Estetrol
Synonym: Östetrol
Handelsname: Drovelis® u.a.
Englisch: estetrol
Definition
Estetrol, kurz E4, ist ein natürliches Östrogen, das während der Schwangerschaft von der fetalen Leber gebildet wird. Es gelangt über die Plazenta in den Kreislauf der Mutter. Synthetisches Estetrol wird in Kombination mit Gestagenen als orales Kontrazeptivum eingesetzt.
Chemie
Estetrol hat die Summenformel C18H24O4 und ein Molekulargewicht von 304,38 g/mol. Estetrol zählt zu den natürlichen Östrogenen und verfügt über insgesamt vier Hydroxylgruppen, wovon sich die Abkürzung E4 ableitet.
Biosynthese
Während der Schwangerschaft wird Estetrol von der Leber des Fötus gebildet. Es wird durch Hydroxylierung aus Estradiol und Estriol synthetisiert. Diese Reaktion wird durch 15α- und 16α-Hydroxylasen katalysiert. Die Konzentration im mütterlichen Plasma steigt über den Verlauf der Schwangerschaft an. Kurz nach der Geburt wird die Estetrolsynthese in der Leber des Neugeborenen eingestellt.
Funktion
Die physiologische Funktion von Estetrol ist bislang (2022) nicht geklärt. Es interagiert mit den Östrogenrezeptoren ERα und ERβ, die Affinität ist jedoch im Vergleich zu anderen Östrogenen gering. Möglicherweise hat Estetrol eine Schutzwirkung und isoliert den Fötus von den mütterlichen Östrogenen.
Pharmakologie
Wirkmechanismus
Die Wirkung von Estetrol beruht auf seiner antigonadotropen Aktivität, wodurch es die Bildung und Freisetzung der Gonadotropine LH und FSH hemmt.
Durch seine niedrige Bindungsaffinität zu Östrogenrezeptoren ist der östrogene Effekt von Estetrol relativ gering. Zudem soll Estetrol im Gegensatz zu anderen Östrogenen die Fähigkeit besitzen, als Agonist an nukleäre Östrogenrezeptoren, gleichzeitig jedoch als Antagonist an membranständige Östrogenrezeptoren (mERs) zu binden. Dadurch soll die Wirkung von Estetrol gewebsspezifisch sein: Das östrogene Potential in Geweben wie Uterus, Vagina, Gehirn und Knochen wird als höher eingeschätzt als in Geweben wie Leber und Brustdrüse. Inwieweit diese pharmakologischen Eigenschaften einen signifikanten Einfluss auf das Nebenwirkungsprofil haben, ist jedoch unklar.
Pharmakokinetik
Estetrol wird nach oraler Einnahme schnell resorbiert; die durchschnittliche maximale Plasmakonzentration von 17,9 ng/ml wird nach 0,5 bis 2 Stunden erreicht. Die Bioverfügbarkeit beträgt rund 70 %.
Estetrol bindet nicht an SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin), zeigt mäßige Bindung an Plasmaproteine und Serumalbumin sowie eine geringe Bindung an Alpha-1-Glykoprotein.
Als Stoffwechselendprodukt unterliegt Estetrol einer Phase-II-Biotransformation. Die beiden Hauptmetaboliten Estetrol-3-Glucuronid und Estetrol-16-Glucuronid haben eine vernachlässigbare östrogene Aktivität.
Die durchschnittliche Plasmahalbwertszeit von Estetrol beträgt ungefähr 24 bis 28 Stunden. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über den Urin.
Indikation
Estetrol ist zur Zeit (2022) nicht als eigenständiger Arzneistoff verfügbar. Es wird in Kombination mit dem Gestagen Drospirenon als orales Kontrazeptivum zur Empfängnisverhütung eingesetzt.
Darreichungsformen
Die Kombination Estetrol/Drospirenon liegt als Tablette zur oralen Applikation vor.
Nebenwirkungen
Zu den häufig auftretenden Nebenwirkungen des Kombinationspräparats zählen:
Zudem erhöht die Einnahme das Risiko für eine Thromboembolie.
Kontraindikationen
Die Einnahme von Estetrol ist kontrainidiziert bei:
- venöser oder arterieller Thromboembolie
- schwerer Lebererkrankung
- Lebertumoren
- schwerer Niereninsuffizienz
- sexualhormonabhängigen maligne Tumoren
- ungeklärten vaginalen Blutung
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder Bestandteilen
Quellen
- Fachinfo Drovelis®