Milzbrand (Wiederkäuer)
Synonym: Anthrax
Englisch: anthrax
Definition
Milzbrand, auch bekannt als Anthrax, ist eine Infektionskrankheit beim Wiederkäuer, die durch das Bakterium Bacillus anthracis verursacht wird.
Epidemiologie
Milzbrand ist schon seit weit über 100 Jahren bekannt und nimmt als Zoonose und Tierseuche einen besonderen Platz in der Medizingeschichte ein. Dank dem Wissen über das Infektionsgeschehen sowie dem Einsatz wirksamer Medikamente konnte die Erkrankung stark zurückgedrängt werden. Dennoch gibt es Regionen, in denen diese Erreger durchaus noch eine nennenswerte Bedeutung haben.
Die höchste Empfindlichkeit gegenüber Bacillus anthracis weisen Wiederkäuer auf, gefolgt von Pferden und Kamelen. Neben den genannten Tieren sind auch einige Wildtiere wie Elefanten hoch empfänglich. Im Gegensatz dazu erkranken Hunde und Katzen deutlich seltener, ähnlich wie Schweine.
Ätiologie
Erreger des Milzbrandes ist Bacillus anthracis, ein der Gattung Bacillus zugehöriges Bakterium. Es ist unbeweglich, stäbchenförmig, etwa 1 bis 1,5 x 4 bis 8,0 µm groß und einzeln oder in Ketten von nur wenigen Zellen gelagert.
In infizierten Organismen bilden die Bakterien Kapseln aus, weshalb sie sich im Ausstrichpräparat charakteristisch rechteckig zeigen (sog. Bambusform). Die Anzüchtung ist auf einfachen Nährmedien möglich, wobei sich relativ große, raue, trockene und grauß-weiße Kolonien mit lockenartigen Ausläufern (sog. Medusenhaupt) bilden. Eine Hämolyse kann nicht nachgewiesen werden.
Die Virulenz der Erreger wird von mehreren Faktoren geprägt: Neben der Fähigkeit, sich in Blut und Geweben zu vermehren, sind sie auch dazu in der Lage eine Kapsel zu bilden. Dadurch haben sie eine besondere Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Immunsystem. Die Bakterien bilden zusätzlich ein Toxin aus 3 Komponenten, welche als Faktor I (edema factor), II (protective antigen) und III (lethal factor) bezeichnet werden.
Pathogenese
Infektionen finden vorwiegend auf oralem Wege statt, sind jedoch auch aerogen oder über die Haut möglich. Da sich die Sporen über Jahre hinweg im Erdreich aufhalten können, fungieren v.a. Exkremente, Sekrete und vergrabene Kadaver erkrankter Tiere als Infektionsquellen.
Abhängig von der Art der Infektion, der Dosis der aufgenommenen Sporen sowie der Virulenz und dem Immunstatus des infizierten Tieres, entwickelt sich entweder eine lokale oder systemische Erkrankung. Generalisierte Krankheitsverläufe können sowohl aus der lokalen Form hervorgehen oder sich eigenständig nach einer oralen bzw. aerogenen Infektion bilden.
Klinik
Beim Milzbrand dominieren v.a. perakute und akute septikämische Verläufe. Aufgrund der Virulenz kommt es rasch zu Gerinnungsstörungen, die dazu führen, dass große Mengen dunkel gefärbtes Blut aus sämtlichen Körperöffnungen austritt. Aufgrund dessen verenden erkrankte Tiere binnen kürzester Zeit.
In akuten Fällen entwickeln die Tiere hohes Fieber (40 bis 42,5 °C) unter Begleitung eines stark beeinträchtigten Allgemeinbefindens.
Pathologie
Das Sektionsbild eines septikämischen Krankheitsverlaufs wird von Blutungen in den Organen, Infiltrationen in der Unterhaut sowie des subserösen und submukösen Gewebes beherrscht. Zusätzlich entwickelt sich ein hyperämischer Milztumor, der letztendlich namensgebend für die Erkrankung ist.
Diagnose
Aufgrund des sporadischen Auftretens der Erkrankung in Mitteleuropa ist es umso wichtiger, dass klinische Verdachtsfälle als solche erkannt und bakteriologisch untersucht werden. Die Verdachtsdiagnose wird anhand einer gezielten Anamnese (z.B. früheres Milzbrandvorkommen, Futtermittelimport u.ä.) bekräftigt.
Bei der Probengewinnung muss unbedingt darauf geachtet werden, dass das Untersuchungsmaterial ohne Kontamination der Umgebung durch Sporen gewonnen wird. Sämtliche entnommenen Materialien werden in die Risikogruppe 3 eingestuft und müssen daher unter besonderen Vorkehrungen bearbeitet werden. Die Blutprobe ist unbedingt noch vor der Sektion zu entnehmen. Das gewonnene Blut wird ausgestrichen, mit Formaldehydlösung inaktiviert und anschließend mit Methylenblau oder mittels Gram-Färbung gefärbt. Eine Anzüchtung kann auf Blutagar durchgeführt werden. Umweltproben hingegen benötigen Spezialnährböden (z.B. Anthrax-Blutagar oder Cereus-Ident-Agar u.ä.).
Der indirekte Erregernachweis kann mithilfe von verschiedenen IFT- und ELISA-Methoden durchgeführt werden (Antigennachweis). Alternativ wird oftmals auch eine von Ascoli und Valenti entwickelte Präzipitationsreaktion durchgeführt. Hierbei muss jedoch unbedingt berücksichtigt werden, dass andere Bacillus-Arten zu falsch-positiven Ergebnissen führen können.
Therapie
Da die Erkrankung als Tierseuche klassifiziert ist, dürfen keine therapeutischen Maßnahmen getroffen werden. Sämtliche Tiere müssen gekeult und unter strengen Auflagen unschädlich gemacht werden.
Rechtliches
Milzbrand ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich eine anzeigepflichtige Tierseuche. Die Erkrankung ist in den entsprechenden Rechtsnormen geregelt (z.B. § 16 des österreichischen Tierseuchengesetzes). Über das weitere Vorgehen entscheiden die Behörden sowie der Amtstierarzt.
Humanpathologie
Bacillus anthracis löst beim Menschen das klinische Bild des Milzbrands aus, der sich in drei verschiedenen Verlaufsformen manifestieren kann:
- Hautmilzbrand
- Darmmilzbrand
- Lungenmilzbrand
Die Erkrankung ist aufgrund von Komplikationen (Sepsis, Organschäden) mit einer hohen Letalität verbunden. Um eine Verbreitung des Erregers zu verhindern, dürfen verendete Tiere keinesfalls im Erdreich vergraben oder deren Produkte (Häute u.ä.) verwendet werden.
Quellen
- kgv - Kommunikationsplattform VerbraucherInnengesundheit. Anzeigepflicht bei Tierkrankheiten und -seuchen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (abgerufen am 20.07.2021)
- BMEL - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Anzeigepflichtige Tierseuchen (abgerufen am 20.07.2021)
- AGES - Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit. Milzbrand (abgerufen am 20.07.2021)
Literatur
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7