Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis
Synonyme: NMDA-Rezeptor-Enzephalitis, NMDAR-Enzephalitis, N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor-Enzephalitis
Englisch: Anti-NMDA receptor encephalitis, NMDA receptor antibody encephalitis, anti-NMDAR encephalitis
Definition
Bei der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis handelt es sich um eine Autoimmunenzephalitis mit Nachweis von Antikörpern gegen den NMDA-Rezeptor (NMDAR).
Epidemiologie
Genaue Daten zur Prävalenz der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis liegen derzeit (2022) nicht vor. Etwa 80 % der Erkrankten sind weiblich. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 23 Jahren.
Ätiologie
Bei der NMDA-Rezeptor-Enzephalitis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Der Körper bildet dabei IgG-Antikörper gegen die GluN1-Untereinheit des NMDA-Rezeptors. Die Antikörperbindung blockiert die Interaktion zwischen NMDAR und EphB2, sodass der Rezeptor internalisiert wird.[1][2] Betroffen sind insbesondere exzitatorische und inhibitorische Neurone des Hippocampus.
In 50 % d.F. liegt ein Tumor zugrunde (v.a. Ovarialteratome), so dass die Enzephalitis hier als paraneoplastisches Syndrom angesehen werden kann. Dabei soll das Teratom Nervengewebe enthalten, wobei während der Apoptose der Tumorzellen entsprechende Antigene freigesetzt werden, die zur Antikörperbildung führen.
Des Weiteren entwickeln ca. 20 % der Patienten mit Herpes-simplex-Enzephalitis Antikörper gegen NMDAR. In den anderen Fällen bleibt die Ursache unklar (idiopathisch).
Klinik
Die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis beginnt i.d.R. mit unspezifischen, grippenähnlichen Prodromi, z.B.
Nach ca. einer Woche rücken psychiatrische Symptome in den Vordergrund, die große Ähnlichkeit zu denen der Schizophrenie aufweisen:
- Psychosen, Wahn, Halluzinationen
- Agitation
- Verwirrtheit
- Angst
- bizarres Verhalten
Nach durchschnittlich weiteren 3 Wochen treten bei fast allen Patienten neurologische Symptome hinzu:
- epileptische Anfälle
- motorische Störungen, Choreoathetose, orofaziale Dyskinesien
- Dysphagie
- Sprachstörungen
- Sehstörungen
- Paresen
- Hypoventilation
- autonome Dysfunktion: Herzrhythmusstörungen, Dysregulation von Blutdruck- und Körpertemperatur
Auch ein Late-onset-Autismus kann als Symptomvariante auftreten.[3]
Diagnostik
Bei der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis können die Antikörper im Liquor oder im Serum nachgewiesen werden. Die Liquoranalyse wird aufgrund der höheren Sensitivität bevorzugt.[4] Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG), z.B. sog. "extreme delta brush", können auftreten.[5] Pathologische Befunde in der kranialen Magnetresonanztomographie (cMRT) zeigen sich nur bei der Hälfte der Betroffenen.
Differenzialdiagnosen
Neben der Schizophrenie stellt die limbische Enzephalitis eine wichtige Differenzialdiagnose dar. Bei dieser Autoimmunenzephalitis können Antikörper u.a. gegen AMPAR, GABA-B-Rezeptor, LGI1 oder CASPR2 vorliegen. Weiterhin existieren z.B. Enzephalitiden mit Anti-mGluR5- oder Neurexin-3α-Antikörpern.
Therapie
Bei der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis werden therapeutisch Immunsuppressiva verabreicht. Am häufigsten kommen Glukokortikoide und intravenöse Immunglobuline (IVIG) zum Einsatz. Findet man einen Tumor, sollte dieser entfernt werden. Mittels Plasmapherese können die Anti-NMDA-Rezeptor-Antikörper temporär aus dem Blut entfernt werden.
Weiterhin kommen Rituximab und Cyclophosphamid zum Einsatz. In schweren Fällen kann Bortezomib verabreicht werden, wobei die Effektivität umstritten ist.[6][7]
Prognose
Trivia
Literatur
- Kayser MS, Dalmau J Anti-NMDA receptor encephalitis, autoimmunity, and psychosis, Schizophr Res. 2016;176(1):36-40, abgerufen am 07.08.2020
- Josep Dalmau etbal.: Anti-NMDA-receptor encephalitis: case series and analysis of the effects of antibodies. In: The Lancet Neurology. Vol. 7, Dezember 2008, S. 1091–1098.
- Josep Dalmau, E. Lancaster, E. Martinez-Hernandez, M. R. Rosenfeld, R. Balice-Gordon: Clinical experience and laboratory investigations in patients with anti-NMDAR encephalitis. In: The Lancet Neurology. Band 10, Nummer 1, Januar 2011.
Quellen
- ↑ Dalmau J NMDA receptor encephalitis and other antibody-mediated disorders of the synapse, Neurology. 2016 Dec 6; 87(23): 2471–2482, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ Dalmau J et al. Anti-NMDA-receptor encephalitis: case series and analysis of the effects of antibodies, Lancet Neurol. 2008;7(12):1091-1098, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ Creten C et al. Anti-NMDA-receptor encephalitis: a new axis-III disorder in the differential diagnosis of childhood disintegrative disorder, early onset schizophrenia and late onset autism, Tijdschr Psychiatr. 2012;54(5):475-479, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ Gresa-Arribas N et al. Diagnosis and significance of antibody titers in anti-NMDA receptor encephalitis, a retrospective study, Lancet Neurol. 2014 Feb; 13(2): 167–177, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ Schmitt SE et al. Extreme delta brush: a unique EEG pattern in adults with anti-NMDA receptor encephalitis, Neurology. 2012;79(11):1094-1100, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ Scheibe F et al. Bortezomib for treatment of therapy-refractory anti-NMDA receptor encephalitis, Neurology. 2017;88(4):366-370, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ Yong-Won Shin et al. Bortezomib treatment for severe refractory anti-NMDA receptor encephalitis, Ann Clin Transl Neurol. 2018;5(5):598-605, abgerufen am 07.08.2020
- ↑ M. J. Titulaer MJ et al. Treatment and prognostic factors for long-term outcome in patients with anti-NMDA receptor encephalitis: an observational cohort study, Lancet Neurol. 2013;12(2):157-165, abgerufen am. 07.08.2020
- ↑ Josep Dalmau, Tüzün Erdem, Wu HaiYan et al.: Paraneoplastic anti-N-methyl-D-aspartate receptor encephalitis associated with ovarian teratoma. In: Annals of Neurology. Vol. 61 / 1, 2007, pp. 25–36
- ↑ Prüss H. et al.: Anti-NMDA Receptor Encephalitis in the Polar Bear (Ursus maritimus) Knut. In: Nature Scientific Reports, 2015, doi:10.1038/srep12805