Altersphysiologie
Definition
Unter Altersphysiologie werden die normalen regelgerechten Veränderungen des menschlichen Körpers in verschiedenen Altersstufen verstanden. Sie ist ein Teilgebiet der klinischen Physiologie und der Gerontologie.
Hintergrund
Erste konkrete therapeutische Folgen der Erkenntnis von den physiologischen Veränderungen im Alter wurden von Max Bürger formuliert, der dafür den heute nicht mehr gebräuchlichen Begriff der "biorheutischen Physiologie" verwendete. Er begründete später die Gerontologie, die Wissenschaft vom Altern.
Die Altersphysiologie ist von der Geriatrie abzugrenzen, die sich mit den Besonderheiten der Erkennung, Behandlung und Therapie von Erkrankungen im (höheren) Alter befasst.
Funktionelle Aspekte
Die Altersphysiologie stützt sich auf verschiedene Konzepte, die in ihrer Gesamtheit das Altern als multifaktorielles Geschehen mit zunehmender Einschränkung aller Organfunktionen (physiologische altersbedingte Organinsuffizienz) beschreibt. Die an allen Organen zu beobachtenden Veränderungen treten im Regelfalle nicht gleichmäßig auf (physiologische Heterogenität des Alterns), ebenso wie der Alterungsprozess selbst einer Variabilität ausgesetzt ist.
Herz-Kreislauf-System
Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer physiologischen Herzinsuffizienz. Diese beruht u.a. auf einer verringerten Empfindlichkeit der Betarezeptoren der Kardiomyozyten. Die Herzfrequenzvariabilität verringert sich, die maximale Herzfrequenz sinkt. Eine respiratorische Arrhytmie ist im höheren Alter nicht mehr nachweisbar.
Erkrankungen des Herzens haben deutlich längere Rekonvaleszenzphasen.
Atmung
Das Lungenparenchym verliert an Elastizität, die Anzahl der Lungenkapillaren geht zurück und die Dichte elastischer Fasern lässt nach. Dies wird mit einer Vergrößerung der Alveolen und einer verminderten Expression von Proteinen, die an der Bildung von Bindegewebsfasern beteiligt sind, erklärt.
Funktionell kommt es dadurch zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion.
Energie-Stoffwechsel
Die Reaktion der Körperzellen auf wichtige Stoffwechselhormone wie Insulin und Glucagon lässt nach. Die Empfindlichkeit von Rezeptoren für ihre Liganden reduziert sich und Signalkaskaden, welche Proteinbiosyntheseschritte enthalten, laufen langsamer ab.
Mit (deutlich) steigendem Lebensalter kommt es zu einer hypotrophen physiologischen Leber- und Pankreasinsuffizienz. Dies geht mit einer verringerten Produktion an leberspezifischen Proteinen sowie einem relativen Insulinmangel einher.
Der orale Glukosetoleranztest eines älteren Menschen zeigt häufig einen Kurvenverlauf, der dem eines jüngeren Menschen mit Diabetes mellitus entspricht.
Verdauung
Im gesamten Verdauungstrakt verringert sich die Motilität, die Frequenz der Peristaltikwellen nimmt ab. Der Defäkationsreflex wird abgeschwächt. Die Resorption von Nährstoffen ist verringert, bei gleichzeitiger Abnahme der Sekretion von Intrinsic Factor, Pepsin und Magensäure.
Xenobiotika-Stoffwechsel
Neben der Leberhypotrophie verringert sich auch das Nierenvolumen. Die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes (und ihre Regelbreite bezüglich der Motilität) verringert sich. Da alle drei Organe jeweils für die Aufnahme bzw. den Abbau und die Ausscheidung bestimmter Xenobiotika und Toxine zuständig sind, verändern sich Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der meisten zugeführten Medikamente, häufig benötigen sie länger bis zum Wirkeintritt und verbleiben länger im Blutplasma.
Blutbildendes System
Das aktive Knochenmark verringert sich systematisch. Es kommt zum Ersatz blutbildenden Gewebes durch Fett und Bindegewebe. Hämatokrit und Hämoglobinspiegel verringern sich. Etwa beginnend mit dem 40. Lebensjahr verringert sich kontinuierlich die Anzahl der Lymphozyten. T-Helferzellen und T-Killerzellen verlieren an Zahl und Aktivität.
Das Blutbild eines Menschen im hohen Alter kann dem einer jungen Person im anämischen Zustand gleichen.
Bewegungsapparat
Der Kalziumstoffwechsel wird neu ausgerichtet. Der Mineralgehalt der Knochen nimmt ab. Die Muskelmasse hypotrophiert zunehmend und wird teilweise durch Fettgewebe ersetzt, während die Belastbarkeit der Sehnen zurückgeht.
Endokrines System
Die Empfindlichkeit membranärer und nukleärer Rezeptoren für Hormone verringert sich. Es kommt zum Absinken der mittleren Hormonspiegel, insbesondere von Testosteron, Progesteron und Östrogen. Letzteres ist bei der Frau bedingt durch das Erlöschen der Keimdrüsenfunktion auf Grund einer physiologischen Ovarialinsuffizienz. Das Korrelat der Menopause der Frau ist die Andropause des Mannes, die jedoch einen anderen Ablauf zeigt.
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