Ornithobakteriose (Geflügel)
Synonym: Ornithobacterium-Infektion
Definition
Als Ornithobakteriose bezeichnet man eine wirtschaftlich bedeutsame und hochkontagiöse Infektionskrankheit bei Puten und Masthühnern, die sich v.a. durch exsudativ-entzündliche Prozesse des oberen und unteren Respirationstrakts manifestiert.
Ätiologie
Ornithobacterium rhinotracheale (ORT) ist ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das 0,2-0,9 x 1,0-3,0 µm groß ist und zur Familie der Flavobacteriaceae gehört. Aufgrund des pleomorphen Aussehens erscheinen die Bakterien in der Gramfärbung als bakterielle Mischkultur.
Der Erreger wächst auf Blutagar mit 5 bis 10 % Schafblutzusatz bei 37 °C innerhalb von 24 bis 48 Stunden als kleine, nicht-hämolytische, grau-weißlich pigmentierte Kolonien. Im Gegensatz dazu findet auf MacConkey-Agar, Gassner-Agar oder Drigalski-Agar kein Wachstumm statt. Serologisch können bisher (2021) 18 verschiedene Serotypen (A bis R) identifiziert werden. Weltweit kommt am häufigsten der Serotyp A vor. Innerhalb eines Serotyps können auch unterschiedlich virulente Stämme beschrieben werden, wobei genauere Untersuchungen noch ausstehen.
Epidemiologie
Die Ornithobakteriose wurde erstmals in den 1980er Jahren bei Masthühnern und später auch bei Puten als respiratorische Erkrankung beschrieben. Ornithobacterium rhinotracheale ist für verschiedene Nutzgefügel primär pathogen und weltweit verbreitet. Er gilt als einer der wichtigsten bakteriellen Krankheitserreger der Atmungsorgane bei Puten und Hühnern.
Grundsätzlich erkranken Hühnervögel jeden Alters, wobei insbesondere ältere Tiere empfänglich sind und auch schwerer erkranken.
Pathogenese
Die Übertragung erfolgt von Tier zu Tier durch direkten Kontakt oder auch indirekt über lebende sowie unbelebte Vektoren. Erkrankte sowie infizierte Tiere verbreiten die exspirierten Erreger auch aerogen an Schwebstoffe gebunden in ihrer Umgebung. Eine vertikale Übertragung (über Bruteier) wird vermutet, spielt aber eine untergeordnete Rolle.
Nach der Infektion bindet Ornithobacterium rhinotracheale an das zilientragende Epithel des oberen Respirationstrakts. Häufig bleiben die exsudativ-entzündlichen Prozesse weitgehend auf diesen Abschnitt beschränkt. Bei schweren Krankheitsverläufen hingegen kommt es zu einer Verbreitung in die Lunge, Luftsäcke, Herz, Gelenke sowie andere Organe. Durch Mischinfektionen mit unterschiedlichen viralen sowie bakteriellen Erregern wird der Krankheitsverlauf deutlich verkompliziert.
Viren | Bakterien |
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Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass ungünstige mikroklimatische Situationen, haltungsbedingte Mängel sowie andere belastende Faktoren die Krankheitsentstehung begünstigen.
Klinik
Die Inkubationszeit liegt zwischen 2 und 5 Tagen.
Abhängig von der Virulenz des Erregerstamms, der Anzahl der aufgenommenen Bakterien und den zusätzlichen belastenden Faktoren leiden erkrankte Vögel an Nasen- und Augenausfluss, röchelnden Atemgeräuschen, Kurzatmigkeit, Apathie und deutlich erhöhtem Wärmebedürfnis. Bei Puten in der Endmastphase kommt es häufig zu Todesfällen. Zusätzlich lässt sich eine deutlich herabgesetzte Legeleistung, eine reduzierte Eigröße und eine stark beeinträchtigte Eierschalenqualität beobachtet.
Pathohistologie
Klinisch apparente Ornithobakteriosen verursachen seröse Entzündungen der Schleimhäute des gesamten Respirationstrakts. Erkrankte Tiere entwickeln häufig auch eine unilaterale Bronchopneumonie. Die Luftsäcke sind von einer adhäsiven fibrinösen Aerosacculitis und Serositis mit hirsekorn- bis erbsengroßen weißlich-gelblichen Belägen auf der Serosa betroffen. In seltenen Fällen kommt es auch zu einer Osteomyelitis, Arthritis und/oder Enzephalomyelitis.
Im histologischen Schnittbild erscheinen die Luftsäcke ödematös geschwollen. Sie weisen - ähnlich den restlichen Atmungsorganen - heterophile Granulozyten, Makrophagen und Fibrin auf. Die Kapillaren sind deutlich erweitert und mit Fibrin angefüllt.
Diagnose
Aufgrund der teils unspezifischen Symptome und der umfangreichen pathohistologischen Veränderungen kann nur selten eine Verdachtsdiagnose ausgesprochen werden. Die Diagnose kann nur mittels Erregernachweis gesichert werden. Hierfür werden Tupferproben oder ganze Organe erkrankter sowie aus diagnostischen Gründen getöteter Tiere verwendet.
Bei der kulturellen Anzucht ist jedoch zu beachten, dass verschiedene Bakterien (z.B. Escherichia coli, Proteus spp., Pseudomonaden u.ä.) die Kultur überwachsen können. Aus diesem Grund ist ein Zusatz von Gentamicin und Polymyxin B sinnvoll, um ein selektives Wachstum von Ornithobacterium rhinotracheale zu fördern. Alternativ kann auch ein MALDI-TOF oder eine PCR durchgeführt werden. Serologische Nachweismethoden hingegen (Agargelpräzipitationstest und ELISA) stellen im Vergleich zur PCR eine untergeordnete Rolle in der Diagnostik dar.
Therapie
Die Ornithobakteriose kann durch eine gezielte antibiotische Therapie behandelt werden. Aufgrund der ausgeprägten Resistenzlage ist vorab unbedingt ein Antibiogramm anzufertigen.
Prophylaxe
Die Bekämpfung erfolgt durch Impfmaßnahmen. Am Markt sind (zulassungsabhängig) unterschiedliche Vakzine verfügbar (u.a. Lebendimpfstoffe, Inaktivatimpfstoffe oder autogene Impfstoffe).
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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