Tabanidae
Synonyme: Bremsen, Tabaniden
Definition
Vertreter der Familie der Tabanidae, auch als Bremsen bekannt, gehören zur Unterordnung Brachycera (Fliegen) und sind v.a. als Parasiten der Haussäugetiere von besonderer Bedeutung.
Taxonomie
- Stamm: Arthropoda
- ohne Rang: Mandibulata
Morphologie
Tabaniden sind kräftig gebaute, ca. 6 bis 25 mm lange Fliegen. Sie sind grau-schwarz, braun-gelblich oder grünlich gefärbt und zum Teil mit farbigen Flecken oder Binden versehen. Der Kopf von Bremsen ist breiter als lang und von oben gesehen annähernd dreieckig. Ein besonderes Merkmal von Tabaniden sind die großen Facettenaugen, die (beim lebenden Insekt) in verschiedenen Farben schillern und verschiedene Muster aufweisen können.
Beim Männchen stoßen in der Stirnlinie die Augen fast zusammen, wohingegen bei den Weibchen ein deutlich größerer Abstand zwischen beiden Augen liegt. Einige Arten besitzen zusätzlich noch 1 bis 3 kleine Stirnaugen (Ocellen). Die immer nach vorn gerichteten Antennen bestehen aus 3 deutlich erkennbaren Gliedern. Das oft vergrößerte apikale Glied trägt einen geringelten Griffel, der aus 4 bis 8 miteinander verschmolzenen Segmenten zusammengesetzt ist.
Bei den Weibchen sind die kurzen und kräftigen, nach unten abstehenden Mundwerkzeuge zum Schneiden, Raspeln und Saugen geeignet. Da männliche Bremsen nicht stechen, fehlen ihnen die entsprechenden Teile der Stechwerkzeuge (Maxillen).
Arten
Weltweit sind rund 4.000 Bremsenarten verbreitet, von denen etwa 165 in Europa vorkommen. In Österreich, Deutschland und in der Schweiz sind davon ca. 50 bis 60 Arten vertreten. Zu den in Mitteleuropa am häufigsten vorkommenden Arten gehören:
- Haematopota pluvialis (Regenbremse)
- Tabanus bovinus (Rinderbremse)
- Hybomitra spp.
- Chrysops caecutiens (Goldaugenbremse)
Vorkommen
Bremsen sind weltweit von gemäßigten Klimazonen bis in die Tropen und von Niederungsgebieten bis in hohe Berglagen (über 3.000 bis 5.000 m) verbreitet. Unter den in Mitteleuropa vorkommenden Arten sind v.a. Haematopota- und Tabanus-Arten die vorherrschenden Parasiten von Haussäugetieren.
Entwicklung
Tabaniden gehören zu den Orthorrhapha (Spaltschlüpfer), deren Imagines aus einem geraden und T-förmigen Spalt aus der Puppenhülle schlüpfen.
Die Entwicklung der Tabanidae verläuft vom Ei über mehrere Larvalstadien zu einer Puppe und letztendlich zu den Imagines (Adultform). Die Eier werden oft in mehrschichtigen Paketen von 100 bis 1.000 Stück in feuchte Erde (Haematopota spp. und einige Tabanus-Arten) oder auf Pflanzenteile am Rand von Gewässern (Hybomitra- und Chrysops-Arten) abgesetzt.
Aus den Eiern schlüpfen Larven, die sich innerhalb von 3 bis 6 Tagen nach dem Schlüpfen zweimal häuten. Anschließend dringen sie in den Schlamm von Gewässern oder in den Boden ein, wo sie monatelang verbleiben. In dieser Phase können sie überwintern, weitere Häutungen durchlaufen und sich räuberisch von Kleinlebewesen (Tabanus, Haematopota) oder von Pflanzenmaterial (Chrysops) ernähren. Die Larvenstadien schwanken - je nach Art - zwischen 5 und 11 und kann sogar innerhalb derselben Art variabel sein. Das letzte Larvenstadium ist stets zylindrisch geformt und segmentiert. Diese Larven haben am Vorderende hakenförmige Mandibeln und eine reduzierte Kopfkapsel (hemicephale Larve).
In den frühen Jahresmonaten begeben sich die Larven in trockenere Bereiche am Rande von Gewässern oder Feuchtstellen und verpuppen sich (Mumienpuppe) dicht unterhalb der Oberfläche. Nach einer 1 bis 4-wöchigen Puppenruhe schlüpfen aus ihnen die Imagines. Die Entwicklung vom Ei bis zum Imago dauert in Mitteleuropa etwa 1 Jahr, kann sich jedoch auch über 2 bis 3 Jahre erstrecken.
Epidemiologie
Bei geeigneten Temperaturen formieren sich die Männchen (meist in den Morgenstunde) zu Schwärmen und begatten dabei die Weibchen im Fluge oder auf Pflanzen. Die adulten Stadien (Imagines) sind von Mitte Mai bis Mitte Oktober aktiv, kann jedoch bei den einzelnen Gattungen unterschiedlich lang sein. Der Großteil der Arten tritt erst ab Juni in größeren Populationsdichten auf (Höhepunkt im Juli/August).
Die Mehrzahl der Tabanidenarten sind tagaktiv, nur wenige nachtaktiv. Durch meteorologische Faktoren (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtintensität) wird die Tagaktivität stark beeinflusst. Herrschen kühlere Bedingungen vor (<13 °C), bleiben die Bremsen inaktiv und halten sich an Ruheplätzen auf. Als besonders günstige Bedingungen gelten für viele Arten sonnige, warme (>20 °C), windarme Tage bei niedriger relativer Luftfeuchte (<60 bis 70 %). Im Gegensatz dazu können Regenbremsen (Haematopota spp.) auch bei bedecktem Himmel, bei Gewitterschwüle und leichtem Regen sehr aktiv sein. Im zeitlichen Verlauf eines Tages entfalten die Tabaniden ihre Hauptaktivitäten meist vom späten Vormittag bis zum frühen Nachmittag, einige Arten können aber auch in den Morgen- und Abendstunden aktiv sein.
Sowohl Männchen als auch Weibchen sind obligat auf kohlenhydrathaltige Säfte (Nektar, Baumsäfte) sowie Wasser angewiesen. Nach der Begattung benötigen die Weibchen der meisten Arten eine Blutmahlzeit, da Protein zur Eireifung erforderlich ist. Aus diesem Grund suchen sie alle 2 bis 3 Tage einen Wirt auf. Ihre Lebensdauer beträgt im Mittel 3 bis 4 Wochen. Männchen sind im Gegensatz zu den Weibchen nicht hämatophag und sterben bald nach der Kopulation.
Weibchen bevorzugen hauptsächlich Ungulaten sowie andere größere Säugetiere als Wirte. Manchmal befallen sie auch Vögel. Menschen werden hauptsächlich von Haematopota- und Chrysops-Arten angegriffen. Die Weibchen orten ihre Wirte vorwiegend visuell, teils aber auch olfaktorisch und suchen zum Blutsaugen besonders folgende Körperpartien auf: Kopf, Hals, Rücken, seitliche Bauchwand (Chrysops-Arten) oder Flanken, Unterbrust und Bauch, Euter, Gliedmaßen (Tabanus- und Hyomitra-Arten). Haematopota-Arten zeigen keine besonderen Präferenzen.
Tabaniden fliegen in Stallungen nicht ein, sodass sie auch nur selten in Unterständen für Weidetiere aktiv anzutreffen sind.
Pathogenese
Tabanidenweibchen schneiden mit ihren großen und messerblattförmigen Mundwerkzeugen in die Haut eine Wunde, in die sie anschließend antikoagulierenden Speichel injizieren. Auf diese Weise bildet sich im verletzten Gewebe eine kleine Blutansammlung, aus der die Bremsen Blut aufsaugen. Tiefe und schmerzhafte Stiche sind oftmals von Quaddelbildung begleitet und führen zur Belästigung, die bei Weidetieren erhebliche Grade erreichen können. Die dadurch entstandenen Störungen führen zu einer verminderten Futteraufnahme sowie Leistungseinbußungen, die an einem deutlichen Milchrückgang bemerkbar sind.
Die von einem Tabanidenweibchen aufgenommene Blutmenge ist von der Größe des Insekts abhängig und schwankt deshalb zwischen 20 und 200 mg. Es können jedoch auch Extremwerte von 500 bis 700 mg beobachtet werden. So können bei Anflugraten von 50 Bremsen pro Stunde (Durchschnitt in Mitteleuropa) in 6 Stunden bis zu 60 ml Blut verloren gehen. Da die Blutverluste jedoch häufig geringer sind, haben sie bei gesunden Rindern keine messbaren Folgen. Hinzu kommt jedoch, dass das aus den Stichwunden austretende Blut zusätzliche Blut leckenden Insekten anlockt, die eine zusätzliche Belästigung für den Wirt darstellen.
Vektorfunktion
Sowohl unter experimentellen als auch unter natürlichen Bedingungen können Tabaniden zahlreiche Erreger übertragen azyklisch (mechanisch) oder zyklisch übertragen. Eine azyklische Übertragung wird v.a. dadurch begünstigt, dass ein Teil der Weibchen bei Abwehrreaktionen des Wirtes die Blutaufnahme unterbricht und unmittelbar danach denselben oder einen anderen Wirt aufsucht, meist jedoch im näheren Umkreis (unter 100 m). Im Anschluss an die Blutaufnahme bleibt an den Mundwerkzeugen ein Blutfilm haften, in dem im Wirtsblut vorhandene Erreger eine gewisse Zeit überleben.
Die Übertragungseffizienz ist von der Erregerdichte im Blut, der Überlebensdauer der Erreger und weiteren Faktoren abhängig. Tabaniden übertragen (azyklisch) beim Menschen die Erreger des Milzbrandes (Bacillus anthracis), der Weil-Krankheit (Leptospira interrogans) und der Tularämie (Francisella tularensis). Zusätzlich können auch Helminthen, wie z.B. Loa loa auf den Menschen übertragen werden.
Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl an veterinärmedizinisch relevanten Erregern, die durch Tabanidae übertragen werden können.
Azyklische Übertragung | |
---|---|
Viren | Equine infectious anemia virus (Equine infektiöse Anämie, EIA) |
Bakterien | Anaplasma marginale (Anaplasmose des Rindes) |
Francisella tularensis (Tularämie) | |
Protozoen | Trypanosoma brucei evansi (Surra des Wiederkäuers) |
Trypanosoma brucei equinum (Trypanosomose des Pferdes) | |
Trypanosoma vivax (Nagana des Wiederkäuers) | |
Zyklische Übertragung | |
Protozoen | Trypanosoma theileri (Trypanosomose des Rindes) |
Helminthen | Loa loa (Loiasis) |
Diagnose
Bekämpfung
Die Tabanidenbekämpfung bei Rindern und Pferden beruht weitgehend auf dem Einsatz von Insektiziden. Beim Rind können insektizidhaltige Ohrmarken sowie Pour-on-Präparate angewendet werden. Bei Pferden empfiehlt es sich ein mechanischer Schutz zu verwendet (z.B. Kopfhaube). Zusätzlich können die Tiere mit pyrethroidhaltigen Präparaten oder Repellentien geschützt werden.
Literatur
- Eckert, Johannes, Friedhoff, Karl Theodor, Zahner, Horst, Deplazes, Peter. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Enke Verlag, 2008.
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