Beinwell
Handelsname(n): Kytta Schmerzsalbe©, Traumaplant©
Synonyme: Symphytum officinale (lat.), Beinwurz, Bienenkraut, Hasenlaub, Milchwurz, Schadheilwurzel, Schmalwurz, Schwarzwurz, Wallwurz, Komfrei
Englisch: comfrey, knitbone, boneset
Definition
Beinwell ist eine krautige Arzneipflanze zur äußerlichen Behandlung muskuloskelettärer Beschwerden. Pharmazeutisch verwendet werden die Drogen Symphyti radix (Beinwellwurzel) und seltener Symphyti herba (Beinwellkraut), welches gemäß arzneibuchlichen Vorgaben (Ph. Eur.) durch den Futter-Beinwell Symphytum × uplandicum gewonnen wird.
Geschichte
Der Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "symphýein" ("zusammenwachsen"). In der alten europäischen Medizin wurde Beinwell bei Wundheilung, Frakturpflege und zur „Wallung“ von Gewebe eingesetzt. Aufgrund zunehmender Kenntnisse über die Hepatotoxizität einzelner Inhaltsstoffe verlagerte sich die Therapie konsequent auf sichere, äußerlich anzuwendende Präparate mit definierter Qualität.
Botanik
Der Beinwell gehört zu den Raublattgewächsen (Boraginaceae). Die kräftige, rau behaarte krautige Pflanze bildet eine dunkle, rübenförmige Pfahlwurzel. Die Stängelblätter sind deutlich borstig und am Stängel herabgelaufen. Die glockenförmigen, überhängenden Blüten erscheinen in Wickeln und sind meist purpur, rosa oder cremefarben. Der Lebensraum umfasst feuchte Wiesen, Gräben und Auen in Eurasien. Für pharmazeutische Zwecke werden Pyrrolizidinalkaloid-arme Kultivare und Hybride genutzt.
Inhaltsstoffe
Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind Allantoin, Schleimstoffe (vor allem Fructane), Gerbstoffe, Phenolsäuren wie Rosmarinsäure, sowie weitere Begleitstoffe wie Cholin. In geringen Mengen können außerdem 1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) vorkommen. Moderne Extrakte werden entweder aus PA-armen Sorten gewonnen oder technologisch so aufbereitet, dass sie weitgehend PA-frei sind. Ihre Wirksamkeit ergibt sich aus dem synergistischen Zusammenwirken der Komponenten.
Wirkmechanismus
Allantoin fördert die Gewebegranulation und -regeneration. Die Schleimstoffe bilden einen feuchten Schutzfilm und stabilisieren das Wundmilieu. Die Gerbstoffe wirken adstringierend und mindern die Exsudation. Rosmarinsäure zeigt antiinflammatorische Eigenschaften über die Modulation vom Entzündungsmediatoren. Insgesamt resultieren Analgesie und Abschwellung sowie eine schnellere funktionelle Erholung nach Traumata.
Pharmakokinetik
Bei intakter Haut ist die systemische Resorption der relevanten hydrophilen Komponenten gering. Für PA-reduzierte oder -freie Präparate ist die dermale PA-Exposition vernachlässigbar. Eine klinisch bedeutsame systemische Verfügbarkeit der Hauptwirkstoffe nach topischer Applikation ist nicht zu erwarten.
Indikationen
Für die Beinwellwurzel liegt eine Einstufung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel mit äußerlicher Anwendung bei Verstauchungen und leichten Prellungen durch das HMPC (Herbal Medicinal Product Committee der EMA) vor.
Die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) nennt Schmerzen und Schwellungen von Muskeln und Gelenken, Gelenkarthrose, akute Rückenschmerzen, Muskelzerrungen, Prellungen und Verstauchungen sowie Epikondylitis, Tendovaginitis und Periarthritis (langjährige Anwendung) als Indikationen.
Die deutsche Kommission E bestätigt die äußere Anwendung bei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen.
Klinisch durch Studien belegt und zugelassen sind Anwendungen bei schmerzhaften Muskel- und Gelenkbeschwerden, Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen (nach Abklingen der Akutphase) sowie zur lokalen Durchblutungsförderung.
Für das Beinwellkraut sind die äußerliche Behandlung von Prellungen und Verstauchungen (insbesondere Sport- und Unfallverletzungen) sowie von Muskel- und Gelenkschmerzen infolge stumpfer Traumen klinisch belegt.
Anwendungsformen
Symphyti radix (Beinwellwurzel)
Zur äußerlichen Anwendung wird die pulverisierte Beinwellwurzel für Aufgüsse oder als warmer Brei (Kataplasma) genutzt. Zudem werden standardisierte Fluidextrakte als Bestandteil von Salben, Cremes und Umschlagpasten verwendet.
Für einen Umschlag werden 5–10 g grob pulverisierte Beinwellwurzel mit 100 mL Wasser aufgekocht, 15 Minuten ziehen gelassen, durch ein Sieb gegeben und anschließend warm aufgelegt. Ein Brei entsteht durch Anrühren der grob gepulverten Droge mit wenig heißem Wasser zu einer streichfähigen Masse.
Symphyti herba (Beinwellkraut)
Das Kraut wird als Frischpflanzenpresssaft verwendet, der mit einem alkoholischen Auszug aus dem Pressrückstand kombiniert wird; die Zubereitung dient ausschließlich der topischen Applikation.
Nebenwirkungen
Selten treten lokale Reaktionen wie Erythem, Juckreiz oder Brennen auf. Systemische Nebenwirkungen sind bei kurzfristiger, sachgemäßer äußerlicher Anwendung PA-armer/-freier Präparate nicht zu erwarten. Bei Unverträglichkeit ist die Behandlung zu beenden.
Kontraindikationen
Nicht anwenden in Schwangerschaft und Stillzeit. Bei Säuglingen und Kleinkindern wird von der Anwendung abgeraten. PA-haltige Zubereitungen sind auf offener, ulzerierter oder stark entzündeter Haut kontraindiziert. Patientinnen und Patienten mit Lebererkrankungen sollten jede vermeidbare PA-Exposition meiden. Für PA-freie Topika sind relevante Arzneimittelinteraktionen nicht bekannt.
Toxikologie
Die toxikologisch bedeutsamen 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloide werden nach oraler Aufnahme in der Leber zu reaktiven Metaboliten aktiviert. Diese können ein sinusoidales Obstruktionssyndrom bis hin zu chronischen Leberschäden verursachen und besitzen genotoxisches Potenzial. Daher sind innerliche Anwendungen und PA-haltige Teezubereitungen abzulehnen. Topisch auf intakter Haut ist das Risiko bei PA-armen/-freien Fertigpräparaten sehr gering; großflächige oder langfristige Anwendungen ohne klare Indikation sind dennoch zu vermeiden.
Literatur
- Wiesenauer, M. (2024). PhytoPraxis (8., vollständig aktualisierte Aufl.). Springer.
- Teuscher, E., Lindequist, U., & Melzig, M. F. (2020). Biogene Arzneimittel: Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie (8., überarb. u. erw. Aufl.). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
- Schilcher, H., Kammerer, S., Wegener, T., Frank, B., & Fischer, M. (2016). Leitfaden Phytotherapie (5. Aufl.). Urban & Fischer/Elsevier
- Arzneipflanzenlexikon - Beinwell Zuletzt abgerufen am 15.09.2025
- Spektrum - Symphytum officinale Zuletzt abgerufen am 15.09.2025
- Europäische Arzneimittelagentur: Symphytum officinale. Zuletzt abgerufen am 15.09.2025
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Liste der Monographien der Kommission E (Phytotherapie), die im Bundesanzeiger veröffentlicht sind. Zuletzt abgerufen am 15.09.2025