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Synonyme: UAW, unerwünschte Arzneimittelwirkung, ADE
Englisch: side effect, adverse drug reaction, adverse drug effect
Als Nebenwirkungen, kurz NW, bezeichnet man weitere, in der Regel unerwünschte Wirkungen eines Medikaments bzw. einer pharmakologischen Substanz, die zusätzlich zur gewünschten Hauptwirkung auftreten.
Im Gegensatz zu einem adverse event besteht bei einer Nebenwirkung ("adverse reaction") immer der Verdacht auf einen kausalen Zusammenhang mit der Einnahme des Medikaments. Die Nebenwirkungen eines Arzneistoffs bestimmen sein Nebenwirkungsprofil und damit seine Verträglichkeit.
Nebenwirkungen lassen sich nach der Häufigkeit ihres Auftretens unterteilen in:
Kategorie | Häufigkeit |
---|---|
sehr häufig | > 10 % |
häufig | 1 - 10 % |
gelegentlich | 0,1 - 1 % |
selten | 0,01 - 0,1 % |
sehr selten | < 0,01 % |
nicht bekannt | nicht abschätzbar |
Die Häufigkeit von Nebenwirkungen ist unter anderem vom pharmakologischen Profil einer Substanz und von ihrer Dosierung abhängig.
Die klassische Einteilung nach Rawlins und Thompson (1977) umfasst zwei Typen von Nebenwirkungen:
Typ-A-Nebenwirkungen (A für "augmented") sind dosisabhängig und reproduzierbar. Eine höhere Dosis führt zu stärkeren Nebenwirkungen. Typ-A-Nebenwirkungen sind der häufigste Nebenwirkungstyp. Beispiele sind gastrointestinale Nebenwirkungen von NSAID, anticholinerge Effekte unter trizyklischen Antidepressiva, die Digitalisintoxikation und das Serotonin-Syndrom unter SSRI. Diese Nebenwirkungen können durch Dosisreduktion abgemildert werden.
Typ-B-Nebenwirkungen (B für "bizarre") sind dosisunabhängig, können also bereits durch geringe Dosierungen ausgelöst werden. Sie treten in der Regel unerwartet auf, sind selten und nicht reproduzierbar. Beispiele sind die Penicillin-Hypersensitivität, die maligne Hyperthermie, das DRESS-Syndrom, das Stevens-Johnson-Syndrom oder die Abacavir-Hypersensitivität. Typ-B-Nebenwirkungen lassen sich nur durch das Absetzen und Vermeiden des Medikaments abstellen.
Nach klinischen und ätiologischen Gesichtspunkten definierten Edwards und Aronson (2000) weitere vier Typen von Nebenwirkungen:[1]
Das Spektrum möglicher Nebenwirkungen von Medikamenten reicht von relativ harmlosen Begleiterscheinungen (z.B. Kopfschmerzen, Müdigkeit, Exanthem) bis hin zu Wirkungen, deren Schaden den Nutzeffekt des Medikamentes übersteigt. Ein Extremfall trat im Fall des Schlafmittels Contergan auf, das Missbildungen bei Embryos auslöste (und deshalb vom Markt genommen werden musste).
Vor allem bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite kann die Einordnung von Symptomen als Nebenwirkungen oder als Zeichen einer durch Überdosierung bedingten Arzneimittelintoxikation schwierig sein. Im Zweifelsfall sollte - wenn möglich - der Plasmaspiegel des Wirkstoffs bestimmt werden.
Die Erfassung von Nebenwirkungen ist Teil der Pharmakovigilanz. In Deutschland existiert ein Spontanmeldesystem: Angehörige der Heilberufe (z.B. Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Krankenpflegepersonal, Hebammen) sowie andere im Gesundheitswesen tätige Personen aber auch Patienten können Verdachtsfälle unter Verwendung der entsprechenden Formulare an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn (BfArM) melden. Darüber hinaus gibt es Systeme von kommerziellen Drittanbietern (z.B. nebenwirkungen.de), die eine Online-Meldung ermöglichen.
Ärzte sind nach § 6 der Musterberufsordnung (MBO) verpflichtet, alle UAW zu melden. Faktisch wird dieser Verpflichtung allerdings selten nachgekommen.
Spontane Meldungen haben zwar einen geringeren Evidenzgrad als klinische Studien, jedoch kann die systematische Auswertung der gemeldeten Verdachtsfälle einen Hinweis auf eine kausale Beziehung zwischen einem Arzneimittel und einer UAW geben, die zuvor nicht oder unzureichend bekannt war.
Nationale Pharmakovigilanzzentren sollen in Deutschland das Spontanmeldesystem ergänzen. Sie erfassen und bewerten UAW gezielt bei einzelnen schweren Krankheiten oder spezifischen Patientengruppen (z.B. Schwangeren, Stillenden).
Die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und die nationale Umsetzung in Form des deutschen Arzneimittelgesetzes (AMG) verpflichten Pharmaunternehmen zur Dokumentation und Meldung aller Verdachtsfälle von UAW.
Die Meldung von ungewöhnlichen Impfkomplikationen werden gesondert durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt. Hier gilt eine gesetzliche Meldepflicht für Ärzte, Heilpraktiker und andere medizinische Berufe.
Tags: Medikament
Fachgebiete: Arzneimittel, Pharmakologie
Diese Seite wurde zuletzt am 20. Mai 2022 um 14:21 Uhr bearbeitet.
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