Hypertensiver Notfall
Englisch: hypertensive emergency
Definition
Ein hypertensiver Notfall besteht bei einem kritischen Anstieg des Blutdruckes auf Werte ≥180 mmHg systolisch und/oder ≥110 mmHg diastolisch mit gleichzeitigen Zeichen akuter hypertensiver Endorganschäden.
Nomenklatur
In der medizinischen Alltagssprache sind die Begriff "hypertensiver Notfall" und "hypertensive Entgleisung" nur unscharf abgegrenzt und werden häufig synonym verwendet. Teilweise werden beide Entitäten auch als "hypertensive Krise" zusammengefasst.
In der aktuellen nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie (Stand 2024) wird der Begriff "hypertensive Krise" nicht verwendet. Dort wird bei kritischem Blutdruckanstieg zwischen der hypertensiven Entgleisung und dem hypertensiven Notfall unterschieden. Die hypertensive Entgleisung ist dabei definiert als ein Blutdruck über 180/110 mmHg ohne akute Begleitsymptome. Ein hypertensiver Notfall besteht bei einem Blutdruck über 180/110 mmHg und gleichzeitigen Anzeichen eines blutdruckassoziierten Organschadens.[1] Der Übergang zwischen beiden Formen ist fließend.
Die Guidelines der European Society of Hypertension unterscheiden ebenfalls zwischen starkem Blutdruckanstieg ohne Organschäden ("hypertensive urgency") und mit Organschäden ("hypertensive emergency") und nutzen den Begrifff "hypertensive crisis" nicht mehr.[2]
Pathophysiologie
Eine Blutdruckerhöhung kann Ursache für eine Vielzahl von Organschädigungen sein, zum Beispiel
Symptome
Die Symptome eines hypertensiven Notfalls sind meist unspezifisch. Sie umfassen u.a.:
Daneben gibt es Red Flags, die auf eine akute Organschädigung hinweisen können und eine weitere Abklärung erfordern.
- starke Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Sehstörungen
- Vigilanzminderung, Bewusstseinsstörungen
- fokal-neurologische Defizite
- Thoraxschmerzen
- Dyspnoe
Therapie
Der Blutdruck sollte auch bei einem hypertensiven Notfall nicht zu abrupt gesenkt werden. Insbesondere bei Lungenödem, Koronarsyndrom und hypertensiver Enzephalopathie sollte er nicht zu schnell und zu stark gesenkt werden, da die Organschädigung hierdurch verschlimmert werden kann.
Ambulanter Therapiebeginn
Im hypertensiven Notfall sollte die Blutdrucksenkung bereits ambulant begonnen werden. Geeignete Medikamente und ihre Kontraindikationen sind im Folgenden aufgeführt:
- Nitroglycerin eignet sich vor allem bei Herzinsuffizienz, Koronarsyndrom und Lungenödem. Als schnell applizierbare Darreichungsform eignen sich Sprays oder Zerbeißkapseln, die Erstdosierung kann 1 mg betragen.
- Urapidil wird intravenös verabreicht. Zu beachten ist eine langsame Injektion, als Startdosierung gelten 25 mg.
- Calciumantagonisten mit schnellem Wirkungseintritt (5 mg-Sublingualkapseln von Nifedipin oder Nitrendipin) eignen sich prinzipiell gut, sind jedoch bei Koronarsyndrom kontraindiziert.
- Clonidin kann intravenös oder subkutan (0,075 mg) verabreicht werden, wobei nach Möglichkeit die intravenöse Applikation vorzuziehen ist. Zu beachten ist, dass gleichzeitig keine Dehydratation oder Hypovolämie besteht.
Stationäre Therapiefortsetzung
Nach stationärer Aufnahme können die blutdrucksenkenden Mittel als Dauerinfusion gegeben werden. Unter engmaschiger Kontrolle der Werte sollten hochnormale Blutdruckwerte angestrebt werden. Zur Volumenentlastung kann zusätzlich Furosemid infundiert werden.
Therapieresistenz
Bei nach wiederholter Gabe verschiedener Antihypertensiva immer noch bestehendem hypertensivem Notfall kann als Reservetherapeutikum Nitroprussid-Natrium verabreicht werden. Dabei sind besondere Vorsichtsmaßnahmen zu beachten (mögliche Cyanid-Vergiftung).
Quellen
- ↑ Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie, Kurzfassung, AWMF-Register-Nr. nvl-009, 2023
- ↑ Mancia et al., 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension, Journal of Hypertension, 2023