immunhyperthyreose
- Autoimmunthyreoiditis
Rigidität und Spasmen treten meist symmetrisch auf, und bevorzugen die Rumpf- und rumpfnahe Muskulatur der unteren Körperhälfte. Sie nehmen aktionsinduziert zu und können durch externe Stimuli (z.B. Lärm) schnell getriggert oder verschlechtert werden.
Unterformen
Es werden verschiedene Varianten des Stiff-Person-Syndroms (SMS) unterschieden. Neben dem klassischen SPS gibt es
- ein partielles SPS – auch bekannt als Stiff-Limb-Syndrom
- das paraneoplastische SPS und
- die progressive Enzephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonus (PERM).
Die PERM ist eine sehr seltene Variante und wird auch als SPS-Plus-Variante bezeichnet, bei der zusätzlich autonome Symptome, Atembeschwerden und Hirnstammsymptome auftreten. Bei der PERM lassen sich gehäuft anti-Glycin-Antikörper nachweisen.[1]
Diagnostik
Die Diagnostik des SPS gliedert sich in eine körperliche Untersuchung, Laboruntersuchungen von Blut und Liquor sowie eine Elektromyographie (EMG). In selteneren Fällen wird eine MRT zur Differentialdiagnostik eingesetzt.
Das EMG zeigt häufig eine kontinuierliche Aktivität antagonistischer Muskelpaare. Durch eine Elektrostimulation sind generalisierte Spasmen induzierbar. Im Labor werden anti-GAD, Glycin-Rezeptor-Ak, Amphiphysin-Ak und DPPX-Ak bestimmt. Ein Nachweis von Autoantikörpern gelingt aber nur bei einem Teil der Patienten. Wichtige Pathologien des Liquors im Labor sind oligoklonale Banden und eine autochthone IgG-Synthese.
Differentialdiagnostik
Mögliche Differentialdiagnosen des Stiff-Person-Syndroms sind beispielsweise:
- Psychogene Bewegungsstörung
- Schmerz bedingte Bewegungsstörung
- Tetanus
- Intraspinale Tumore oder Durafisteln
- Multiple Sklerose
- Neuromyelitis optica
- Myelopathien
Therapie
Die Therapie kann immunsuppressiv über Immunglobuline, Methylprednisolon oder Plasmapherese erfolgen. Meist wird jedoch symptomatisch durch Muskelrelaxantien, Antikonvulsiva und Benzodiazepine therapiert. Bei neoplastischer Ursache ist eine kurative Therapie über Tumorbeseitigung möglich. Eine Therapie der Skelettdeformitäten bleibt meist ohne Nutzen.
Prognose
Die Erkrankung weist in der Regel eine langsame Symptomprogression mit Plateaubildung auf. Seltener kommt es zum schubförmigen Verlauf oder zu stetiger Progression mit Krankheitsverschlechterung.
Quellen
- StatPearls, Stiff Person Syndrome, abgerufen am 19.12.2022
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Leitlinie Stiff-Man-Syndrom, abgerufen 19.12.2022
- Orpha.net, Stiff-person-Spektrum-Erkrankungen, abgerufen am 19.12.2022
- ↑ Grech et al., Progressive encephalomyelitis with rigidity and myoclonus (PERM), BMJ Journals, 2021
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