Pickwick-Syndrom
Synonyme: Obesitas-Hypoventilationssyndrom, Adipositas-Hypoventilationssyndrom, kardiopulmonales Syndrom der Adipösen
Englisch: Pickwickian syndrome, obesity hypoventilation syndrome (OHS)
Definition
Als Pickwick-Syndrom bezeichnet man ein adipositasbedingtes Hypoventilationssyndrom, das durch die Kombination aus einem BMI ≥ 30, einer schlafbezogenen Atmungsstörung und einer Hyperkapnie am Tag gekennzeichnet ist. Die auftretende alveoläre Hypoventilation ist definitionsgemäß nicht durch neuromuskuläre, mechanische oder metabolische Störungen erklärbar.
Ätiologie
Die Ursache des Pickwick-Syndroms ist eine Adipositas mit ausgeprägten abdominellen, thorakalen und zervikalen Fettgewebsablagerungen.
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des Pickwick-Syndroms ist komplex und nicht abschließend geklärt (Stand 2023). Zum einen führt die Kompression durch das Fettgewebe zu Veränderungen des respiratorischen Systems im Sinne einer restriktiven Ventilationsstörung. Es kommt zu einer Verringerung der Lungencompliance sowie zu einer Abnahme der funktionellen Residualkapazität und des exspiratorischen Reservevolumens. Außerdem erhöht sich der Widerstand der unteren Atemwege. Die Folge ist eine gesteigerte Atemarbeit.
Um diese Belastungen zu kompensieren, ist ein erhöhter zentraler Atemantrieb erforderlich. Dieser kann von den Betroffenen insbesondere während des REM-Schlafs nicht aufrechterhalten werden.
Des Weiteren wird der Einfluss einer zentralen Leptinresistenz diskutiert. Das Adipokin Leptin wird von Adipozyten freigesetzt und erhöht u.a. die Erregbarkeit respiratorischer Neurone durch die Aktivierung von Leptinrezeptoren im Hypothalamus und Hirnstamm. Darüber hinaus stimuliert es die Ventilation. Patienten mit Adipositas können eine Leptinresistenz entwickeln, was wiederum eine verminderte Atemstimulation bedingen kann.
Insgesamt kommt es zu einer alveolären Hypoventilation, die eine chronische Hyperkapnie verursacht. Diese führt wiederum zu einer Störung der zentralen Atemregulation mit einem verminderten Atemantrieb. Begleitend kommt es zu einer Hypoxämie, die eine gesteigerte Erythropoese zur Folge hat.
Klinik
- Körperliche Abgeschlagenheit
- Tagesmüdigkeit
- Kopfschmerzen
- Dyspnoe
Komplikationen
- Rechtsherzinsuffizienz mit Hyperkapnie und Hypoxie bis zum hyperkapnischen Atemversagen
- sekundäre Pulmonale Hypertonie bis hin zum Cor pulmonale aufgrund der hypoxischen Vasokonstriktion der Lungengefäße
Diagnostik
Die Basisdiagnostik besteht aus der körperlichen Untersuchung und einer arteriellen Blutgasanalyse (BGA). In der BGA zeigt sich eine Hyperkapnie mit einem Kohlendioxidpartialdruck von > 45 mmHg, eine Hypoxämie und eine respiratorische Azidose. Im Blutbild fällt eine Polyglobulie auf.
Die weiterführende Diagnostik beinhaltet die Polysomnographie. Bei den meisten Patienten findet sich ein obstruktives Schlafapnoesyndrom, seltener andere Störungen.
Zum differentialdiagnostischen Ausschluss einer pulmonalen oder kardialen Ursache und unter der Fragestellung möglicher Komplikationen sind darüber hinaus indiziert:
- (Langzeit-)Blutdruckmessung
- Labordiagnostik mit Bestimmung der Blutfettwerte (HDL, LDL, Triglyceride)
- EKG
- Echokardiographie
- Röntgen-Thorax
- Lungenfunktionstest
Therapie
Die Behandlung des Pickwick-Syndroms besteht in einer konsequenten Gewichtsreduktion. Wenn möglich, sollte eine alternative Schlafposition zur Rückenlage angestrebt werden. Zur Atemunterstützung kommt die nächtliche CPAP-Therapie über die Nasenmaske zum Einsatz, um die Atemwege offenzuhalten und die Anreicherung von Kohlendioxid zu verringern. Die nicht-invasive Beatmung (NIV) wird beim akuten hyperkapnischen Atemversagen angewendet.
Wichtig ist außerdem die Behandlung von kardialen, pulmonalen und metabolischen Begleiterkrankungen.
Trivia
Der Begriff Pickwick-Syndrom leitet sich von der Romanfigur Little Joe in Charles Dickens "Die Pickwickier" ab.
Literatur
- Masa et al., Obesity hypoventilation syndrome, European Respiratory Review, 2019
- Pschyrembel – Pickwick-Syndrom, abgerufen am 10.05.2022
um diese Funktion zu nutzen.