Chronisch-progressive externe Ophthalmoplegie
Synonym: Chronisch-progrediente externe Ophthalmoplegie
Definition
Unter der chronisch-progressiven externen Ophthalmoplegie, kurz CPEO, versteht man eine progrediente Lähmung der äußeren Augenmuskeln (Ophthalmoplegie) in Folge einer mitochondrialen Dysfunktion (Mitochondriopathie).
Epidemiologie
Basierend auf einer Studie aus UK wird die Prävalenz auf etwa 3,4 Fälle pro 100.000 Einwohner (1 von 30.000 Personen) geschätzt.[1]
Die Erstmanifestation ist in jedem Alter möglich und liegt meist im Jugend- bis mittleren Erwachsenenalter. Der Altersgipfel ist von der auslösenden Mutation abhängig. Bei singulärer Deletion beginnt die CPEO früher (25 Jahre), bei multiplen Deletionen später (40 Jahre).[2]
Genetik
Verschiedene Mutationen konnten als Ursache der CPEO identifiziert werden:[2][1]
- singuläre, mehrere kbp umfassende mtDNA-Deletionen (über 50 % der Fälle), meist sporadisch auftretend
- multiple Deletionen von mtDNA-Abschnitten (ca. 33 % der Fälle), ursächlich sind hierbei autosomal-rezessiv oder -dominant vererbbare Defekte von nukleären Genen, die für die mtDNA-Replikation benötigt werden (insbesondere DNA-Polymerase γ)
- selten Punktmutation der mtDNA an Position 3243 (m.3243A>G im MT-TL1-Gen, vgl. MELAS-Syndrom), maternal vererbbar
Die beschriebenen Gendefekte führen zu einer Störung der mitochondrialen Atmungskette. Dadurch wird nicht mehr ausreichend ATP für die energieintensive Tätigkeit der äußeren Augenmuskeln bereitgestellt und es kommt zu Lähmungen variablen Ausmaßes.
Klinik
Als Leitsymptome der CPEO gelten:[3]
- Ptosis, meist bilateral-symmetrisch, Erstsymptom
- progrediente äußere Ophthalmoparese bis -plegie, ebenfalls symmetrisch und daher typischerweise ohne Diplopie
CPEOplus
Die CPEO kann mit muskulären Störungen, neurologischen Ausfällen und weiteren Pathologien vergesellschaftet sein. Man spricht dann von einer CPEOplus-Symptomatik:
- Muskuläre Störungen:
- Reizleitungsstörungen des Herzens mit Herzrhythmusstörungen
- Muskelschwäche der Extremitätenmuskulatur und Facies myopathica
- Kardiomyopathie
- Dysphagie
- respiratorische Dysfunktion
- PNS
- Neuropathien (meist axonal)
- neuromuskuläre Störungen (Paresen)
- ZNS
- Auge
- Endokrinium
Diagnostik
Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich eine Ptosis sowie eine omnidirektionale Ophthalmoparese bis -plegie mit verlangsamten, unvollständigen Blickfolgebewegungen und Sakkaden. Die Familienanamnese ist aufgrund des meist sporadischen Auftretens zumeist unauffällig.
Als diagnostische Maßnahmen kommen in Frage:
- Labor: CK, CK-MB, LDH, Lactat, Lactat-Pyruvat-Quotient, Glucose
- molekulargenetische Untersuchung der mtDNA, aus Blut (oft unauffällig!) und Muskelbiopsat
- endokrinologische Untersuchung (Schilddrüse, Hypothalamus-Hypophysen-Achse)
- neuropsychologische Testung
Bei einer plus-Symptomatik sind weiterführende Untersuchungen indiziert, z.B. EKG, MRT, Elektromyographie und Elektroneurographie.
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch kommen z.B. Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Myasthenisches-Syndrom oder ein Kearns-Sayre-Syndrom (insbesondere bei Beteiligung von Augen und Herz) in Frage. Der Übergang zwischen einer CPEO und dem Kearns-Sayre-Syndrom ist fließend.
Therapie
Eine kausale Therapie der Erkrankung gibt es zur Zeit (2024) nicht.
Durch die hoch dosierte Gabe des Coenzym Q10 (Ubichinon) kann die muskuläre Symptomatik evtl. gebessert werden. Die Ptose kann chirurgisch gelindert werden, z.B. durch Frontalissuspension. Bei persistierenden Herzrhythmusstörungen ist die Implantation eines Herzschrittmachers indiziert. Als Ultima ratio der progredienten Kardiomyopathie ist eine Herztransplantation in Erwägung zu ziehen.
Literatur
- S1-Leitlinie Mitochondriale Erkrankungen, 2021, abgerufen am 27.02.2024
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Yu-Wai-Man et al.: "A national epidemiological study of chronic progressive external ophthalmoplegia in the United Kingdom - molecular genetic features and neurological burden" Investigative Ophthalmology & Visual Science, 2014.
- ↑ 2,0 2,1 Deschauer: "Mitochondriale Erkrankungen im Erwachsenenalter" Medizinische Genetik, Springer Verlag, 2012.
- ↑ Ali A, Esmaeil A, Behbehani R.: "Mitochondrial Chronic Progressive External Ophthalmoplegia" Brain Sciences, 2024.
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