Schleudertrauma
Synonyme: Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (HWS-BT), Peitschenschlagsyndrom, HWS-Distorsion, Halswirbelsäulendistorsion
Englisch: whiplash injury
Definition
Ein Schleudertrauma ist eine traumatisch bedingte Weichteilverletzung im Bereich der Halswirbelsäule.
Ursachen
Zu den häufigsten Ursachen eines Schleudertraumas gehören Verkehrsunfälle. In der Regel handelt es sich dabei um Auffahrunfälle. Daneben spielen Sport- und Freizeitunfälle eine Rolle, vor allem Kampfsportarten.
Symptome
Die Symptome des Schleudertraumas treten in der Regel nach einer gewissen Latenzzeit auf, die interindividuell sehr unterschiedlich ist und einige Stunde bis Tage betragen kann. Zu den typischen Symptomen zählen:
- Schmerzen im Nacken (ggf. mit Ausstrahlung in den Okzipitalbereich)
- Steifheitsgefühl im Nacken
- Kopfschmerzen
- Schwindel
Die Ausprägung bzw. Stärke dieser Symptome ist sehr variabel. Zusätzlich können auftreten:
- Schluckstörungen
- Schlafstörungen
- Seh- und Hörstörungen (Tinnitus)
- Hypästhesie bzw. Parästhesien im Bereich des Gesichts und der oberen Extremität
In schweren Fällen sieht man weitere neurologische Symptome, wie Vigilanzstörungen, Desorientiertheit oder Gangunsicherheit.
Einteilung
Zur Unterscheidung der Schweregrade wird häufig die Klassifikation der Québec Task Force (QTF) genutzt.[1]
Grad | Klinik |
---|---|
0 | keine Beschwerden, keine Symptome |
I | Nackenbeschwerden, Steifheit des Nackens |
II | Nackenbeschwerden und Muskelverspannung, Bewegungseinschränkung |
III | Nackenbeschwerden und neurologische Befunde |
IV | Nackenbeschwerden und Fraktur oder Dislokation |
Therapie
Die Therapie des Schleudertraumas ist in der Regel konservativ. Die lange Zeit beliebte Anwendung einer Halskrawatte (Schanz'sche Krawatte) wird mittlerweile nicht mehr empfohlen, da eine zu lange Ruhigstellung zu Funktionseinschränkungen der Halsmuskulatur führt. Statt dessen kommen physiotherapeutische Maßnahmen mit aktiven Bewegungsübungen zum Einsatz.
Eine intensive Aufklärung und Beratung des Patienten wirkt dabei einem Vermeidungsverhalten entgegen und kann die Chronifizierung verhindern.[2]
DGN-Leitlinie
Die S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) enthält u.a. folgende Therapieempfehlungen:[3]
- fast immer konservativ, allenfalls einige Tage immobilisierend, dann aktivierend; aktive Einbeziehung des Patienten in die Therapie
- ausreichende, aber befristete (üblicherweise nicht länger als 4 Wochen) Analgesie, z.B. auch mit nicht steroidalen Antirheumatika (z.B. Paracetamol 1,5 g/d, ASS 1 g/d, Diclofenac 150 mg/d, Ibuprofen 600 mg/d, Naproxen 1 g/d). Bei Chronifizierung schmerzmodulierende Medikation wie Antidepressiva (z.B. Amitriptylin 25–150 mg/d); auch Lidocain i.m. Die Dosierungen sind individuell anzupassen.
- ggf. zusätzliche, befristete (üblicherweise nicht länger als 2 Wochen) Gabe von Muskelrelaxanzien oder ausnahmsweise Methylprednisolon (innerhalb von 8 Stunden für wenige Tage, auch i.v.). Die Dosierungen sind individuell anzupassen.
- ggf. lokale Wärme oder "Cold-Pack", Massagen, Elektrotherapie, später aktive Bewegungs- und Lockerungsübungen
- bei neurologischen Ausfällen gezielte Physiotherapie und engmaschige Kontrolle
- konsequente psychische Führung (Psychoedukation) unter Hinweis auf die fast immer günstige Prognose, im Bedarfsfall engmaschige Wiedervorstellungen
- bei kompliziertem Verlauf, insbesondere drohender Chronifizierung, erweiterte fachärztliche Anamnese bezüglich psychosozialer Belastungsfaktoren und zusätzlicher oder bereits vor dem Trauma bestehender Körpersymptome, um eine somatoforme Schmerzstörung oder eine auf den Unfall bezogene psychoreaktive Störung frühzeitig erkennen und ggf. multimodal unter Einbeziehung psychotherapeutischer Verfahren behandeln zu können
- Krankschreibungen nur kurzfristig (zunächst max. 3 Wochen), notfalls wiederholt, basierend auf körperlichen Befunden und dem Einzelfall angepasst
- bei schwerwiegenden Verletzungen des Zentralnervensystems (Querschnittsymptomatik) neurochirurgisches Konsil
- bei schwerwiegenden Verletzungen des Bewegungsapparats (Fraktur, erhebliche Instabilität) orthopädisches Konsil
- bei komplexerer und langanhaltender Symptomatik multimodale und interdisziplinäre Therapie nach stringentem Konzept, z.B. Kombination von Antidepressiva, kognitiver Verhaltenstherapie und Physiotherapie oder Koordinationsübungen
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Podcast
Quellen
- ↑ Spitzer WO, Skovron ML et al.: Scientific Monograph of the Quebec Task Force on Whiplash-Associated Disorders, Redefining Whiplash and its Management. Spine 1995;20(8 Suppl):1S-73S.
- ↑ Chronisches Schleudertrauma: Kurze Beratung und Physiotherapie gleichwertig, Deutsches Ärzteblatt, News Medizin (04.04.2014)
- ↑ Online-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (Entwicklungsstufe: S1, Stand: September 2012)
Bildquelle
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