Mycoplasma-Infektion (Geflügel)
Synonym: Mykoplasmose
Definition
Mycoplasma-Infektionen bilden eine Gruppe bakterieller Infektionskrankheiten beim Geflügel, die durch verschiedene Mycoplasma-Arten verursacht werden. Aufgrund der Kontagiosität und der hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrate haben sie eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Erreger
Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien der Familie Mycoplasmataceae innerhalb der Klasse Mollicutes. Aufgrund der fehlenden Zellwand erscheinen die Bakterien pleomorph und sind für viele Antibiotika (z.B. Penicilline) unempfindlich. Sie weisen eine geringe Zell- und Genomgröße auf (zwischen 600 und 1.350 kb), weshalb sie nur eine beschränkte Stoffwechselkapazität besitzen und daher auf eine parasitäre oder kommensale Lebensweise angewiesen sind.
Eine Anzüchtung ist nur in komplexen Nährmedien und unter besonderen Bedingungen möglich.
Mycoplasma-Art | Pathogenität | Vogelart |
---|---|---|
Mycoplasma anatis | sekundär | Ente |
Mycoplasma anseris | sekundär | Gans |
Mycoplasma columbinasale | sekundär | Taube |
Mycoplasma columbinum | sekundär | Taube |
Mycoplasma columborale | sekundär | Taube |
Mycoplasma gallinarum | sekundär | Huhn |
Mycoplasma gallisepticum | primär | Huhn, Pute, Wachtel, Fasan, Perlhuhn, Finkenvögel |
Mycoplasma gallinaceum | sekundär | Huhn |
Mycoplasma gallopavonia | sekundär | Pute |
Mycoplasma glycophilum | sekundär | Huhn |
Mycoplasma imitans | sekundär | Ente, Gans, Rebhuhn |
Mycoplasma iners | sekundär | Huhn |
Mycoplasma iowae | primär | Pute, Huhn (?) |
Mycoplasma lipofaciens | sekundär | Huhn |
Mycoplasma meleagridis | primär | Pute, Greifvögel (?) |
Mycoplasma pullorum | sekundär | Huhn |
Mycoplasma synoviae | primär | Huhn, Pute, Perlhuhn |
Mycoplasma sturni | sekundär | Star |
Von den angeführten Mycoplasma-Arten haben Mycoplasma gallisepticum und Mycoplasma synoviae von den primär pathogenen Arten die größte Bedeutung. Alle anderen Arten sind nach bisherigem Erkenntnisstand (2021) sekundär pathogen oder sind als Kommensalen anzutreffen.
Epidemiologie
Mykoplasmen spielen bei Nutzgeflügeln eine große Rolle, da sie zu zahlreichen Erkrankungen mit großen wirtschaftlichen Schäden führen. Sie können viele Vogelarten befallen, v.a. aber Hühner, Puten, Enten, Gänse und Tauben. Zusätzlich kommen die Erreger bei Wachteln, Fasanen, Perlhühnern, Finkenvögeln, Rebhühnern und verschiedenen Greifvögeln vor.
Pathogenese
Die Übertragung von Mykoplasmen erfolgt in der Regel vertikal über Bruteier, wobei auch (artspezifisch) horizontale Infektionen möglich sind.
Der weitere Pathomechanismus hängt maßgeblich von der betreffenden Mycoplasma-Art ab. Die Bakterien zeigen einen unterschiedlichen Tropismus für verschiedene Zielzellen, in denen sie teils schwerwiegende Schäden verursachen. Neben dem Respirationstrakt befallen sie auch den Genitaltrakt, die Gelenke, das ZNS und das Herz. Es kommt zur Ausbildung unterschiedlicher organspezifischer Symptome, zu einer erhöhten embryonalen Mortalität und zu Störungen des Wachstums und der Befiederung sowie Achondroplasien.
Häufig treten auch Mischinfektionen auf, die dann das Krankheitsbild deutlich verkomplizieren und zu einer höheren Morbiditäts- sowie Mortalitätsrate führen.
Krankheiten
Zu den bedeutsamsten Mycoplasma-Infektionen beim Geflügel gehören:
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind folgende Erkrankungen auszuschließen:
Diagnose
Da die Anzüchtung der Mykoplasmen relativ hohe Ansprüche stellt, erfolgt der direkte Erregernachweis (häufig aus Trachealtupfern) durch eine PCR sowie über kombinierte PCR-DNA-Sondentechniken. Serologische Untersuchungen hingegen werden mit Agglutinationsmethoden (HAH) und ELISA durchgeführt.
Therapie
Erkrankte Geflügelbestände werden mit Tetrazyklinen, Enrofloxacin, Tylosin, Tiamulin oder Erythromycin behandelt. Eine vollständige Erregertilgung ist jedoch nicht möglich. Infizierte Bestände sind daher gezielt serologisch und kulturell zu überwachen.
Durch die Behandlung der Bruteier kann eine vertikale Erregerübertragung verhindert werden.
Prophylaxe
Die Geflügel-Mykoplasmose kann am effektivsten durch den Aufbau erregerfreie Zuchtbestände bekämpft werden. Hierfür stehen für die unterschiedlichen Mycoplasma-Arten verschiedene Impfstoffe zur Verfügung (z.B. Lebendimpfstoff für Mycoplasma gallisepticum ab der 4. Lebenswoche).
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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