Flusssäure
Synonym: Fluorwasserstoffsäure
Englisch: hydrofluoric acid
Definition
Flusssäure ist eine schwache Säure, die durch eine wässrige Lösung von Fluorwasserstoff (HF) entsteht.
Chemie
Flusssäure ist im Vergleich zu den anderen Halogenwasserstoffen (z.B. HCl, HI) eine schwache Säure. Der pKS-Wert beträgt 3,14. Durch Erhitzen von Calciumfluorid mit rauchender Schwefelsäure wird zunächst gasförmiger Fluorwasserstoff erzeugt, der nach dem Waschen in Schwefelsäure in Wasser eingeleitet wird und Flusssäure ergibt.
Flusssäure greift Gold und Platin nicht an, jedoch schwach Silber, Kupfer und Blei. Da Flusssäure Glas ätzt, wird es in Metall- oder Kunststoffflaschen bzw. -behältern aufbewahrt.
Verwendung
- Ätzen von Glas
- Halbleiterproduktion
- Herstellung von Aminfluoriden
Toxikologie
Eigenschaften
Die besonders hohe Lipidlöslichkeit der Flusssäure ermöglicht ihr ein rasches Eindringen in die Haut, weshalb Flussäure als Kontaktgift gilt. Dadurch kann die Flusssäure eine Gewebeschädigung hervorrufen, ohne, dass oberflächlich eine wesentliche Verätzung sichtbar wird. Der Schmerz durch die Schädigung kann mit deutlicher Verzögerung eintreten. Die Verätzungen betreffen größtenteils die tieferen Gewebsschichten oder den Knochen. Eine besondere Gefährdung besteht bei Exposition der Augen.
Ein weiterer toxischer Effekt tritt durch die Bindung und Ausfällung von Calcium- und Magnesiumionen ein. Dadurch wird das Elektrolytgleichgewicht gestört und eine Vielzahl von Enzymen gehemmt. Das kann schon bei geringem Kontakt mit Flusssäure zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führen.
Therapiemaßnahmen
Bei allen Behandlungsmaßnahmen ist der Eigenschutz zu beachten.
Die mit Flusssäure exponierte Haut muss sofort mindestens 30 Minuten mit Wasser, 1%iger Calciumgluconat-Lösung oder Hexafluorine®-Lösung gespült werden. Anschließend ist die betroffene Stelle mit Calciumgluconat-Kompressen (10 %) oder Calciumgluconat-Gel (2,5 %) abzudecken. Zusätzlich kann eine subkutane Infiltration mit einer 10%igen Calciumgluconat-Lösung (0,5 ml/cm²) oder im Bereich der Extremitäten eine langsame intraarterielle Injektion (10 bis 20 ml 1:4 verdünnt mit NaCl 0,9 %) erforderlich sein.
Nach Exposition der Augen erfolgt die primäre Dekontamination wie bei der Haut nach Applikation eines Lokalanästhetikums in die Lidspalte. Danach werden 2- bis 3-mal einige Tropfen einer 1%igen Calciumgluconat-Lösung verabreicht, die alle 2 bis 3 Stunden bis die endgültige Versorgung in einer Augenklinik fortgesetzt wird.
Nach Ingestion von Flusssäure können als Notfallsofortmaßnahme ca. 200 ml Milch oder gelöste Calcium-Brausetabletten verabreicht werden. Die Gabe von Aktivkohle ist nicht indiziert. Der Mageninhalt sollte so schnell wie möglich mit einer flexiblen Magensonde abgesaugt und anschließend 200 ml Calciumgluconat-Lösung (5 %) instilliert werden. Nach einer Ösophagogastroduodenoskopie sollten abschließend 40 ml Calciumgluconat-Lösung (1 %) im Magen belassen werden.
Nach inhalativer Exposition sollte so schnell wie möglich nach der Rettung aus der Gefahrenbereich und der Versorgung mit Sauerstoff, mit einem Bronchospasmolytikum und einem Antitussivum vernebelte Calciumgluconat-Lösung (2,5 % bis 5 %, 1:3 verdünnt mit NaCl 0,9 %) inhaliert werden.
Für die Wirksamkeit von Glukokortikoiden gibt es keine hinreichende klinische Evidenz.
Systemisch werden insbesondere das Serumcalcium und Serummagnesium überwacht und ggf. ausgeglichen. Bei schweren Vergiftungen muss sofort eine 10%ige Calciumgluconat-Lösung (Erwachsene 20 ml; Kinder 0,3 ml) und eine 20%ige Magnesiumsulfat-Lösung (Erwachsene 20 ml; Kinder 0,25 ml) langsam intravenös verabreicht werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Weblinks
- F. Eyer, C. Rabe in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für klinische Toxikologie (GfKT). Antidotarium. Rote Liste, abgerufen am 08.02.2024
- K. Hruby, H. Schiel. Antidotarium. Wien : Krause & Pachernegg 2011, abgerufen 08.02.2024
- C. Rauber et al. Vergiftungen durch Flusssäure, Tox Info Suisse 2018, abgerufen am 08.02.2024