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Synonyme: Hämorrhoidalleiden, Hämorriden (neue Rechtschreibung)
Englisch: hemorrhoids
Hämorrhoiden sind arteriovenöse Gefäßpolster, die ringförmig oberhalb der Linea dentata - am Übergang vom Rektum in den Analkanal - gelegen sind. Sie gewährleisten die Feinkontinenz. Anatomisch werden sie als Corpus cavernosum recti bezeichnet. Die Blutzufuhr erfolgt über die Äste der Arteria rectalis superior, was ihre knotige Vergrößerung an den Stellen der Blutzufuhr, nämlich auf 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage (SSL) erklärt.
Der Ring des hämorrhoidalen Gefäßpolsters ist schwammartig mit Blut gefüllt und dichtet das Rektum gegen den Austritt für Flüssigkeiten und Gase ab. Normalerweise entleert sich das Gefäßpolster bei der Defäkation, wenn der Tonus des inneren Sphinkters nachlässt (rekto-sphinktärer Reflex).
Von einem Hämorrhoidalleiden - im normalen Sprachgebrauch ungenau schlicht "Hämorrhoiden" genannt - spricht man, wenn sich das hämorrhoidale Gefäßgeflecht an den Prädilektionsstellen (siehe oben) vergrößert und sich Symptome einstellen. Ein vergrößertes Gefäßpolster ohne Symptome hat keinen Krankheitswert und bedarf keiner Behandlung.
Die Verwendung des Begriffs "Hämorrhoiden" ist uneinheitlich. Vor allem umgangssprachlich, aber auch in der medizinischen Alltagssprache, werden die Bezeichnungen "Hämorrhoiden" und "Hämorrhoidalleiden" häufig synonym verwendet. Anatomisch gelten Hämorrhoiden als normale Körperstrukturen, während die Proktologie nur hyperplastische Gefäßpolster als Hämorrhoiden labelt. Eine mögliche Abgrenzung der Begriffe ist in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Hämorrhoiden | Hyperplasie des Corpus cavernosum recti |
Hämorrhoidalleiden | Symptomatische Hämorrhoiden |
Innere Hämorrhoiden | Echte Hämorrhoiden (Plexus hämorrhoidalis superior betroffen) |
"Äußere" Hämorrhoiden | Irrtümlicher Begriff für unechte Hämorrhoiden (Plexus haemorrhoidalis inferior betroffen, siehe Perianalthrombose) |
Rektumvarizen | Erweiterte Venen im Bereich des Rektum |
Etwa 80% der erwachsenen Bevölkerung haben ein Hämorrhoidalleiden. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Ursächlich für die Vergrößerung der Hämorrhoiden sind Stuhlregulierungsprobleme, zu starkes Pressen bei der Defäkation, Bindegewebsschwäche und Druckerhöhung im Schließmuskel durch Tonusveränderungen. Eine eher seltene Ursache ist die Abflussstörung bzw. die retrograde Füllung der Venen auf dem Boden einer portalen Hypertension.
Begünstigend für die Entstehung von Hämorrhoiden wirken wahrscheinlich Adipositas und sitzende Tätigkeiten.
Juckreiz, Blutungen, Schmerzen beim Toilettengang, Feuchten, Gefühl der nicht vollständigen Stuhlentleerung und Schleimproduktion sind typische Symptome eines Hämorrhoidalleidens.
Die digital-rektale Austastung und die proktoskopische Einstellung des Analkanals verifizieren die Diagnose.
CAVE: Bei einer rektalen Blutung muss trotz bekanntem Hämorrhoidalleiden auch immer eine hohe Koloskopie zum Ausschluss einer proximal gelegenen Blutungsquelle folgen! |
Mögliche Differentialdiagnosen sind u.a.
Grad I | Innere Hämorrhoiden - Vorwölbung in das Lumen, oberhalb der Linea dentata lokalisiert |
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Grad II | Beim Pressen Prolaps, danach spontane Retraktion |
Grad III | Sichtbare Hämorrhoiden, die bei Defäkation, Pressen oder körperlicher Anstrengung vorfallen und nicht spontan retrahieren. Digitale Reposition möglich. |
Grad IV | Vor dem Analkanal gelegene, irreponible Hämorrhoiden. Entspricht einem Analprolaps. |
Hämorrhoiden im ersten Stadium werden konservativ durch Stuhlregulierung und Beratung therapiert.
Zur Behandlung der Symptome werden lokal leichte Lokalanästhetika sowie blutstillende und entzündungshemmende Wirkstoffe wie Glukokortikoide in Form von Zäpfchen oder Salben eingesetzt.
Die medikamentöse Therapie sollte umsichtig eingesetzt werden - mögliche Komplikationen sind Mykosen bzw. Dermatosen.
Die folgenden Ambulanten Behandlungsmethoden können bei Hämorrhoiden 1. und 2. Grades eingesetzt werden. Alle diese Methoden haben eine hohe Rezidivquote.
Bei der Sklerosierung werden kleinere Hämorrhoidalknoten mit einem Proktoskop zunächst fixiert und dann mit einer Inflammation induzierenden Substanz (z.B. Polidocanol) behandelt. Durch die eintretende Thrombosierung der Gefäße und der damit verbundenen Sklerosierung schrumpfen die Hämorrhoiden.
Auch bei der Infrarotbehandlung wird durch lokale Erhitzung des Gewebes eine Sklerosierung der Blutgefäße erreicht.
Durch die Vereisung mit z.B. flüssigem Stickstoff kommt es zum Absterben des Gewebes. Da die lokale Vereisung schwer zu begrenzen ist, wird diese Methode nur noch selten eingesetzt.
Bei der Gummibandligatur wird die durch Abbinden der Knoten und dem damit einhergehenden vollständigen thrombotischen Verschluss des Gefäßes ein Absterben des Gewebes erreicht. Das Verfahren wird häufig bei Hämorrhoiden im zweiten und dritten Stadium eingesetzt.
Für die Hämorrhoidektomie gibt es zahlreiche Methoden, die jeweils nach ihrem Erfinder benannt sind. Bei den klassischen Operationsverfahren ist die Rezidivquote in der Regel sehr gering.
Bei dieser Methode werden die hämorrhoidalen Knoten zunächst mit einer Klemme durch den Anus nach außen gezogen. Nach der Abtrennung des Hämorrhoidengewebe vom Sphinkter wird der Knoten mit einem Skalpell abgetragen. Die Operationswunde wird anschließend nicht vernäht (daher auch der Begriff offene Hämorrhoidektomie).
Diese Methode gilt als Erweiterung der Milligan-Morgan Methode. Im Gegensatz zu dieser wird die Wunde jedoch nach dem Abtragen des Knotens mit einer fortlaufenden Längsnaht bis zum Anoderm geschlossen.
Am Knoten wird zunächst mit einem Y-förmigen Schnitt das darunterliegende Hämorrhoidalpolster freigelegt und die Versorgungsgefäße unterbunden. Nach Entfernung des Polstergewebes werden die Wundränder T-förmig vernäht.
Die nach außen verlagerte Analhaut wird bei dieser Methode von innen abgelöst und die darunterliegende Hämorrhoide abgetragen. Im Anschluss wird das Hautläppchen wieder mit dem inneren des Afters vernäht.
Bei der Whitehead Methode wird das Hämorrhoidalpolster kreisförmig ausgeschnitten. Die Analhaut des Anoderm wird dabei meist vollkommen zerstört.
Die sogenannten neuen Operationsverfahren sind in der Regel weniger invasiv als die klassischen Hämorrhoidektomie-Methoden.
Zur Vorbereitung der Stapler-Hämorrhoidopexie nach Longo wird zunächst der Canalis analis geweitet und im Rectum, oberhalb der Linea dentata, eine Rundum-Naht gelegt. Im Anschluss wird mit einem speziellen Rundschneide- und Klammer-Gerät (Engl. Stapler) überschüssiges Gewebe ausgestanzt. Gleichzeitig hinterlässt der Stapler eine Doppelreihe versetzter Titanklammern, welche die unterhalb verbliebenen Hämorrhoidalpolster fixiert. Die Wunde wird anschließend mit einer Naht verschlossen.
Bei diesem Verfahren wird oberhalb der Linea dentata eine Desarterialisation der Hämorrhoidalpolster durchgeführt. Im ersten Schritt werden die Arterien mittels Ultraschall mit einem speziellen Proktoskop genau lokalisiert. Anschließend wird zur Stilllegung der Arterie, diese mit einer Nadel umstochen und anschließend mit einer Drahtschlinge abgeschnürt. Der Eingriff kann in der Regel ambulant vorgenommen werden.
Dieses Verfahren ist eine Weiterentwicklung der HAL-Methode. Die Weiterentwicklung besteht darin, dass zusätzlich zur Desarterialisation eine Raffung des vorgefallenen Schleimhaut- und Hämorrhoidengewebes erfolgt.
Bei dieser Methode wird der Knoten zusätzlich zur Desarterialisation noch mobilisiert und mittels analem Lifting in einem schmerzarmen Bereich oberhalb der Linea dentata gerafft.
Fachgebiete: Angiologie, Gastroenterologie, Proktologie, Viszeralchirurgie
Diese Seite wurde zuletzt am 17. November 2020 um 17:04 Uhr bearbeitet.
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