Endometriose
Synonyme: Endometriosis, Morbus Breckwoldt
Englisch: endometriosis
Definition
Als Endometriose wird das Vorkommen von endometriumähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle (Cavum uteri) bezeichnet. Das ektope Gewebe ist genau wie das Endometrium der Gebärmutterhöhle abhängig von den Hormonwirkungen im Rahmen des weiblichen Zyklus.
Epidemiologie
Zur Häufigkeit der Endometriose gibt es in der Literatur unterschiedliche Angaben. Schätzungen zufolge leiden etwa 10 % der gebärfähigen Frauen[1] und bis zu 30 % aller Frauen unter Endometriose. Etwa zwei Drittel der Betroffenen weisen Symptome auf.[1] Die Erkrankung manifestiert sich vorwiegend zwischen dem 36. und 46. Lebensjahr. Eine familiäre Häufung lässt sich beobachten.
Lokalisation
Nach dem Ort des Vorkommens kann man verschiedene Formen der Endometriose unterscheiden.
Endometriosis genitalis interna
Bei der Endometriosis genitalis interna findet man Endometrioseherde innerhalb der Muskelschicht (Myometrium) der Gebärmutter. Auch die Endometriose des Eileiters wird zu dieser Form gezählt.
Adenomyosis uteri
Entsteht ektopes Drüsengewebe im Rahmen einer Endometriosis uteri interna in der Muskulatur der Gebärmutter, spricht man von einer Adenomyosis uteri. Hierbei kann es wenige Tage vor der Menstruationsblutung aufgrund von Wassereinlagerungen in die Endometrioseherde zu einer Dysmenorrhö kommen. Die Schmerzen lassen meist bei Einsetzen der Regelblutung nach. Ein weiteres Symptom der Adenomyosis uteri kann eine Menorrhagie sein. Blutgefäße, welche die Gebärmutterschleimhaut versorgen, laufen durch den Muskel und werden bei Muskelkontraktion komprimiert. Während der Menstruation verhindert die Kompression somit eine übermäßige Blutung. Liegt eine Endometriose oder ein Myom vor, kann die Kontraktion des Muskels eingeschränkt sein. Folge ist eine verlängerte oder verstärkte Regelblutung.
Endometriosis tubae
Die Bildung von Endometrioseherden in den Tuben wird als Endometriosis tubae bezeichnet. Mögliche Folgen sind:
- Hämatosalpinx
- Erhöhte Gefahr einer Eileiterschwangerschaft (Einnistung der Blastozyste im Endometrioseherd)
- Entzündungsreaktionen mit Vernarbungen
- Tubenmotilitätsstörungen
- bei beidseitigem Befall: sekundäre Sterilität durch narbige Verwachsungen
Endometriosis genitalis externa
Bei der Endometriosus genitalis externa entstehen die Endometrioseherde im Bereich der extrauterin gelegenen weiblichen Geschlechtsorgane. Neben den äußeren und inneren Genitalien können dabei Peritoneum, Beckenwand, Douglas-Raum, Perineum und das Ligamentum sacrouterinum betroffen sein. Je nach Lokalisation lassen sich folgende Formen unterscheiden:
Ovarialendometriose
Hier befinden sich Herde im Eierstock. Das hier entstehende Blut kann meist nicht aus dem Eierstock abgetragen werden. Durch die Anstauung bildet sich ein Endometriom, das aufgrund der dunklen Farbe des geronnenen Blutes auch Teer- oder Schokoladenzyste genannt wird.
Vaginalendometriose
Vaginale Endometrioseherde bluten simultan zum Uterus. Sie bleiben daher in der Regel unbemerkt und fallen nur auf, wenn es beispielsweise trotz einer Entfernung der Gebärmutter weiterhin zu Menstruationsblutungen kommt.
Douglas-Endometriose
Endometrioseherde im Douglas-Raum können durch Vernarbung zu Adhäsionen zwischen Rektum und Gebärmutter führen. Der dadurch eingeschränkte Bewegungsspielraum der Gebärmutter kann bei der Frau Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) hervorrufen, da der Penis des Mannes im Schnitt meist länger ist als die Vagina und den Uterus beim Geschlechtsverkehr mitbewegt.
Endometriosis extragenitalis
Bei einer Endometriosis extragenitalis befinden sich die Endometrioseherde außerhalb der Geschlechtsorgane. Mögliche Lokalisationen mit den zugehörigen Symptomen sind zum Beispiel:
- Darm/Appendix vermiformis: zyklisches Auftreten blutiger Stühle
- Harnblase/Ureter: zyklisch sichtbares Blut im Urin (Makrohämaturie)
- Lunge: Hämoptoe
- Muskeln: sehr selten, auffallend durch Verdickungen in Folge von Einblutungen
- Retroperitoneum, Bauchnabel, Zwerchfell, Narben, Gehirn
ICD-10 Klassifikation
Die Endometriose wird durch die ICD10-Klassifikation entsprechend ihrer Lokalisation kodiert.
Code | Bezeichnung |
---|---|
N80 | Endometriose |
N80.0 | Endometriose des Uterus |
N80.1 | Endometriose des Ovars |
N80.2 | Endometriose der Tuba uterina |
N80.3 | Endometriose des Beckenperitoneums |
N80.4 | Endometriose des Septum rectovaginale und der Vagina |
N80.5 | Endometriose des Darmes |
N80.6 | Endometriose in Hautnarbe |
N80.8 | Sonstige Endometriose |
N80.9 | Endometriose, nicht näher bezeichnet |
Pathogenese
Die Pathogenese der einzelnen Formen der Endometriose ist uneinheitlich und zum derzeitigen Zeitpunkt (2023) nicht vollständig geklärt. Grundsätzlich sind mehrere Erklärungsansätze zur Entstehung der Endometriose in Betracht zu ziehen. Zusammen genommen bieten alle Theorien eine plausible Erklärung für die Entstehung der Endometriose. Eine multifaktorielle Genese ist zudem nicht auszuschließen.
Transplantationstheorie
Der Transplantationstheorie (Sampson-Hypothese) zufolge werden bei der Menstruation funktionstüchtige Zellen des Endometriums beispielsweise über die Tuben in die Bauchhöhle verschleppt (retrograde Menstruation).
Vaskuläre und lymphatische Streuung
Laut dieser Theorie werden funktionsfähige endometriale Zellen auf dem Blut- bzw. Lymphweg in entfernte Gewebe getragen, wo sie sich absiedeln können.
Tissue-Injury-and-Repair-Theorie
Laut der Tissue-Injury-and-Repair-Theorie (TIAR-Konzept) kann es durch Mikrotraumen des basalen Endometriums zur Ablösung von Endometriumzellen kommen, die anschließend verschleppt werden.
Iatrogene Verschleppung
Verschleppung von Zellen bei Operationen.
Metaplasietheorie
Die Metaplasietheorie beschreibt die metaplastische Neuentstehung von Endometriumzellen aus Coelomepithel. Dieses embryonale Gewebe entsteht zuvor durch repetitive Irritation von differenziertem Gewebe durch beispielsweise Infektionen, Hormone oder immunologische Defizite. Coelom, Müller-Gang, ovarielles Keimepithel und das Peritoneum haben einen gemeinsamen embryonalen Ursprung. Dies legt nahe, dass manche Endometrioseherde als Differenzierungsprodukte metaplastischer Coelomzellen aufgefasst werden können.
Ektope Metaplasie
Die Theorie der ektopen Metaplasie geht davon aus, dass versprengtes embryonales Gewebe sich an Stellen der Endometrioseherde differenziert.
Bakterielle Infektion
Tierexperimentelle Studien konnten eine Korrelation zwischen Endometriose und der Infektion der Gebärmutterschleimhaut mit Fusobakterien nachweisen.[2] Eine Behandlung mit den Antibiotika Metronidazol und Chloramphenicol ließ die Endometrioseherde schrumpfen und verhinderte die Entstehung von Endometriose. Eine Übertragung des Mausmodells auf den Menschen ist jedoch nur eingeschränkt möglich, da die Tiere keinen Menstruationsuyklus aufweisen und keine spontane Endometriose entwickeln.
Symptome
Die Symptomatik der Endometriose ist sehr variabel und reicht von völliger Beschwerdefreiheit bis hin zu schweren Verläufen mit starken Einschränkungen. Die Größe des Befunds und die Ausprägung der Symptome korrelieren dabei häufig nicht miteinander. Von der Endometriose betroffene Regionen wachsen wie auch das Endometrium unter Östrogeneinfluss. Dementsprechend sind die auftretenden Beschwerden häufig zyklusabhängig, können aber im Verlauf chronifizieren.
Typische Symptome bei Endometriose sind:
- Unterbauchschmerzen
- Hypermenorrhö, Dysmenorrhö, Menometrorrhagie, Spotting
- Dyspareunie, Sterilität
- Blasenbeschwerden, Dysurie, Pollakisurie, Mikrohämaturie
- Darmbeschwerden, Diarrhö, Obstipation, Dyschezie, Tenesmen, Hämatochezie
- Hämoptyse
Des Weiteren kann es durch Endometriome zu Beeinträchtigungen der Ovulation kommen. Verwachsungen führen zudem zu einem erhöhten Risiko für eine Extrauteringravidität sowie zu Obstipation und Harnstau mit teils schwerwiegenden Folgen wie einem Ileus oder Nierenversagen. Die potenzielle Entstehung einer Sterilität ist durch den Befall von Ovarien und Tuben bedingt.
Diagnostik
Bei Verdacht auf Endometriose sollte immer eine ausführliche allgemeine und gynäkologische Anamnese erfolgen, bei der insbesondere auch Voroperationen zu erfragen sind. Weiterhin gehören eine Untersuchung mit Spekulum sowie eine bimanuelle und rektale Palpation zur Standarddiagnostik. Mittels transvaginalem Ultraschall können ein vergrößerter Uterus oder Endometriome erkannt werden. Als Zusatzdiagnostik bzw. speziell bei V.a. Adenomyosis uteri kann weiterhin die Durchführung einer MRT hilfreich sein. Der Goldstandard zur Diagnosesicherung ist der histologische Nachweis. Dazu wird eine Gewebeprobe laparoskopisch aus den potenziellen Endometrioseherden entnommen. Das Verfahren kommt in der Regel zum Einsatz, wenn andere Krankheitsbilder ausgeschlossen wurden.
Durchschnittlich verstreichen bis zu 10 Jahre zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose.
Therapie
Durch medikamentöse und operative Therapien einer Endometriose, kann die Erkrankung in ihrer Ausprägung eingedämmt werden. Eine Heilung ist jedoch Stand heute (2022) nicht möglich. Ziel der Therapie sind eine Amenorrhö und der Entzug ovarieller Östrogene. Dies führt zu einer Verminderung der Läsionsaktivität und reduziert die Schmerzen und das uterine Volumen.
- 1.Wahl: Durch Gabe von Gestagenen (z.B. Dienogest) kann eine Atrophie der Endometrioseherde erreicht werden. Therapien mit Gestagenen sollten immer kontinuierlich gegeben werden, um eine zwischenzeitliche Stimulierung von Endometrioseherden zu vermeiden.
- 2. Wahl:
- GnRH-Analoga (z.B. Buserelin, Goserelin) können ebenfalls zur Therapie beitragen, da sie die Ovarien in einen Ruhezustand versetzen und so die zyklische Blutungsneigung der Endometriose unterbinden. Das hiermit verbundene Auftreten von Wechseljahresbeschwerden kann jedoch als sehr unangenehm empfunden werden.
- GnRH-Antagonisten
- Östrogen-Gestagen-Präparate (z.B. Dienogest-Ethinylestradiol)
- weitere Gestagentherapien
- 3. Wahl bei weiterhin starken Symptomen: Aromatasehemmer (z.B. Anastrozol, Letrozol)
Androgen-Derivate wie Danazol, das in Deutschland seit 2006 nicht mehr im Handel verfügbar ist, sind aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils obsolet.
Mit der medikamentösen Therapie kann ein narbiger Umbau der Endometriose mit folgendem Funktionsverlust der betroffenen Regionen vermindert bzw. verhindert werden.
Operativ lassen sich erreichbare Herde laparoskopisch abtragen. Bei Adhäsionen und Endometriomen kann eine Spaltung bzw. Ausschälung hilfreich sein. Eine Hysterektomie ist nur durchzuführen, wenn bei der Betroffenen kein Kinderwunsch (mehr) besteht. Je nach Organ können weitere Interventionen wie eine Laparotomie, Koloskopie oder Zystoskopie zur Entfernung von Endometriose-betroffenen Arealen eingesetzt werden. Postoperativ eignen sich GnRH-Analoga oder die kontinuierliche Gabe von Gestagenen als Rezidivprophylaxe.
Prognose
Die Erkrankung zeigt eine hohe Rate an Rezidiven, die mit bis zu 80 % angegeben wird. Eine Besserung tritt jedoch häufig nach der Menopause ein. Maligne Entartungen wurden lange Zeit untersucht, konnten bislang jedoch nicht nachgewiesen werden bzw. gelten als extrem selten. Eine Assoziation mit Ovarialkarzinomen ist jedoch bekannt. Die Endometriose zieht u.a. ein erhöhtes Risiko für klarzellige (CCOC), endometrioide (EnOC) und low-grade seröse Ovarialkarzinome (LGSOC) nach sich. Endometriose-assoziierte Ovarialkarzinome treten im Durchschnitt 10 Jahre früher auf als Ovarialkarzinome, die nicht mit einer Endometriose assoziiert sind.[3]
Podcast
Leitlinie
- AWMF, S2k-Leitlinie Endometriose, Stand 2020
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Bulletti, Carlo et al.: "Endometriosis and infertility". Journal of Assisted Reproduction and Genetics. 27 (8): 441–447. doi:10.1007/s10815-010-9436-1. ISSN 1573-7330. PMC 2941592 . PMID 20574791.
- ↑ Ayako Muraoka et al.: Fusobacterium infection facilitates the development of endometriosis through the phenotypic transition of endometrial fibroblasts.Sci. Transl.Med.15, eadd1531(2023).DOI:10.1126/scitranslmed.add1531
- ↑ Samartizis, E.P., Fink, D.; Endometriose-assoziierte Malignome; Gynäkologie 2018; 1: 10-14