Gefleckter Schierling
Englisch: (poison) hemlock
Definition
Der Gefleckte Schierling ist eine giftige Pflanzenart aus der Familie der Doldenblütengewächse (Apiaceae). Die botanische Bezeichnung lautet Conium maculatum.
Synonyme
- Trivialnamen: Fleckenschierling, Echter Schierling, Mäuseschierling, Vogeltod, Würgling, Wüterich sowie zahlreiche weitere, regionale Volksnamen
- wissenschaftliche Synonyme (veraltet): unter anderem Cicuta maculata, Conium cicuta, Selenium conium
Merkmale
Der Gefleckte Schierling ist eine zweijährige Pflanze und erreicht eine Wuchshöhe von 0,8 bis 1,8 m. Das Wurzelsystem bildet eine Rübe als Wurzelspross aus. Der Stängel ist rund, kahl, bläulich bereift und unten rötlich gefleckt. Die Blätter sind ebenfalls kahl und 2- bis 4-fach gefiedert. Zwischen Juni und September erscheinen die typischen Blütendolden mit zahlreichen kleinen, weißen Einzelblüten. Die Blütenhülle ist 3- bis 5-blättrig, die Hüllblättchen sind dreieckig-lanzettlich. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten. Die Frucht ist eirund und besitzt wellig gekerbte Rippen. Der Samen ist langlebig und keimt nach Kälteeinwirkung und unter Lichteinfluss. Durch den hohen Gehalt an Coniin besitzt die Pflanze einen markanten Geruch nach Mäuseharn.
Vorkommen
Das Verbreitungsgebiet umfasst die klimatisch gemäßigten Regionen Europas, Westasiens und Nordafrikas. Darüber hinaus wurde die Art in Teilen Ostasiens, Australiens, Neuseelands und Nordamerikas eingeführt. Die besiedelten Habitate sind vielfältig (z.B. Uferzonen von Fließgewässern, Küstenspülsäume, Hecken- und Gebüschränder, Ruderalflächen). Durch die Bekämpfung als Ackerunkraut ist der Bestand gebietsweise rückläufig.
Pharmazeutische Drogen
- Conii maculati herba, Fleckenschierlingskraut, Schierlingskraut: zur Gewinnung von Arzneidrogen dienen die oberirdischen Pflanzenteile (Kraut), ohne dickere Stängel und Äste. Diese werden im zweiten Jahr zur Blütezeit gesammelt und getrocknet.
Verwendung
Eine Anwendung in der Schulmedizin findet nicht statt. Im Rahmen der Alternativmedizin wird die Pflanze in Form homöopathischer Zubereitungen (Bezeichung: Conium) angewandt. Indikationsgebiete sind hierbei z.B. Vertigo, Reizhusten und Schwellung von Drüsen. Für die Herstellung homöopathischer Arzneimittel wird in der Regel auf frisches Pflanzenmaterial zurückgegriffen.
Der Gefleckte Schierling hat eine große historische Bedeutung. So erfolgte zeitweise die Anwendung der Pflanze als Heilpflanze, etwa zur Beruhigung und Analgesie. Eine Bedeutung für Rezepturen von Hexensalben wird angenommen. Weiterhin bekannt ist die Pflanze als Bestandteil des Schierlingsbechers, ein schierlinghaltiges Getränk zur Hinrichtung oder Selbsttötung. Der Schierlingsbecher ist vor allem aus der Antike und in Zusammenhang mit dem Tod des Philosophen Sokrates (399 vor Christus) bekannt.
Cave: Aufgrund der hohen Giftigkeit der Pflanze ist eine Anwendung nicht-homöopathischer Zubereitungen in der Selbstmedikation kontraindiziert!
Inhaltsstoffe
Conium maculatum zeichnet sich besonders durch den hohen Gehalt verschiedener Alkaloide (alle Pflanzenteile) aus. Diese Alkaloide kommen zwar teilweise auch bei anderen Pflanzengattungen vor, werden jedoch häufig als Coniumalkaloide zusammengefasst. Der Gesamtgehalt ist kurz vor der Fruchtreife am höchsten und beträgt bis zu 2 %. Die Früchte enthalten bis zu 3,5 % Alkaloide. Im Zuge von Trocknung und Lagerung des Pflanzenmaterials verringert sich der Alkaloidgehalt nur langsam. Die Hauptalkaloide sind:
- Coniin: Hauptalkaloid, beträgt circa 90 % des Gesamtalkaloidgehalts, ist aufgrund des vehältnismäßig hohen Gehalts maßgebend für die Toxizität; charakteristischer Geruch nach Mäuseharn
- γ-Conicein: circa 9 % des Gesamtalkaloidgehalts
Nebenalkaloide sind: Conhydrin, Pseudoconhydrin und Methylconiin. Die Nebenalkaloide besitzen ebenfalls pharmakologische Eigenschaften, die in ausreichend hoher Dosierung zu toxischen Effekten führen.
Toxikologie
Die Alkaloide wirken lokal reizend und neurotoxisch. Die Aufnahme in den Blutkreislauf erfolgt über die Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts zügig. Eine transdermale Resorption ist ebenfalls möglich.
Das Hauptalkaloid Coniin agiert in geringen Dosen als Agonist, in hohen Dosen als funktioneller Antagonist an nikotinischen Acetylcholinrezeptoren. Die Wirkungen bzw. Symptome einer Vergiftung sind deshalb dosisabhängig.[1]
Vergiftung mit geringen Mengen
- Brennen der Mund- und Rachenschleimhaut
- Vegetative Stimulationsfolgen wie
- Tremor, Faszikulationen, Muskelspasmen
Vergiftung mit größeren Mengen
- Vegetative Hemmsymptome wie
- Mydriasis
- Bradykardie mit Hypotonie, ggf. Schock
- Bradypnoe oder Dyspnoe
- Aufsteigende (in den Beinen beginnende) schlaffe Paresen der quergestreiften Muskulatur, die zur vollständigen Paralyse führen können
Die Dosis letalis wird für den Menschen mit 0,1 bis 1,0 g angegeben. Sie führt zum Tod durch Atemlähmung bei erhaltenem Bewusstsein.
siehe auch: Coniin
Veterinärtoxikologie
Während Schafe und Ziegen relativ unempfindlich gegenüber Geflecktem Schierling sind, ist die Pflanze für Rinder und Schweine von toxikologischer Bedeutung. Für Rinder gelten 4 kg frisches Pflanzenmaterial als tödlich. Bei Schweinen wurden Fehlbildungen bei Ferkeln im Zusammenhang mit Schierlingsvergiftungen dokumentiert.
Häufig meidet Weidevieh die Pflanze. Gelangt die Pflanze in die Heuproduktion, soll die Giftigkeit stark abnehmen. Möglicherweise geht während der Trocknung an der Sonne ein Großteil des Coniins verloren. Beobachtete Symptome bei Weidevieh sind: Hypersalivation, Fressunlust, Aussetzen des Wiederkäuens, Bradykardie (später Tachykardie), Tod durch Atemlähmung.
Literatur
- Jäger et al.: Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Bd. 2. Aufl. 20, Spektrum Akadem. Verlag.
- Roth, Daunderer & Kormann: Giftpflanzen - Pflanzengifte, 5. Aufl., Nikol Verlag.
- Mutschler et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen, 8. Aufl, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft.
Weblinks
- Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie, Zürich: Conium maculatum: Details zur Veterinärtoxikologie (aufgerufen: 2017-06-18)
Einzelnachweise
- ↑ Aktories K, Förstermann U, Starke K. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2013; S. 1074. 11. Auflage, Elsevier Verlag
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