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Myokardszintigraphie

(Weitergeleitet von Myokardperfusionsszintigraphie)

Synonyme: Myokardszintigrafie, Myokardperfusionsszintigraphie
Englisch: myocardial scintigraphy, myocardial perfusion imaging

1. Definition

Die Myokardszintigraphie, kurz MSZ, ist ein nuklearmedizinisches Untersuchungsverfahren, das zur bildlichen Darstellung der Durchblutung und Vitalität des Myokards verwendet wird.

2. Untersuchungsprinzip

Zur Durchführung einer Myokardszintigraphie wird dem Patienten ein Radiopharmakon intravenös appliziert. Dieses wird perfusionsabhängig von den Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) aufgenommen. Nach der Anreicherung des Radiopharmakons im Herzen erfolgt die Aufnahme mit einer Gammakamera.

3. Indikationen

3.1. Koronare Herzkrankheit

Eine Myokardszintigraphie wird vor allem bei Verdacht auf eine KHK durchgeführt. Hierbei sollte die geschätzte Prätestwahrscheinlichkeit zwischen 15 bis 85 % liegen – gestützt auf die vorliegenden kardiovaskulären Risikofaktoren und die Symptomatik.

Die Untersuchung kann bei bekannter KHK auch zum Einsatz kommen, um einen möglichen Progress zu erfassen. Ziel ist es dann, den Umfang einer eventuellen Myokardischämie zu bewerten. Zur Beurteilung muss man den bisherigen Krankheitsverlauf und die aktuelle Symptomatik heranziehen.

Die MSZ erfolgt bei beiden Indikationen unter ergometrischer Belastung (meist Fahrradergometrie), ggf. ergänzt durch eine Untersuchung in Ruhe.

3.2. Vitalitätsdiagnostik

Eine weitere Indikation ist die sogenannte Vitalitätsdiagnostik, die ausschließlich in Ruhe und in erster Linie vor einer Revaskularisationstherapie (z.B. Bypass oder Stenting) angewendet wird. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob vitales Myokard vorliegt und der Patient von dem geplanten Eingriff profitiert. Gegebenenfalls ist eine FDG-PET als weiterführende Diagnostik notwendig.

4. Ablauf

4.1. Durchführung

Die Myokardszintigraphie kann sowohl unter Belastung (ergometrische oder pharmakologische Belastung) als auch in Ruhe durchgeführt werden. Bei der Fragestellung nach flussrelevanten Stenosen (z.B. Indikationsprüfung vor Koronarangiographie) sollen durch die Belastung relative Perfusionsdefizite provoziert werden. Bei der pharmakologischen Belastungen finden Adenosin, Regandenoson oder mit zweiter Präferenz Dobutamin Anwendung.

4.2. Patientenvorbereitung

Der Patient bleibt am Untersuchungstag möglichst vier Stunden vor der Untersuchung nüchtern, Wasser kann getrunken werden.

Folgende Medikamente werden, soweit klinisch möglich, prädiagnostisch pausiert: NO-Donatoren, Calciumantagonisten und Betablocker.

Zudem sollte der Patient für den Fall einer pharmakologischen Belastung antagonisierende Substanzen aussetzen, wie beispielsweise:

Eine Untersuchung in Ruhe erfordert keine Einschränkung dieser Nahrungsmittel. Die Nüchternzeit ist dennoch zu beachten.

Wird die Myokardszintigraphie zur Vitalitätsdiagnostik eingesetzt, optimiert man den koronaren Blutfluss vor der Untersuchung. Die Dauermedikation ist nicht zu unterbrechen. Ggf. kann man NO-Donatoren verabreichen.

4.3. Protokolle

Grundsätzlich erfolgt erst eine Belastungsuntersuchung, bei Auffälligkeiten wird diese durch eine Ruheuntersuchung ergänzt, um die Perfusionsdefizite weiter zu differenzieren. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Vorgehensweisen:

  • Eintagesprokoll: Die beiden Untersuchungen werden an einem Tag durchgeführt. Dabei muss die Aktivität in der zweiten Ruheuntersuchung erhöht werden, um die vorige Belastungsuntersuchung zu "überspritzen" und so unsichtbar zu machen. Es wird etwa die dreifache Menge der ersten Aktivität injiziert.
  • Zweitagesprotokoll: Die beiden Untersuchungen werden an zwei unterschiedlichen Tagen durchgeführt.

5. Tracer

Im deutschsprachigen Raum werden als Tracer zwei 99mTechnetium-Perfusions-Radiopharmaka angewendet: Tc-99m-MIBI und Tc-99m-Tetrofosmin. Beide sind gleichwertig und weisen lediglich in der Anwendung Unterschiede auf.

Die Standardaktivität von 99mTechnetium-Perfusions-Radiopharmaka liegt im

  • Eintagesprotokoll bei bis zu 1.000 MBq mit einer effektiven Strahlendosis bis zu 8,8 mSv
  • Zweitagesprotokoll bei 150 bis 400 MBq pro Studie mit einer effektiven Strahlendosis von etwa 1,2 bis 3,2 mSv

201Thallium findet trotz seiner besseren pharmakologischen Eigenschaften keine regelhafte Anwendung mehr, da die Strahlenbelastung gegenüber den 99mTc-Perfusions-Radiopharmaka erhöht ist. Die Standardaktivität einer Belastungsstudie beträgt 75 MBq, die effektive Stahlendosis liegt bei 10,5 mSv.

6. Bildaufnahme

Bei den 99mTechnetium-Perfusions-Radiopharmaka erfolgt die Bildaufnahme in der Regel 15 bis 60 Minuten nach der Applikation des Tracers.

Durch Aufnahmen in SPECT-Technik kann man das Myokard dreidimensional beurteilen. Ischämien können dann den Versorgungsbezirken einzelner Koronararterien bzw. ihrer Äste zugeordnet werden. Zusätzlich erfolgt eine EKG-Triggerung ("gated-SPECT"), sodass auch eine dynamische Bildanalyse möglich ist. Auf diese Weise sind enddiastolisches Volumen (EDV), endsystolisches Volumen (ESV), Ejektionsfraktion (EF), systolische Wandverdickungen und Wandbewegungen beurteilbar.

7. Interpretation

7.1. Gleichmäßige Tracer-Aufnahme

Normal durchblutetes Myokard zeigt unter Belastung und im Ruhezustand eine gleichmäßige Aufnahme des Radiopharmakons. Ist die Belastungsstudie unauffällig, kann eine KHK mit flussrelevanten Stenosen in der Regel bereits ausgeschlossen werden. Auf eine Ruheaufnahme kann dann verzichtet werden.

7.2. Speicherdefekte

Bereiche des Myokards, die in ihrer Durchblutung eingeschränkt sind, weisen hingegen Speicherdefekte des Radionuklids auf. Durch die zeitlich gestaffelten Aufnahmen kann man ggf. die Ursache der Speicherdefekte differenzieren.

Werden sowohl in der Belastungs- als auch in der Ruheaufnahme kongruente Speicherdefekte nachgewiesen ("irreversible Ischämie"), ist dies ein Hinweis auf eine Myokardnarbe, beispielsweise aufgrund eines älteren Herzinfarkts. Ein differenzialdiagnostischer Sonderfall wäre eine myokardiale Hibernation, die nur mittels einer FDG-PET von einer Narbe unterschieden werden kann.

Speicherdefekte, die in der Belastungsaufname, aber nicht in der Ruheaufnahme auftreten ("reversible Ischämie"), weisen hingegen auf eine passagere Ischämie im Sinne einer Angina pectoris hin. Im klinischen Sprachgebrauch wird, wenn auch pathogenetisch nicht ganz korrekt, hier lediglich von einer "Ischämie" gesprochen.

Ein Sonderfall sind Speicherdefekte in der Ruheaufnahme bei physiologischer Traceraufnahme in der Belastungsaufnahme. In diesem Fall spricht man von einem "paradoxen" Perfusionsmuster. Es kann ein Hinweis auf eine subendokardiale Ischämie bzw. ein belastungsabhängiges Steal-Phänomen bei kollateralisierter Stenose eines Koronargefäßes oder eines seiner Äste sein.

7.3. Semiquantitative Bewertung der Perfusion

Um die Ausdehnung der Perfusionsdefizite zu beschrieben, erfolgt immer auch eine semiquantitative Analyse. Die Speicherdefizite werden dabei einem 5-Punkte-Score zugeordnet, von 0 = kein Speicherdefizit bis 4 = abwesendes Myokard.

Addiert man für die einzelnen Untersuchungen die Scores auf, so erhält man den sogenannten "Summed Stress Score" (SSS), "Summed Rest Score" (SRS) und "Summed Difference Score" (SDS). Insbesondere der SDS hat einen prognostischen Charakter. Er entspricht dem Maß der reversiblen Perfusionsstörungen.

SDS Interpretation
< 3 % normal
3 bis 9 % milde bis mäßige KHK (Konservatives Vorgehen zu bevorzugen)
> 9 % schwere KHK (Koronarangiographie in Interventionsbereitschaft angezeigt)

7.4. EKG-Triggerung

Bei einer EKG-Triggerung ist eine dynamische Bildanalyse möglich. Die Ejektionsfraktion hat methodenbedingt andere Normwerte als üblich: unter 40 % gilt als pathologisch und über 50 % ist immer physiologisch. Dazwischen besteht ein Graubereich. Eine Abnahme der EF um mehr als 5 % unter Belastung gilt als Hinweis auf ein ischämisches myokardiales Stunning und damit eine Mehrgefäß-KHK.

Eine Verminderung der systolischen Wandverdickung sowie der Wandbewegung gelten als Ausdruck einer myokardialen Ischämie und können bei unklaren Befunden herangezogen werden.

7.5. TID-Index

Ähnliches gilt für eine transitorische ischämische Dilatation (TID), bei welcher der Ventrikel unter Belastung dilatiert. Der TID-Index berechnet sich nach dem enddiastolischen und endsystolischen Volumen unter Belastung und in Ruhe als

  • TID-Index = (EDVStress + ESVStress)/(EDVRuhe + ESVRuhe)

Der TID-Index gilt ab einem Wert von 1,12 als pathologisch und weist auf eine Mehrgefäß-KHK bzw. subendotheliale Ischämie hin.

7.6. "Falsch positive" Myokardszintigraphie

In der klinischen Diagnostik gibt es pathologische Myokard-SPECT-Ergebnisse, ohne dass sich ein Korrelat in der Koronarangiographie findet. Kann ein technisches Artefakt ausgeschlossen werden, sollten diese Ergebnisse nicht als "falsch positiv" eingestuft, sondern im Kontext des klinischen Befundes bewertet werden. Denn in mehreren Studien zeigte sich, dass es sich hierbei um Hinweise auf eine mikrovaskuläre Erkrankung oder eine endotheliale Dysfunktion handeln kann. Sie gehen mit einer schlechteren Prognose als ein Normalbefund einher.

8. Leitlinie

9. Literatur

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