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Tiamulin

Synonyme: TAM, TIA, Thiamutilin, Thiamutin
Englisch: tiamulin

1. Definition

Tiamulin ist ein halbsynthetisches Derivat des natürlich vorkommenden Antibiotikums Pleuromutilin, das vorwiegend in der Veterinärmedizin zum Einsatz kommt.

2. Biochemie

Tiamulin besteht aus einem trizyklischen Kern, der sich aus einem Cyclo-Pentanon, einem Cyclo-Hexyl und einem Cyclo-Octan sowie einer (((2-(Diethylamino)Ethyl)Thio)-Essigsäure)-Seitenkette am C14 des Octan-Rings zusammensetzt. Für die antibiotische Wirkung scheinen v.a. die Carbonylgruppe des 5-gliedrigen Rings und die Hydroxylgruppe an C11 von Bedeutung zu sein. Der am TIA-Molekül befindliche Stickstoff sorgt für die Wasserlöslichkeit und verbessert so die Gewebepenetration.

Das Molekülgewicht beträgt 493,75 g/mol und die Summenformel lautet C28H47NO4S.

3. Eigenschaften

Tiamulin ist, zusammen mit dem strukturell eng verwandten Valnemulin, das einzige auf dem veterinärmedizinschen Markt zugelassene Pleuromutilin. Es wirkt vorwiegend bakteriostatisch, wobei es in hohen Konzentrationen gegen empfindliche Organismen auch eine bakterizide Wirkung aufweist.

4. Pharmakodynamik

Pleuromutilin-Derivate interagieren mit der 50S-Ribosomenuntereinheit der Bakterien. Es wird vermutet, dass der Arzneistoff in der Peptidyltransferase-Tasche mit der rRNA der Ribosomen interagiert. Auf diese Weise wird das richtige Positionieren des CCA-Endes der tRNA für die Peptidübertragung verhindert. Durch die Hemmung der Proteinsynthese kommt es folglich zu einer Störung des Bakterienwachstums, worauf letztendlich die bakteriostatische Wirkung beruht.

5. Pharmakokinetik

Tiamulin weist eine hohe orale Bioverfügbarkeit auf (bis zu 90 %). Der Wirkstoff verteilt sich gut im Gewebe und erreicht dort Konzentrationen, welche die Serumkonzentrationen um ein Vielfaches übersteigen. Die höchste Gewebekonzentration kann in der Lunge nachgewiesen werden.

Der Arzneistoff wird zu 70 bis 85 % in der Leber metabolisiert. Dabei entstehen über 20 Metaboliten, von denen einige eine antibiotische Wirkung aufweisen. Etwa 30 % aller Metaboliten werden letztendlich über den Harn ausgeschieden. Der Rest gelangt über die Galle und dann mit dem Kot in die Umwelt.

6. Indikation

Tiamulin wird vorrangig bei Dysenterien, Pneumonien unterschiedlicher Genese, Mykoplasmen-Infektionen sowie Sinusitis angewendet. Der Wirkstoff wird vor allem bei Schweinen und Geflügeln verwendet, kann aber auch bei Hunden, Rindern und Schafen zum Einsatz kommen.

Minimale Hemmkonzentration (MHK)
Bakterien-Spezies MHK (µg/ml)
Actinobacillus pleuropneumoniae 0,625 bis 0,8
Brachyspira hyodysenteriae 0,03 bis 0,5
Clostridium perfringens 0,4 bis 0,625
Escherichia coli 0,78 bis <50
Mycoplasma gallisepticum <0,05 bis 0,78
Mycoplasma hyorhinis 0,08 bis 0,1
Mycoplasma meleagridis 0,25
Pasteurella multocida 12,5
Staphylococcus aureus  0,25 bis >128
Trueperella pyogenes 0,024

7. Dosierung

Tiamulin ist in Form von Tiamulinhydrogenfumarat in verschiedenen Präparaten zur oralen Anwendung erhältlich. Tiere, die ein deutlich gestörtes Allgemeinbefinden zeigen, sollten unbedingt parenteral behandelt werden.

Tierart  Applikationsart  Dosis
Schwein  oral
  • 8 bis 23 mg/kgKG SID
  • 4 bis 25 mg/kgKG über Trinkwasser
 intramuskulär
  • 10 bis 15 mg/kgKG SID
Huhn  oral
  • 40 mg/kgKG über Trinkwasser/Futter (Masthuhn)
  • 100 g/180 L Trinkwasser (Huhn)
  • 250 mg/L Trinkwasser (Taube)

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

8. Nebenwirkungen

Bei intramuskulären Injektionen können lokale Irritationen in Form von Schmerzen und Schwellung beobachtet werden. In seltenen Fällen kommt es auch zu Erythemen, deren Pathogenese noch (2021) nicht vollständig geklärt ist.

9. Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Anwendung von Ionophoren (z.B. Monensin, Salinomycin und Narasin) und Pleuromutilinen kann zu schwerwiegenden Wechselwirkungen führen, wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche, Paraplegien und Tod.

10. Kontraindikationen

Tiamulin darf nicht intravenös an Kälber verabreicht werden, da es zu schweren neurologischen und toxischen Nebenwirkungen und Tod kommt. Zusätzlich ist eine Anwendung bei Pferden kontraindiziert, da Pleuromutiline schwere Störungen der mikrobiellen Darmflora mit konsekutiver Enterocolitis verursachen.

Ein Einsatz bei Legehennen ist nicht erlaubt, insofern die Eier zum menschlichen Verzehr vorgesehen sind.

11. Wartezeiten

Aufgrund der guten Gewebegängigkeit sind nach dem Einsatz von Tiamulin verschiedene Wartezeiten vorgeschrieben, die zwingend eingehalten werden müssen.

Tierart  Grund  Dauer
Schwein  essbare Gewebe  6 bis 14 Tage
Huhn  essbare Gewebe  1 Tag
Pute  essbare Gewebe  4 Tage

Hinweis: Diese Wartezeitangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die vorgeschriebene Wartezeit in der Herstellerinformation.

12. Quelle

  • CliniPHarm CliniTox. Tiamulin CliniPharm Wirkstoffdaten (abgerufen am 22.08.2021)

13. Literatur

  • Frey HH, Löscher W (Begr.). Löscher W, Richter A (Hrsg.). 2016. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219581-3

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21.03.2024, 09:02
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