Vernet-Syndrom
nach dem französischen Neurologen Maurice Vernet
Synonym: Foramen-jugulare-Syndrom
Englisch: Vernet's syndrome, jugular foramen syndrome
Definition
Das Vernet-Syndrom ist ein kaudales Hirnnervensyndrom, das durch eine Obstruktion des Foramen jugulare entsteht. Es ist gekennzeichnet durch den einseitigen Ausfall der drei Hirnnerven Nervus glossopharyngeus (IX), Nervus vagus (X) und Nervus accessorius (XI).
Hintergrund
Das Foramen jugulare ist eine in direkter Nachbarschaft zum Foramen magnum gelegene Öffnung der Schädelbasis, die von Nerven und Gefäßen als Austritt in das extrakranielle Gewebe genutzt wird. Es besteht aus drei Kompartimenten, die jeweils unterschiedliche Strukturen beinhalten:
Pars anterior | Pars intermedia | Pars posterior |
---|---|---|
Sinus petrosus inferior | Nervus glossopharyngeus (IX) | Sinus sigmoideus bzw. |
Nervus vagus (X) | Vena jugularis interna | |
Nervus accessorius (XI) | ||
Arteria meningea posterior |
Ursachen
Die Ursache eines Vernet-Syndroms sind meist Paragangliome, die von Zellen der autonomen Ganglien im Bereich des Foramen jugulare ausgehen. Daneben kommen andere Tumoren in Betracht, z.B. Meningiome, Cholesteatome oder Metastasen. Auch eine Läsion im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels, wie ein Akustikusneurinom, sollte in Betracht gezogen werden.
Seltenere Ursachen sind Entzündungen, Gefäßschäden, Jugularvenenthrombosen oder Traumata (z.B. eine Schädelbasisfraktur).
Klinik
In der Regel zeigen Patienten mit einem Vernet-Syndrom ipsilateral folgende neurologischen Symptome:
- Gaumensegelparese mit Dysphagie
- Lähmung der Rachenhinterwand
- Stimmbandlähmung mit Dysphonie (Heiserkeit)
- Parese des Musculus sternocleidomastoideus und Musculus trapezius
- Hemiageusie, d.h. Geschmacksverlust im hinteren Zungendrittel
- Hemihypästhesie im Bereich des Pharynx, des Zungengrundes und der Tonsillen
Bei der körperlichen Untersuchung kann eine Abweichung der Uvula zur gesunden Seite (Kulissenphänomen) sowie ein einseitiger Ausfall des Würgereflexes beobachtet werden. Komplikationen enstehen vor allem bei einer irreversiblen Schädigung der betroffenen Hirnnerven mit einer dauerhaft persistierenden Symptomatik.
Diagnostik
Bei Verdacht auf ein Vernet-Syndrom ist eine Bildgebung des Schädels indiziert. Vorrangig eignet sich dafür ein MRT, das fragliche Tumoren in Schichtaufnahmen gut darzustellen vermag. Frakturen lassen sich mithilfe eines Schädel-CT ausschließen. Zur weiterhin Beurteilung der Tumorentität ist meist eine Biopsie notwendig.
Therapie
Die Therapie ist abhängig von der auslösenden Ursache. Liegt ein Tumor vor, ist ein neurochirurgischer Eingriff erforderlich.
Nomenklatur
Nach traditionellem Verständnis handelt es sich beim Vernet-Syndrom um eine extrazerebrale Hirnnervenläsion. In der Literatur wird es jedoch auch häufig für zerebrale Läsionen verwendet, die dann mit einer kontralateralen Hemiparese einhergehen. Ob diese alternierenden Hirnstammsyndrome als Vernet-Syndrom bezeichnet werden sollten, ist umstritten.[1]
Literatur
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2014
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Hanns Christian Hopf: Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme Verlag. 2006.
Quellen
- ↑ Krasnianski, M et al.: Die klassischen Syndrome von Schmidt und Vernet: Alternierende Hirnstammsyndrome, die nicht existieren? Der Nervenarzt volume 74, pages 1150–1154 (2003)
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