Sulfonamid-Antibiotikum: Unterschied zwischen den Versionen

 
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==Definition==
==Definition==
'''Sulfonamid-Antibiotika''' sind eine Gruppe von [[Antibiotika]], die als gemeinsames chemisches Merkmal eine Sulfanilamid-Struktur enthalten. Sulfonamide waren in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts die ersten wirksamen antibakteriellen Mittel.
'''Sulfonamid-Antibiotika''' sind eine Gruppe von [[Antibiotika]], die als gemeinsames chemisches Merkmal eine [[Sulfanilamid]]-Struktur enthalten.


==Wirkungsmechanismus==
==Geschichte==
Sulfonamid-Antibiotika interferieren mit dem [[Folsäure]]-[[Stoffwechsel]] der [[Bakterien]]. Sie inhibieren als [[Analogon|Strukturanalogon]] der [[p-Aminobenzoesäure]] die [[Dihydropteroatsynthase]] [[kompetitiv]] und bewirken so über Zwischenschritte eine Blockade der Bildung von [[Tetrahydrofolsäure]]. Dadurch wird die [[DNA]]-Synthese der Bakterienzellen gestört.
Sulfonamide waren in den 1930er Jahren die ersten wirksamen [[antibakteriell]]en Mittel. Der erste Vertreter dieser [[Wirkstoffklasse]] war [[Sulfamidochrysoidin]], das unter dem Handelsnamen "Prontosil" vertrieben wurde. Dem [[Pathologe]]n und [[Bakteriologe]]n [[Gerhard Domagk]] wurde für seine Entdeckung im Jahre 1939 der [[Nobelpreis]] verliehen.
 
==Wirkmechanismus==
Sulfonamid-Antibiotika interferieren mit dem [[Folsäure]]-[[Stoffwechsel]] der [[Bakterien]]. Sie hemmen als [[Analogon|Strukturanalogon]] der [[p-Aminobenzoesäure]] [[kompetitive Hemmung|kompetitiv]] das Enzym [[Dihydropteroatsynthase]] und bewirken so über Zwischenschritte eine Blockade der Bildung von [[Tetrahydrofolsäure]]. Dadurch wird die [[DNA]]-Synthese der Bakterienzellen gestört.
Da Menschen Folsäure als [[Vitamin]] aufnehmen sind Sulfonamide für die menschlichen Zellen nicht [[toxisch]]. Bakterien, die keine Folsäure benötigen bzw. synthetisieren, weisen eine [[Resistenz]] gegen Sulfonamide auf.
Da Menschen Folsäure als [[Vitamin]] aufnehmen sind Sulfonamide für die menschlichen Zellen nicht [[toxisch]]. Bakterien, die keine Folsäure benötigen bzw. synthetisieren, weisen eine [[Resistenz]] gegen Sulfonamide auf.


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* [[Sulfamerazin]]
* [[Sulfamerazin]]


==Pharmakokinetische Eigenschaften==
==Pharmakokinetik==
Die aktuell eingesetzten Sulfonamide sind alle gut [[Resorption|resorbierbar]] und werden durch [[tubuläre Sekretion]] und Filtration [[renal]] eliminiert. Die Sulfonamide werden demnach alle oral verabreicht und können mit einer ein- bis dreimaligen Tagesdosierung ausreichend wirksame [[Plasmaspiegel]] aufrecht erhalten.
Die aktuell eingesetzten Sulfonamide sind alle gut [[Resorption|resorbierbar]] und werden durch [[tubuläre Sekretion]] und Filtration [[renal]] eliminiert. Die Sulfonamide werden demnach alle oral verabreicht und können mit einer ein- bis dreimaligen Tagesdosierung ausreichend wirksame [[Plasmaspiegel]] aufrechterhalten.


==Indikationen==
==Indikationen==
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==Gruppenspezifische Nebenwirkungen==
==Gruppenspezifische Nebenwirkungen==
Bei den Sulfonamiden sind einige gruppenspezifische Nebenwirkungen zu beachten:
Bei den Sulfonamiden sind einige gruppenspezifische Nebenwirkungen zu beachten:
* [[Hypersensitivität|Überempfindlichkeitsreaktion]]en - Bei Sulfonamiden kommt es überdurschnittlich häufig zu Überempfindlichkeitsreaktionen. Das Spektrum umfasst [[Haut]]reaktionen wie [[Arzneimittelexanthem]]e, [[Stevens-Johnson-Syndrom]], [[Lyell-Syndrom]] und [[hämatologisch]]e Reaktionen mit [[Anämie]] (u.a. [[Autoimmunhämolytische Anämie]]), [[Leukopenie]] und [[Thrombopenie]]
* [[Hypersensitivität|Überempfindlichkeitsreaktion]]en - Bei Sulfonamiden kommt es überdurchschnittlich häufig zu Überempfindlichkeitsreaktionen. Das Spektrum umfasst [[Haut]]reaktionen wie [[Arzneimittelexanthem]]e, [[Stevens-Johnson-Syndrom]], [[Lyell-Syndrom]] und [[hämatologisch]]e Reaktionen mit [[Anämie]] (u.a. [[Autoimmunhämolytische Anämie]]), [[Leukopenie]] und [[Thrombopenie]]
* [[Arzneimittelinterferenz]]en - Aufgrund einer hohen Plasmaproteinbindung konkurrieren Sulfonamide mit anderen Medikamenten um Bindungsstellen, darunter [[Cumarin-Derivat]]e und [[Sulfonylharnstoff]]e
* [[Arzneimittelinterferenz]]en - Aufgrund einer hohen Plasmaproteinbindung konkurrieren Sulfonamide mit anderen Medikamenten um Bindungsstellen, darunter [[Cumarin-Derivat]]e und [[Sulfonylharnstoff]]e
* [[Kernikterus]] - Auch [[Bilirubin]] wird durch Sulfonamide aus der [[Plasmaproteinbindung]] verdrängt. So kann es bei [[Neugeborenes|Neugeborene]]n und Ungeborenen zu gefährlich hohen Bilirubinspiegeln mit Ablagerung in [[Kerngebiet]]en des [[Gehirn]]s kommen. Eine Anwendung im letzten [[Trimenon]] der [[Schwangerschaft]] und bei Neugeborenen ist daher obsolet.
* [[Kernikterus]] - Auch [[Bilirubin]] wird durch Sulfonamide aus der [[Plasmaproteinbindung]] verdrängt. So kann es bei [[Neugeborenes|Neugeborene]]n und Ungeborenen zu gefährlich hohen Bilirubinspiegeln mit Ablagerung in [[Kerngebiet]]en des [[Gehirn]]s kommen. Eine Anwendung im letzten [[Trimenon]] der [[Schwangerschaft]] und bei Neugeborenen ist daher obsolet.

Aktuelle Version vom 20. November 2022, 20:52 Uhr

Synonym: Sulfonamid

Definition

Sulfonamid-Antibiotika sind eine Gruppe von Antibiotika, die als gemeinsames chemisches Merkmal eine Sulfanilamid-Struktur enthalten.

Geschichte

Sulfonamide waren in den 1930er Jahren die ersten wirksamen antibakteriellen Mittel. Der erste Vertreter dieser Wirkstoffklasse war Sulfamidochrysoidin, das unter dem Handelsnamen "Prontosil" vertrieben wurde. Dem Pathologen und Bakteriologen Gerhard Domagk wurde für seine Entdeckung im Jahre 1939 der Nobelpreis verliehen.

Wirkmechanismus

Sulfonamid-Antibiotika interferieren mit dem Folsäure-Stoffwechsel der Bakterien. Sie hemmen als Strukturanalogon der p-Aminobenzoesäure kompetitiv das Enzym Dihydropteroatsynthase und bewirken so über Zwischenschritte eine Blockade der Bildung von Tetrahydrofolsäure. Dadurch wird die DNA-Synthese der Bakterienzellen gestört. Da Menschen Folsäure als Vitamin aufnehmen sind Sulfonamide für die menschlichen Zellen nicht toxisch. Bakterien, die keine Folsäure benötigen bzw. synthetisieren, weisen eine Resistenz gegen Sulfonamide auf.

Substanzen

Sulfonamid-Antibiotika werden aufgrund besser wirksamer und besser verträglicher Alternativen nur noch selten eingesetzt. Die eingesetzten Sulfonamide sind:

Pharmakokinetik

Die aktuell eingesetzten Sulfonamide sind alle gut resorbierbar und werden durch tubuläre Sekretion und Filtration renal eliminiert. Die Sulfonamide werden demnach alle oral verabreicht und können mit einer ein- bis dreimaligen Tagesdosierung ausreichend wirksame Plasmaspiegel aufrechterhalten.

Indikationen

Sulfonamid-Antibiotika werden nur noch selten eingesetzt. Am häufigsten sicherlich in Form von Cotrimoxazol zur Therapie von Harnwegsinfektionen, da sich das Präparat gut in den Harnwegen anreichert. Weitere Einsatzgebiete sind z.B. die Pneumocystis-Pneumonie und die Toxoplasmose. Sulfonamide werden darüber hinaus in lokal wirksamen Externa eingesetzt.

Gruppenspezifische Nebenwirkungen

Bei den Sulfonamiden sind einige gruppenspezifische Nebenwirkungen zu beachten:

Die bei früher eingesetzten Sulfonamiden gefürchtete Nierenschädigung durch Auskristallisation von Sulfonamiden im Tubulussystem ist bei den noch verwendeten Substanzen nicht mehr häufig. Im Gegensatz zu den früher verwendeten Sulfonamid-Antibiotika sind die heute verwendeten Substanzen alle gut wasserlöslich.

Kontraindikationen