Radium-223-dichlorid
Handelsname: Xofigo®
Englisch: radium-223 dichloride
Definition
Radium-223-dichlorid ist ein radioaktives Arzneimittel aus der Wirkstoffklasse der Radionuklide. Es wird zur Behandlung von Knochenmetastasen beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) eingesetzt.
Chemie
Radium-223-dichlorid ist ein anorganisches Salz des Radiums mit der Summenformel 223RaCl2 und hat eine molare Masse von 292,9 g/mol. Es handelt sich um ein Alphastrahler-Isotop mit einer Halbwertszeit von 11,4 Tagen. Die Substanz ist in wässriger Lösung gut löslich und liegt als klare, farblose Injektionslösung vor.
Wirkmechanismus
Radium-223 verhält sich chemisch ähnlich wie Calcium und wird daher selektiv in den Knochen eingebaut – insbesondere in Areale mit hoher Osteoblastenaktivität, wie sie bei Knochenmetastasen vorkommen.
Die Alphastrahlung führt über ihren hohen linearen Energietransfer mit etwa 80 keV/μm in den angrenzenden Zellen zu einer erhöhten Häufigkeit von DNA-Doppelstrangbrüchen und wirkt dadurch zytotoxisch. Die Reichweite von Radium-223 im Gewebe beträgt etwa 100 Mikrometer (~ zehn Zelldurchmesser), wodurch die Strahlungsschäden auf die Tumorzentren konzentriert werden.
Zusätzlich wirkt das Radionuklid modulierend auf den Knochenstoffwechsel, der genaue Mechanismus ist jedoch noch (2025) ungeklärt.
Pharmakokinetik
Der Wirkstoff ist nach intravenöser Applikation vollständig bioverfügbar und wird innerhalb von 24 Stunden aus dem Blut eliminiert (> 99 %) und in das Skelettsystem aufgenommen. In weitere Organe wie Herz, Lunge, Leber oder Nieren findet keine signifikante Aufnahme statt. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich biliär, zu einem kleinen Teil findet eine renale Elimination statt.
Indikation
Radium-223-dichlorid ist indiziert bei männlichen Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) auf. Es müssen symptomatische Knochenmetastasen vorliegen, viszerale Metastasen dürfen jedoch nicht vorhanden sein. Zudem muss der Patient einen Krankheitsprogress nach mindestens zwei vollendeten systemischen Therapien aufweisen – mit Ausnahme einer Behandlung mit GnRH-Analoga – oder ungeeignet für jede andere Therapieart sein.
Die Behandlung von Patienten mit mCRPC und asymptomatischen Knochenmetastasen wird nicht empfohlen, bei leichter Symptomatik muss eine Einzelfallentscheidung getroffen werden.
Darreichungsform
Radium-223-dichlorid ist als Injektionslösung erhältlich und wird intravenös verabreicht.
Dosis
Die empfohlene Dosis von Radium-223-dichlorid beträgt eine Aktivität von 55 kBq pro Kilogramm Körpergewicht, die 6-malig in einem Abstand von jeweils vier Wochen verabreicht wird. Bei nicht tolerierbaren Nebenwirkungen unter der Therapie muss eine Anpassung erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen von Radium-223-dichlorid sind z.B.:
- Myelosuppression mit Thrombozytopenie, Neutropenie, Leukopenie, Lymphopenie
- erhöhtes Risiko für Frakturen
- Osteoporose
- Diarrhrö
- Übelkeit, Erbrechen
Anwendungshinweise
Radium-223-dichlorid ist radioaktiv. Eine langfristige Therapie mit dem Wirkstoff kann demnach das Risiko für die Entstehung von Krebs erhöhen. Entsprechend sollten Patienten über Vorsichtsmaßnahmen aufgeklärt werden, um weitere Strahlungsquellen zu vermeiden.
Nach jedem Behandlungszyklus sollten enge Kontakte gemieden werden. Besondere Vorsicht ist beim Umgang mit Körperflüssigkeiten oder Objekten geboten, die mit diesen in Berührung gekommen sein könnten, beispielsweise Bettwäsche.
Aufgrund der möglichen Nebenwirkung einer gravierenden Myelosuppression und der Verminderung der Knochenstabilität sollten vor und während der Therapie regelmäßige Blutbildkontrollen und Untersuchungen des Knochenzustandes erfolgen, um die Therapie entsprechend anzupassen oder abzusetzen. Patienten sind über mögliche Symptome und eine sofortige Vorstellung bei einem Arzt aufzuklären. Außerdem sollten Patienten auf eine potenzielle Embryotoxizität sowie die mögliche Entstehung von temporärer bzw. permanenter Infertilität hingewiesen werden. Während und für mindestens sechs Monate nach der Therapie mit Radium-223-dichlorid sollte effektiv verhütet werden.
Wechselwirkungen
Während der Behandlung mit Radium-223-dichlorid muss eine eventuelle Einnahme von Abirateron oder Prednisolon pausiert werden, da die Studienlage auf ein erhöhtes Risiko für Frakturen und eine erhöhte Mortalität hinweist.
Eine Wechselwirkung durch Supplementierung von Calcium und Phosphat kann nicht ausgeschlossen werden, weshalb eine Einnahme einige Tage vor Beginn der Behandlung unterbrochen werden sollte.
Die zeitgleiche Verabreichung einer weiteren systemischen Tumortherapie wird derzeit in verschiedenen Studien untersucht.
Zulassung
Radium-223-dichlorid ist seit März 2013 in den USA zugelassen. Im November desselben Jahres erfolgte die Zulassung für den europäischen Markt. Seit 2018 ist der Einsatz des Medikaments durch die EMA aufgrund von Studienergebnissen restriktiver geregelt und umfasst die heute geltenden, eng gefassten Indikationen für eine Behandlung.
Nutzenbewertung
Grundlage für die Zulassung in Europa war die Phase-III-Studie ALSYMPCA. In dieser zeigte sich unter anderem ein verbessertes Gesamtüberleben und ein niedrigeres Sterberisiko bei einer Behandlung mit Radium-223-dichlorid gegenüber einem Placebo, jeweils mit BSoC (Best Standard of Care).
ATC-Code
- V10XX03
Literatur
- Bayer, Gebrauchsinformation: Information für den Patienten Xofigo 1100kBq/ml Injektionslösung (223Ra), abgerufen am 26.05.2025
- Cancer treatment reviews, Targeted alpha therapy using Radium-223, abgerufen am 26.05.2025
- EMA, EMA restricts use of prostate cancer medicine, abgerufen am 26.05.2025
- EMA, Xofigo: EPAR - Product Information, abgerufen am 26.05.2025
- Progrѐs En Urologie, Place de la médecine nucléaire au sein de la prise en charge du cancer de la prostate, abgerufen am 26.05.2025
- The Lancet Oncology, ALSYMPCA, abgerufen am 26.05.2025