Weißlippen-Bambusotter
Englisch: White-lipped pit viper
Definition
Die Weißlippen-Bambusotter ist eine Giftschlange aus der Familie der Vipern (Viperidae) und zählt zur Unterfamilie der Grubenottern (Crotalinae). Die zoologische Bezeichnung lautet Trimeresurus albolabris, zeitweise wurde die Art als Cryptelytrops albolabris geführt. Die Schlange wird häufig in Terrarien gepflegt.
Merkmale
Es handelt sich um eine 60 bis 70 cm (maximal circa 90 cm) groß werdende Schlange mit schlankem bis mäßig gedrungenem Körperbau und gekielten Körperschuppen, die in 21 bis 23 Reihen um die Körpermitte liegen. Der Kopf ist flach, breit und bei Aufsicht herzartig geformt. Er setzt sich deutlich vom Hals ab, besitzt eine weißlich bis gelblich gefärbte untere Schläfenhälfte und weist die für Grubenottern typische Grube zwischen Auge und Nasenloch auf, in der sich ein Organ befindet, mit dem das Tier Wärmestrahlung wahrnehmen kann (Grubenorgan).
Das Auge weist eine bei Lichteinfall vertikal geschlitzte Pupille auf. Es sind 7 bis 13 Oberlippenschilde (Scutum supralabiale), 11 bis 13 (teilweise weniger) Unterlippenschilde (Scutum sublabiale) und ein ungeteiltes Afterschild (Scutum anale) vorhanden. Bauchschilde (Scutum ventrale): Männchen 151 bis 169, Weibchen 149 bis 173. Unterschwanzschilde (Scutum subcaudale, paarig): Männchen 61 bis 78, Weibchen 48 bis 67.
Der Körper ist oberseits zumeist einfarbig grün, häufig mit feinem, hellen Längsstreifen (je einer auf jeder Seite). Der Schwanz ist rötlich und fungiert als Greiforgan. Trimeresurus albolabris ist nachtaktiv. Tagsüber versteckt sie sich beispielsweise im Geäst von Büschen und Bäumen oder in Holzhaufen, während sie nachts herabklettert. Zum Beutespektrum zählen Amphibien, Eidechsen sowie kleine Nagetiere und Vögel. Die Fortpflanzung erfolgt durch Ovoviviparie (Ei-lebendgebärend), ein Wurf kann 3 bis 16 Jungschlangen umfassen.
Giftapparat
Typisch für alle Vertreter der Viperidae ist der Giftapparat: Vipern haben von allen Giftschlangen den evolutionär am weitest entwickelten Giftapparat. Die Giftdrüsen, die sich seitlich des Schädels befinden und von umgebildeten Speicheldrüsen dargestellt werden, stehen in Verbindung mit den Gift- bzw. Fangzähnen. Diese befinden sich im vorderen Oberkiefer, sind bei geschlossenem Maul eingeklappt und werden beim Zubeißen aufgestellt. Die Giftzähne sind röhrenartig aufgebaut und ermöglichen eine Injektion des Giftsekretes wie durch die Kanüle einer Spritze.
Verbreitung
Trimeresurus albolabris ist im tropischen Süd- und Südostasien verbreitet. Die besiedelten Habitate sind Busch- und Waldland. Als Kulturfolger kommt sie in der Nähe menschlicher Behausungen und in landwirtschaftlichen Gebieten, etwa in der Umgebung von Reisfeldern, vor.
Toxikologie
Toxine
Die Ausbeute eines Giftbisses kann 8 bis 15 mg (Trockengewicht) Giftsekret betragen. Es konnten Fibrinogenasen (Prokoagulantien) nachgewiesen werden. Albolabrin (ein zu Disintegrinen und Metalloproteinasen zählendes, cysteinreiches Protein mit einer Masse von circa 7500 Dalton) bindet an Fibrinogen-Rezeptoren der Oberfläche von Thrombozyten und hemmt die Thrombozytenaggregation. Weiterhin werden Hämorrhagine vermutet.
Symptome
Eine Intoxikation nach Giftbiss durch Trimeresurus albolabris verläuft unter Umständen ernst, ein letaler Verlauf ist jedoch selten. Nach einem Biss treten lokale Effekte wie Schmerzen, Schwellung und Hämatom sowie gelegentlich eine leichte Nekrose auf. Unspezifische Allgemeinsymptome sind Kopfschmerz, Übelkeit, Emesis, Abdominalschmerz, Diarrhoe, Schwindel und Krämpfe. Koagulopathie, Hämorrhagien und Schock können auftreten. Der Tod kann durch Kreislaufversagen eintreten. Eine sekundäre Schädigung der Nieren tritt selten auf.
Therapie des Giftbisses
- Das Bissopfer muss Ruhe bewahren und die Bissstelle ist ruhig zu halten. Nach sofortiger Alarmierung des Notarztes sollte der Patient liegend in das nächstgelegene Krankenhaus transportiert werden. Zwecks Nierenschutz ist eine Infusion mit 0,9%iger Kochsalzlösung angezeigt. Weitere Maßnahmen dienen der symptomatischen Behandlung.
- Keine Kompressionsmethode, da hierdurch die zytotoxische Lokalwirkung ungleich verstärkt wird.
- Überwachung der Gerinnungsparameter.
- Antivenine: Der Einsatz von Antiveninen sollte nur in Rücksprache mit einer Giftnotruf-Zentrale und nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Er ist etwa im Falle einer Koagulopathie indiziert. Als Antivenine stehen zur Verfügung:
- "Polyvalent Anti Snake Venom Serum" (Central Research Institute, Indien)
- "Green Pit Viper Antivenin" (Queen Saovabha Memorial Institute, Thailand)
- "SII Polyvalent Antisnake Venom Serum" (Serum Institute of India Ltd., Indien)
- "Bivalent Antisnake Venom Serum" (Serum Institute of India Ltd., Indien)
- "Bivalent Antivenin Pit Viper, Trimeresurus antivenin" (National Institute of Preventative Medicine, Taiwan)
Literatur
- Trutnau: Schlangen im Terrarium Bd. 2: Giftschlangen. Verlag Ulmer, Stuttgart 1998.