Akute hypertensive Enzephalopathie
Englisch: acute hypertensive encephalopathy
1. Definition
Die akute hypertensive Enzephalopathie, kurz AHE, ist ein plötzlich auftretendes neurologisches Syndrom, das durch eine gestörte zerebrale Autoregulation infolge eines hohen Blutdrucks entsteht. Sie stellt eine Manifestationsform des hypertensiven Notfalls dar. Liegt ein Papillenödem vor, spricht man von einer malignen Hypertonie.
- ICD-10-Code: I67.4
2. Pathophysiologie
Jede Form einer arteriellen Hypertonie kann eine akute hypertensive Enzephalopathie auslösen. Das plötzliche Auftreten des Blutdruckanstiegs scheint dabei wichtiger zu sein als der absolute Wert des systolischen oder mittleren arteriellen Blutdrucks. Wird die zerebrale Autoregulation überwunden, steigt der zerebrale Blutfluss (CBF), und es entwickelt sich ein vasogenes Hirnödem.
Eine maligne Hypertonie tritt bei Patienten mit chronischer Hypertonie selten auf (< 1 % der Patienten). Dennoch ist aufgrund der hohen Prävalenz die essentielle Hypertonie die häufigste Ursache einer malignen Hypertonie. Sie kann auch bei zuvor normotensiven Personen auftreten. Ein plötzlicher Beginn findet sich beispielsweise bei Kindern mit akuter Glomerulonephritis und Nierenversagen, bei schwangeren Frauen mit Eklampsie und bei Patienten jeden Alters mit Drogenmissbrauch (z.B. Kokain). Seltenere Ursachen sind Blutdruckrisen bei Phäochromozytom, Clonidin-Entzugssyndrom, bestimmte Arzneimittelwechselwirkungen oder eine autonome Überaktivität z.B. bei Patienten mit Rückenmarkserkrankungen.
3. Pathologie
Makroskopisch zeigen sich ein Hirnödem und Hirnschwellung. Größere parenchymale Blutungen und perivaskuläre petechiale Mikroblutungen können vorkommen. Häufig sind weiterhin akute Mikroinfarkte, insbesondere in den Basalganglien und im Pons.
Pathohistologisch finden sich fibrinoide Arteriolonekrosen mit Fragmentierung und Verlust der Zellkernfärbung in den betroffenen Gefäßwänden. Bei Hypertonie-assoziierter thrombotischer Mikroangiopathie enthalten einige Arteriolen intraluminale Plättchen-/Fibrinthromben, während andere von proteinhaltigen Exsudaten oder einer Mischung aus Fibrin und Blutungen umgeben sind. Ein Ödem in der angrenzenden weißen Substanz ist ein typischer Begleitbefund.
4. Klinik
Zu den Symptomen der akuten hypertensiven Enzephalopathie zählen:
- Kopfschmerzen
- neurologische Ausfälle, insb. Sehstörungen
- Übelkeit (Nausea), Erbrechen
- Inappetenz
- Müdigkeit
- Vigilanzstörung
- Unruhe
In schweren Fällen treten zudem Störungen des Atemantriebes und Bewusstseinsstörungen auf.
Die Symptome sind bei rascher Blutdrucksenkung meist schnell reversibel.
5. Diagnostik
Neben der Blutdruckerhöhung findet sich bei maligner Hypertonie eine ophthalmoskopisch feststellbare Stauungspapille als Zeichen des gesteigerten Hirndrucks. Die Erhebung des neurologischen Status gibt Aufschluss über Art und Umfang der neurologischen Beeinträchtigungen. Häufig erfolgt weiterhin eine Bildgebung mittels CT und/oder MRT.
5.1. Radiologie
Die bildgebenden Befunde bei akuter hypertensiver Enzephalopathie umfassen:
- Posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES): bei maligner Hypertonie insbesondere atypische Formen mit bevorzugter Läsion in Hirnstamm, Basalganglien und/oder Grenzzonen
- Diffuses Hirnödem in besonders schweren Fällen
- Lobäre und/oder multifokale parenchymale Mikroblutungen in der Hirnrinde, den Basalganglien, im Pons und im Kleinhirn
- Konvexale Subarachnoidalblutungen mit mehreren kurzstreckigen Gefäßstenosen, die dem reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) ähneln, wurden in einigen Fällen von maligner Hypertension beschrieben
- Störungen der Blut-Hirn-Schranke führen zu multifokalen, fleckigen Kontrastmittelanreicherungen.
- Diffusionsstörungen: bei maligner Hypertonie häufiger als bei klassischem PRES
Eine radiologische Abgrenzung zu Ischämien und Infarkten bei thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP) ist nicht möglich, erfolgt jedoch durch klinische und laborchemische Merkmale.
6. Therapie
Die Akuttherapie entspricht der des hypertensiven Notfalls.