Thalassämie
von altgriechisch: thalassa - Mittelmeer
Synonyme: Thalassaemia, Mittelmeeranämie, Leptozytose
Englisch: thalassemia
Definition
Thalassämien sind genetisch bedingte Störungen der Hämoglobinbildung, bei denen es zum Mangel bestimmter Proteinketten des Hämoglobin-Moleküls kommt.
ICD10-Ziffern
- D56: Thalassämie
- D56.0: α-Thalassämie
- D56.1: β-Thalassämie
- D56.2: δ/β-Thalassämie
- D56.3: Thalassämie-Erbanlage
- D56.4: Hereditäre Persistenz fetalen Hämoglobins (HPFH)
- D56.8: Sonstige Thalassämien
- D56.9: Thalassämie, nicht näher bezeichnet
Epidemiologie
Thalassämien kommen in West- und Nordafrika, ferner im Irak, Iran, auf der Arabischen Halbinsel, in der Schwarzmeerregion, sowie in Indien, Pakistan, Bangladesh, Afghanistan, Südchina und Südostasien vor. In Europa trifft man sie vor allem in Italien, Griechenland, Zypern und der Türkei an.
Die Verteilung entspricht etwa dem historischen Malariagürtel, da Thalassämien vor Malariainfektionen schützen und daher in Malariaregionen einen Selektionsvorteil bieten. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 400 Millionen Menschen weltweit ein β-Thalassämie-Gen tragen.
Pathophysiologie
Hämoglobin besteht bei einem gesunden erwachsenen Menschen zu über 95 % aus Hämoglobin A (HbA0). Dieses ist aus zwei α- und zwei β-Ketten aufgebaut (α2β2).[1]
Bei der Alpha-Thalassämie ist die Synthese der α-Ketten gestört, bei der Beta-Thalassämie die Synthese der β-Ketten. Ursächlich sind Deletionen oder Punktmutationen im α- oder β-Globin-Gen. Sowohl bei der Alpha-Thalassämie, als auch bei der Beta-Thalassämie hat dies zur Folge, dass HbA nur noch reduziert bis gar nicht mehr gebildet werden kann.
Stattdessen kommt es zur vermehrten Bildung des fetalen Hämoglobins (HbF). Bei der β-Thalassämie kommt zusätzlich zur gesteigerten Synthese von HbA2 und bei schweren Formen der α-Thalassämie zur Bildung pathologischer, instabiler Hämoglobinvarianten (HbH).[2][3]
Systematik
Thalassämien können nach dem zugrunde liegenden Defekt oder nach dem klinischen Schweregrad eingeteilt werden.
Defekte
Diese Einteilung richtet sich danach, welche Globinketten vermindert gebildet werden. Man unterteilt in:
- α-Thalassämien
- β-Thalassämien
- δ/β-Thalassämien
- δ-Thalassämien
- γ/δ/β-Thalassämien
Schweregrade
Die Schwere der Symptomatik hängt sowohl von der Art der Thalassämie als auch vom Vorliegen einer Homozygotie bzw. Heterozygotie für das Thalassämie-Gen ab.
Die folgende Einteilung richtet sich nach dem Schweregrad der Anämie. Man unterscheidet:
- Major-Form: Schwere Anämie
- Intermedia-Form: Mittelschwere Anämie
- Minor-Form: Leichte Anämie
- Minima-Form: Keine Anämie, asymptomatischer Genträger
Diagnostik
Neben einer ausführlichen Anamnese und einer körperlichen Untersuchung (inkl. palpatorischer und sonographischer Beurteilung der Milz und Leber) basiert die Basisdiagnostik vor allem auf Laborparametern.
Labor
Die Thalassämie zeigt die typischen Laborbefunde einer Anämie:
- verminderte Hämoglobin-Konzentration
- erniedrigter Hämatokrit
Im Blutbild findet sich das Bild einer hypochromen mikrozytären Anämie, d.h. MCV und MCH sind erniedrigt, Erythrozyten und Retikulozyten sind erhöht.[4][5]
Klinische Chemie
Die Laborparameter des Eisenstoffwechsels zeigen folgendes Muster:
- Serumferritin: erhöht
- Serumeisen: erhöht
- Eisenbindungskapazität (EBK): erniedrigt
- Transferrinsättigung: erhöht
- Osmotische Erythrozytenresistenz: erhöht
Weiterhin finden sich Hämolysezeichen:
- LDH: erhöht
- Bilirubin: erhöht
- Haptoglobin: erniedrigt
Hämoglobinelektrophorese
Eine Hämoglobin-Elektrophorese kann zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der Hämoglobin-Zusammensetzung (z.B. HbF, HbA2) durchgeführt werden.
Genanalyse
Darüber hinaus ist die Durchführung einer Genanalyse möglich.
Therapie
Bei der Minorform der Thalassämie ist keine Therapie notwendig. Bei der Intermedia-Form besteht inkonstanter Transfusionsbedarf. Die Major-Form erfordert die Hb-abhängige Gabe von Erythrozytenkonzentraten etwa alle 3 Wochen sowie eine Eiseneliminationstherapie ab dem 3. Lebensjahr mit Eisenchelatoren (Deferoxamin), um eine Eisenüberladung zu vermeiden. Alternativ ist eine Stammzelltransplantation möglich.
Quellen
- ↑ Hämoglobin - Charité, abgerufen am 27.10.2021
- ↑ Beta Thalassämie - Onkopedia, abgerufen am 27.10.2021
- ↑ Universitätsklinikum Heidelberg: α-Thalassämie, abgerufen am 27.10.2021
- ↑ Kommentar - IMD Institut für medizinische Diagnostik, Labor, abgerufen am 05.11.2021
- ↑ https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/h%C3%A4matologie-und-onkologie/h%C3%A4molytische-an%C3%A4mien/thalass%C3%A4mien Thalassämien - Hämatologie und Onkologie - MSD Manual Profi-Ausgabe], abgerufen am 05.11.2021
Literatur
- Laborlexikon.de, abgerufen am 08.02.2021
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