Neuroleptanalgesie
Englisch: neuroleptanalgesia
Definition
Die Neuroleptanalgesie ist eine anästhesiologische Methode, die den Patienten in einen Zustand psycho-vegetativer Gleichgültigkeit und hoher Schmerztoleranz versetzt. Die Neuroleptanalgesie wird mit einem hochpotenten Opioid und einem hochdosierten Neuroleptikum erreicht.
Wenn die Neuroleptanalgesie mit Lachgas supplementiert wird, spricht man von einer Neuroleptanästhesie. Beide Verfahren werden heute (2025) in der Humanmedizin praktisch nicht mehr angewendet.
Geschichte
In den 1940er Jahren erfanden Laborit and Huygenard den lytischen Cocktail – "cocktail lytique". Dieser bestand aus Chlorpromazin, Promethazin und Pethidin. Sie nannten den Zustand, den der Cocktail lytique herbeiführte, "Neuroplegie". Das war die Geburtsstunde der eigentlichen Neuroleptanalgesie und später der Neuroleptanästhesie. Wenige Jahre später wurde das eher schwache Pethidin mit dem hochpotenten Fentanyl ersetzt und statt Chlorpromazin setzte man das Butyrophenon Droperidol ein.
Pharmakologie
Die klassische Neuroleptanalgesie besteht aus Fentanyl und Droperidol. Beide Medikamente wurden sehr hoch dosiert (bis zu 15 mg Droperidol und 0,5 mg Fentanyl im Bolus). Mit Droperidol erreichte man eine psychomotorische Dissoziation und vegetative Dämpfung, aber keine Bewusstlosigkeit. Hochdosiertes Fentanyl sorgte für starke Analgesie und hohe Toleranz gegen schmerzhafte Stimuli.
Neuroleptanästhesie
Droperidol ist ein hochpotentes Antipsychotikum und erzeugt eine mittelstarke Sedierung. Mit Droperidol alleine konnte man keine ausreichende Hypnose oder gar eine Bewusstlosigkeit herbeiführen. Die Neuroleptanalgesie nur mit Fentanyl und Droperidol war nicht ausreichend, um größere Operationen durchzuführen.
Deswegen wurde als zusätzliches Narkotikum N2O (Lachgas) hinzugefügt. Diese Dreifachkombination nannte man die Neuroleptanästhesie. Lachgas in Kombination mit Droperidol und Fentanyl erzeugte in den meisten Fällen eine suffiziente Bewusstlosigkeit und Amnesie. Trotzdem waren die Narkosen oft zu flach und die Patienten erlebten die sogenannte "intraoperative Wachheit" – einen Zustand herabgesetzter Bewusstlosigkeit (sog. Awareness).
Bei entsprechender Indikation wurden die Patienten auch relaxiert, meistens mit dem langwirksamen Pancuronium.
Anwendung
Die Neuroleptanästhesie wird heute (2025) in der Humanmedizin praktisch nicht mehr angewendet, da die hochdosierte Anwendung von Neuroleptika aufgrund der modernen Alternativen (insbesondere Propofol, Benzodiazepine oder Ketamin) obsolet ist. "Modifikationen" der Neuroleptanalgesie bzw. -anästhesie, z.B. in der Neurochirurgie an wachen Patienten oder in der Ophthalmologie, werden in aller Regel nicht mehr mit Neuroleptika durchgeführt, sondern durch heute gebräuchliche Formen der Analgosedierung oder die TIVA ersetzt.
Modifikation
Später wurden den klassischen Komponenten intravenöse Hypnotika wie Midazolam hinzugefügt. Midazolam potenziert die Bewusstlosigkeit und erzeugt eine profunde Amnesie. Es gab auch Modifikationen mit Alfentanil oder Remifentanil statt Fentanyl.
Kontraindikation
- Einnahme von MAO-Hemmern
- Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
- Morbus Parkinson
Vor- und Nachteile
Vorteile
Der größte Vorteil der Neuroleptanalgesie und der Neuroleptanästhesie war die kardiovaskuläre Stabilität (vor allem wegen Verzicht auf Äther und Barbiturate). Außerdem zeigt Droperidol antiarrhythmische Wirkung und senkt den Blutdruck durch den Antagonismus an den Alpha-Rezeptoren.
Die Neuroleptanalgesie war auch die erste erfolgreich angewandte Form der intravenösen Anästhesie und die Neuroleptanästhesie die der balancierten Anästhesie.
Nachteile
Weil die Dosen der jeweiligen Komponenten so hoch waren, kam es oft zu postoperativen Überhängen. Die Aufwachzeiten waren lang und die Patienten mussten streng überwacht werden. Gerade Fentanyl kann noch Stunden nach der letzten Gabe eine Remorphinisierung auslösen. Darunter versteht man die Rückverteilung eines lipophilen Opioids aus den peripheren (Fett) in die zentralen Kompartimente (Blut). Eine Fentanyl-induzierte Remorphinisierung kann vom Patienten unbemerkt in einer letalen Atemdepression enden, dem "silent death".
Wegen der sehr hohen Droperidoldosen kam es oft zu massiven Blutdruckabfällen.
Weil Droperidol, auch in Kombination mit Lachgas, keine sichere Bewusstlosigkeit erzeugt, war die intraoperative Wachheit kein seltenes Problem. In einigen Fällen hatten Patienten sogar Erinnerungen an die Gespräche während der OP.