Otitis media acuta
Synonyme: Akute Mittelohrentzündung
Definition
Die Otitis media acuta ist die plötzlich auftretende Form der Mittelohrentzündung, die infektiös bedingt ist.
Pathogenese
Eine akute Mittelohrentzündung entsteht in den meisten Fällen durch Verschleppung von Krankheiterregern aus dem Nasopharynx in das Mittelohr. Als Durchgangsweg dient hierbei die Tuba auditiva. Vorhandene adenoide Vegetationen, die den Tubeneingang im Rachen verlegen, prädisponieren besonders Kinder im Vorschul- und Schulalter für eine Otitis media acuta.
Weitaus seltener entstehen akute Mittelohrentzündungen hämatogen oder aufgrund eines Defekts im Trommelfell.
Erregerspektrum
Sowohl Bakterien als auch Viren können Erreger einer Otitis media acuta sein. Bei primär rein viralen Infektionen kommt es häufig zu einer bakteriellen Superinfektion.
- Bakterielle Erreger
Bei Erwachsenen dominieren Infektionen mit β-hämolysierenden Streptokokken. Bei Kindern finden sich häufiger gemischte Infektionen.
- Virale Erreger
- Herpesviren (z.B. HSV, CMV)
- Influenzavirus
Klinik
Betroffene Patienten leiden unter stechenden Schmerzen im Ohr, Ohrklopfen (häufig pulssynchron) und einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Begleitend finden sich als Ausdruck der Entzündung, Fieber und Abgeschlagenheit.
Bei der Ohrmikroskopie zeigen sich charakteristische Befunde des Trommelfells, die im Rahmen des Entzündungsgeschehen sequentiell aufeinanderfolgen:
- Vermehrte Gefäßzeichnung, zunächst zentral am Hammergriff, später radiär ausstrahlend auch in der Peripherie des Trommelfells.
- Rötung des Trommelfells und Trübung der Oberfläche, Verstreichen des Lichtreflexes, Vorwölbung in den äußeren Gehörgang
Die Entzündung heilt in der Folge bei adäquater Therapie unter Rückbildung der Trommelfellveränderungen ab oder es kommt spontan zur Perforation des Trommelfells und Abfluss des eitrigen (bakteriell) oder serös-blutigen (viral) Sekrets (Otorrhö). Der entstehende Trommeldefekt ist sehr klein und verschließt sich in der Regel ohne größere Narbenbildung innerhalb weniger Tage.
Nach dem Sekretabfluss verschwinden die Schmerzen schlagartig, das Allgemeinbefinden bessert sich entsprechend stark.
Komplikationen
Die wichtigste und häufigste Komplikation einer unbehandelten Otitis media acuta ist die Mastoiditis. Langanhaltendes, hohes Fieber und das Auftreten von Erbrechen oder Bewusstseinsstörungen, bzw. Lokalsymptome wie die Schwellung des Mastoids sind Warnsymptome, die auf eine Ausbreitung der Infektion in die umgebenden Gewebe hindeuten.
Differentialdiagnosen
Vor allem bei Erwachsenen sollten differentialdiagnostisch folgenden Erkrankungen bedacht werden:
- Zoster oticus im Rahmen eines Herpes zoster
- Nasenrachenraum-Karzinom
- juveniles Angiofibrom
Therapie
Antibiotische Therapie
Im Vordergrund steht die orale Gabe eines wirksamen Antibiotikums. In Anbetracht des Erregerspektrums kommen dabei vor allem folgende Substanzen in Frage:
- Beta-Laktam-Antibiotikum
- Penicillin V
- Amoxicillin (evtl. in Kombination mit Clavulansäure)
- Cefuroxim
- Makrolid
Die Gabe sollte dabei ausreichend lange (4-5 Tage) und hochdosiert erfolgen. Bei drohenden oder bereits bestehenden Komplikationen sollte auf eine intravenöse Applikation (z.B. Ampicillin + Sulbactam) gewechselt werden.
Bei der Therapie sollte berücksichtigt werden, das eine Otitis media acuta häufig spontan ausheilt. Bei Kindern, die älter als 6 Monate sind, wird von einigen Autoren deshalb empfohlen, zunächst 2 Tage abzuwarten und erst bei persistierenden Beschwerden antibiotisch zu behandeln.
Weitere Maßnahmen
Der Patient sollte sich körperlich schonen und Bettruhe einhalten. Zur Fiebersenkung kann ein Antipyretikum (z.B. Paracetamol), zur Entzündungshemmung ein Antiphlogistikum (z.B. Diclofenac, Ibuprofen) verabreicht werden. Diese Medikamente wirken gleichzeitig analgetisch, so dass auch die Ohrenschmerzen gelindert werden.
Die Anwendung von Wärme am Ohr (zum Beispiel durch eine Wärmflasche) bei der akuten Otitis media wird uneinheitlich beurteilt. Während sie von manchen Autoren zur Symptomlinderung empfohlen wird, spricht sich die Leitlinie der DEGAM gegen eine Wärmeanwendung aus.[1][2][3]
Bei noch bestehender Otitis media acuta sollten forcierte Belüftungen des Mittelohres, beispielsweise durch das Valsalva-Manöver zur Vermeidung der Verschleppung weiterer Erreger gemieden werden. Zur Verbesserung der Belüftung des Mittelohrraumes können abschwellende Nasentropfen (z.B. Xylometazolin) verwendet werden. Ohrentropfen sind in der Regel nutzlos.
Eine Parazentese sollte nur bei therapieresistenten Fällen mit fehlender Besserung des Fiebers und der Schmerzen und ausbleibender Spontanperforation durchgeführt werden. Bei beginnenden Komplikationen ist eine Parazentese ebenfalls indiziert.