Augenverätzung
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Definition
Augenverätzungen sind Augentraumata, die durch Kontakt mit Laugen oder Säuren ausgelöst werden. Sie sind ein ophthalmologischer Notfall, der umgehend behandelt werden muss.
Pathophysiologie
Laugenverätzungen
Laugen zerstören beim Augenkontakt die Lipidbestandteile der Zellmembranen („Verseifung“) und dringen tief in die okulären Gewebe ein. Dadurch können Lid, Bindehaut, Hornhaut und der Limbus stark geschädigt werden.
Säureverätzungen
Säuren führen zu einer Denaturierung der Zellproteine. Die entstehende Koagulationsnekrose bildet zunächst eine protektive Barriere, die das weitere Eindringen der Säure verlangsamt. Eine wichtige Ausnahme ist die Flusssäure, die alle Schichten der Hornhaut durchdringt und kann das gesamte Auge schwer schädigen kann.
Mischsubstanzen
Einige Reinigungsmittel enthalten sowohl Laugen als auch Säuren sowie Tenside (waschaktive Stoffe) und werden so als Mischsubstanzen bezeichnet. Diese können ebenfalls schwere Verätzungen verursachen.
Diagnostik
Die Beschwerden von akuten Augenverätzungen sind oft unspezifisch. Vor allem schwere Verätzungen können im Frühstadium symptomarm sein und zeigen aufgrund der Ischämie nur wenig Rötung. Daher ist eine sorgfältige Anamnese parallel zu den Akutmaßnahmen essentiell.
Wichtige anamnestische Fragen sind:
- Zeitpunkt des Unfalls?
- Art und Zusammensetzung der Chemikalie?
- Gibt es eine Verpackung oder ein Sicherheitsdatenblatt (MSDS) der Substanz?
- Wie war der genaue Verletzungsmechanismus (z.B. stand die Chemikalie unter Druck?)
- Erfolgte bereits ein erstes Ausspülen der Chemikalie? Wenn ja, womit und wie lange?
Bei der ophthalmologischen Erstuntersuchung werden folgende Befunde erhoben:
- Untersuchung des vorderen Augenabschnitts, inklusive Anfärbung mit Fluorescein
- Sehschärfenprüfung (ggf. unter Lokalanästhesie)
- Messung des Augeninnendrucks bei schwerer Verätzung
- Funduskontrolle, soweit möglich
Bei Verdacht auf Verschluss der Tränenwege sollte eine Tränenwegsspülung und ggf. Intubation der Tränenwege erfolgen.
Klassifikation
Verätzungen der Augenoberfläche werden mithilfe der Reim- oder Dua-Klassifikation beurteilt.[1]
Dua-Klassifikation
| Grad | Prognose | Limbusbeteiligung | Konjunktivale Schädigung | Analogskala* |
|---|---|---|---|---|
| I | sehr gut | 0 | 0% | 0/0% |
| II | gut | < 3 Stunden | <30% | 0,1-3/1-29,9% |
| III | gut | 3-6 Stunden | 30-50% | 3,1-6/31-50% |
| IV | gut - mäßig | 6-9 Stunden | 50-75% | 6,1-9/51-75 |
| V | mäßig - schlecht | 9-12 Stunden | 75-100% | 9,1-11,9/75,1- 99,9% |
| VI | sehr schlecht | > 12 Stunden | 100% | 12/100% |
*Ausmaß der Limbusbeteiligung (in h)/prozentuale konjunktivale Schädigung
Nur die bulbäre Konjunktiva einschließlich der Fornices wird berücksichtigt.
Therapie
Sofortmaßnahmen
Die sofortige Augenspülung ist entscheidend. Vor Beginn sollte eine topische Anästhesie erfolgen, um eine effektive Spülung zu gewährleisten. Die initiale Spülung erfolgt mit idealerweise mit steriler physiologischer Kochsalzlösung oder Ringer-Lösung, ersatzweise mit Leitungswasser, bis der pH-Wert neutral ist.
Bei ausgeprägten Schmerzen kann eine para- oder retrobulbäre Anästhesie oder eine Kurznarkose notwendig sein. Die Lider sollten doppelt ektropioniert werden, um sämtliche Falten sichtbar zu machen. Alle Bereiche, einschließlich Hornhaut und Fornices, müssen gründlich inspiziert und gespült werden.
Bei Flusssäure-Verätzung (HF-Verätzung) müssen zusätzlich lebensbedrohliche Haut- oder Inhalationsverätzungen ausgeschlossen werden. Auch der Eigenschutz der Helfer ist zwingend zu beachten.
Medikamentöse Therapie
- Kortisonhaltige Augentropfen zur Entzündungshemmung
- Topische Antibiotika zur Infektionsprophylaxe
- Benetzende Augentropfen
- Verbandlinsen
- Augensalben (z.B. Dexpanthenol)
- Zykloplegika (bei schwergradigen Befunden zur Vermeidung von Synechien)
Die verwendeten Augentropfen sollten phosphat- und konservierungsmittelfrei sein. Bei erhöhtem Augeninnendruck sind zusätzlich Antiglaukomatosa (z.B. Acetazolamid, Timolol) erforderlich.
Chirurgische Therapie
Bei moderaten bis schweren Verätzungen können zusätzliche chirurgische Maßnahmen notwendig werden. Dazu zählt in erster Linie das vorsichtige Débridement nekrotischer Areale. Weitere mögliche Maßnahmen sind:
Die Nachsorge kann bei leichtgradigen Verätzungen ambulant erfolgen. Bei mittel- bis schwerwiegenden Fällen ist meist eine stationäre Nachsorge notwendig.
Risiken
Typische Komplikationen sind Sekundärinfektionen und Hornhautulzera. In 15-22% der Fälle kommt es bei schwerwiegenden Verätzungen der Augenoberfläche zu einem Sekundärglaukom. Des Weiteren kann es durch die Verätzung der Becherzellen zu einer Keratokonjunktivitis sicca kommen, da die Mucusschicht des Tränenfilms fehlt.
Die Verätzung der Umgebungsstrukturen kann eine Fornixverkürzung, eine Symblepharonbildung oder ein Narbenentropium oder -ektropium hervorrufen.
Ausgeprägte Verätzungen gehen in der Regel mit einer Visusminderung einher. Im Extremfall droht ein Visusverlust.
Quellen
- ↑ S1-Leitlinie der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG) und des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA), 31.12.2020, abgerufen am 4.11.2025