Adrenogenitales Syndrom (17α-Hydroxylase-Mangel)
Synonyme: Adrenogenitales Syndrom Typ 5
Englisch: 17α-hydroxylase CAH
Definition
Das adrenogenitale Syndrom durch 17α-Hydroxylase-Mangel, kurz AGS Typ 5, ist eine Form des adrenogenitalen Syndroms, bei dem das Enzym 17α-Hydroxylase (CYP17A1) defekt ist. Dadurch kommt es zu einer Störung der Steroidsynthese in der Nebennierenrinde (NNR), welche die Glukokortikoide und Sexualhormone betrifft.
- ICD10-Code: E25.0
Epidemiologie
Das AGS Typ 5 ist ein seltene Erkrankung und hat eine Inzidenz von 1:1 Million Geburten.
Genetik
Die 17α-Hydroxylase wird durch das Gen CYP17A1 auf Chromosom 10 an Genlokus 10q24.32 kodiert. Wie bei anderen AGS-Formen gibt es verschiedene defekte Allele, die mit einer unterschiedlichen Restaktivität des Enzyms einhergehen. Beispiele sind A174E, V178D, R440C und L465P. Der Gendefekt wird autosomal-rezessiv vererbt.
Biochemie
Die 17α-Hydroxylase ist ein bifunktionelles Enzym, das zur Cytochrom-P450-Familie gehört. Sie katalysiert die
- Umsetzung von Pregnenolon zu 17α-Hydroxypregnenolon (als Hydroxylase) und die anschließende
- Umsetzung von 17α-Hydroxypregnenolon zu Dehydroepiandrosteron (als Lyase).
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie ist komplex. Es kann eine isolierte Störung der Hydroxylase-Aktivität oder der Lyase-Aktivität sowie eine kombinierte Störung beider Enzymfunktkonen vorliegen. Am häufigsten liegt ein kombinierter Enyzmdefekt vor, auf den sich die folgenden Beschreibungen beziehen.
Wie bei anderen Formen des AGS kommt es zu einem Cortisolmangel. Aufgrund des niedrigeren Cortisolspiegels wird als Resultat der Gegenkoppelung in der Hypophyse vermehrt ACTH ausgeschüttet, um den Cortisolmangel zu kompensieren. Da durch ACTH neben der Zona fasciculata (Glukokortikoide), auch die Zona glomerulosa (Mineralkortikoide) und die Zona reticularis (Androgene) stimuliert werden, resultiert eine Hyperplasie der gesamten Nebennierenrinde (CAH). Die Synthese des Mineralkortikoids Aldosteron ist nicht von der 17α-Hydroxylase abhängig - daher steigt die Aktivität dieses Synthesewegs unter dem Einfluss von ACTH stark an.
Die Synthese der Sexualhormone ist durch den Enzymdefekt ebenfalls betroffen. Dadurch unterscheidet sich dieser AGS-Typ von den AGS Typen 3 und 4, bei denen diese Hormone durch die Stimulation der NNR vermehrt gebildet werden.
siehe auch: Isolierter 17,20-Lyase-Mangel
Symptome
Die Symptome sind in ihrer Ausprägung interindividuell sehr unterschiedlich und maßgeblich von der Restaktivität des Enzyms anhängig.
Da der Aldosteronsyntheseweg durch den Enzymdefekt nicht beeinträchtigt ist, kommt es zu einem deutlichen Anstieg der Aldosteronvorstufen Corticosteron und Deoxycorticosteron (DOC). Die Folge ist eine Zunahme des zirkulierenden Blutvolumens mit bereits im Kindesalter einsetzender Hypertonie. Der Reninspiegel ist erniedrigt, es besteht ein renaler Kaliumverlust mit Hypokaliämie und metabolischer Alkalose. Aufgrund dieser Symptomatik wird das AGS Typ 5 wie das AGS Typ 4 gelegentlich auch als "adrenogenitales Hypertoniesyndrom" bezeichnet.
Die reduzierte Synthese der Sexualhormone führt bei Mädchen (XX) zu einem verzögerten oder ausbleibenden Eintritt der Geschlechtsreife mit fehlender Pubarche und Thelarche sowie primärer Amenorrhoe. Weder die Nebennieren, noch die Ovarien können Sexualhormone produzieren. Die Gonadotropine sind dadurch deutlich erhöht. Das innere Genitale ist zwar angelegt, bleibt jedoch infantil. Bei geringgradigen Formen kann die Sexualentwicklung in eingeschänktem Maß stattfinden, es bestehen jedoch Entwicklungsverzögerungen, Zyklusanomalien und Infertilität.
Bei genetischen Jungen (XY) zieht der Gendefekt analog eine moderat bis deutlich verminderte Testosteronproduktion in der NNR und den Hoden nach sich. Die Virilisierung ist eingeschränkt: Das äußere Genitale kann einen rein weiblichen Phänotyp besitzen oder schwach männlich ausgeprägt sein. Dazwischen gibt es zahlreiche Übergänge. In den meisten Fällen liegen phänotypisch ein kleiner Penis und eine perineale Hypospadie vor. Durch den ausbleibenden Hodendeszensus liegen die Hoden inguinal oder intraabdominal. Die Fertilität ist deutlich eingeschränkt.
Therapie
Die Therapie besteht wie bei anderen AGS-Formen im Wesentlichen aus einer lebenslangen Substitution der fehlenden Glukokortikoide. Dadurch wird die erhöhte ACTH-Ausschüttung zurückgeführt und der Blutdruck gesenkt.
Bei genetisch weiblichen Patienten ist eine Östrogengabe notwendig, um die Pubertät auszulösen. Meist muss zusätzlich Progesteron substituiert werden, um eine normale Periodenblutung zu gewährleisten.
Bei genetisch männlichen Patienten mit Intersexualität ist eine differenziertere Therapie notwendig, da sie Auswirkungen auf die spätere Geschlechtsidentität hat. Durch Hormonsubstitution und operative Verfahren kann die Geschlechtsausprägung grundsätzlich in die männliche oder weibliche Richtung bewegt werden.
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