Indirektes Sympathomimetikum
Englisch: indirectly acting sympathomimetic
Definition
Als indirekte Sympathomimetika bezeichnet man Wirkstoffe, die selbst nicht an Adrenozeptoren binden, jedoch indirekt den Sympathikotonus erhöhen, indem sie die Noradrenalin-Konzentration im synaptischen Spalt erhöhen.
Wirkmechanismus
Indirekte Sympathomimetika führen zu einer Erhöhung der Konzentration des Neurotransmitters Noradrenalin im synaptischen Spalt. Die indirekten Sympathomimetika fungieren hierbei als alternative Substrate des Noradrenalintransporters (NAT) und des vesikulären Monoamintransporters (VMAT2). Es gibt mehrere Mechanismen, die dabei eine essentielle Rolle spielen:
- Kompetitive Hemmung der Noradrenalin-Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt über NAT in die Nervenzelle → erhöhte Noradrenalin-Konzentration im synaptischen Spalt.
- Hemmung von VMAT2 und damit Hemmung der Noradrenalin-Wiederaufnahme in die Speichergranula aus dem Zytoplasma der Nervenzelle → Erhöhte Noradrenalin-Konzentration im Axoplasma.
- Hemmung der Monoaminoxidase (MAO): Dieses Enzym baut normalerweise im Axoplasma befindliches Noradrenalin rasch zu einem inaktiven Produkt ab. Durch Hemmung dieses Enzyms wird der Abbau des Neurotransmitters im Axoplasma verhindert!
- Umkehr der Arbeitsrichtung von NAT: Normalerweise ist der Noradrenalintransporter ein präsynaptischer Symporter, der Noradrenalin und Natriumionen ins Axoplasma transportiert (passiver Transport). Indirekte Sympathomimetika führen zu einer Umkehrung dieser Transportrichtung, wodurch Noradrenalin und Natriumionen aus dem Axoplasma nach außen in den synaptischen Spalt abgegeben werden. Dieser Mechanismus stellt einen bedeutenden Unterschied zur gewöhnlichen Anreicherung des Noradrenalins im synaptischen Spalt dar, weil normalerweise der Neurotransmitter in Vesikeln gespeichert ist und nur durch Exozytose in den synaptischen Spalt gelangen kann (keine freie Diffusion durch die Zytoplasmamembran). Indirekte Sympathomimetika jedoch führen dazu, dass der Neurotransmitter über eine Arbeitsrichtungsumkehr des NAT in den synaptischen Spalt gelangt und nicht, wie gewöhnlich, durch Exozytose.
All diese Mechanismen haben gemeinsam, dass sie letztlich zu einer erhöhten Noradrenalin-Konzentration im synaptischen Spalt führen und so eine Erhöhung des Sympathikotonus bewirken.
Wirkungen
Viele indirekte Sympathomimetika sind - wie viele direkte Sympathomimetika - β-Phenylethylamin-Derivate, die allerdings aufgrund des Mangels an Hydroxylgruppen keine Affinität zu Adrenozeptoren haben und aufgrund ihrer Lipophilie ZNS-gängig sind.
Periphere Wirkungen
- Tachykardie
- Erhöhung des Blutdrucks
- Tremor, Schwitzen
- erweiterte Pupillen
Zentrale Wirkungen
- Wachheit/Schlaflosigkeit
- Konzentrationssteigerung
- Hemmung des Appetits
- Euphorie
- Wahn, Halluzinationen
Anwendung
- orthostatische Hypotonie
- Präparate gegen grippale Effekte (Einsatz umstritten)
- Mydriatikum
- Anorektikum (Appetitzügler)
Mehrere dieser Wirkstoffe werden als sog. Psychostimulanzien (Psychoanaleptika) bezeichnet. Diese Wirkstoffe passieren ungehindert die Blut-Hirn-Schranke und besitzen psychisch anregende, leicht euphorisierende Wirkungen und werden u.a. bei folgenden Krankheiten eingesetzt:
Viele Psychostimulanzien finden aufgrund dieser Wirkungen breite Verwendung als Rauschmittel (Amphetamin, Kokain, MDMA, Methamphetamin) in der Drogenszene.
Wirkstoffe
Nebenwirkungen
- meist rasche Toleranzentwicklung (Tachyphylaxie)
- Hypertonie
- Abhängigkeit (vgl. Drogenabusus)
- Tachykardie
- kardiovaskuläre Komplikationen
- Depression
Literaturverzeichnis
- Mutschler et. al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie. 10. Auflage, 2013
- Aktories et. al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 12. Auflage, 2017
- Steinhilber et. al.: Medizinische Chemie, 2. Auflage, 2010
- Höcherl Klaus, Prof. Dr.: Skript Pharmakologie Universität Erlangen-Nürnberg, 2017