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Verschreibungskaskade

(Weitergeleitet von Verordnungskaskade)

Synonyme: Verordnungskaskade, Medikationskaskade
Englisch: prescribing cascade, medication cascade

1. Definition

Als Verschreibungskaskade bezeichnet man das Verordnen von Arzneimitteln zur Behandlung von Nebenwirkungen anderer Arzneimittel. Derartige Kaskaden sind häufig Ursache einer Polypharmazie.

2. Hintergrund

Ursprünglich bezog sich der Begriff Verschreibungskaskade lediglich auf unbeabsichtigte, schädliche Folgeverordnungen, bei denen die Nebenwirkung des Auslösearzneimittels als Krankheitssymptom fehlgedeutet wurde.[1][2]

3. Einteilung

Die Einteilung kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen:[3][4]

3.1. ... nach Behandlungsabsicht bei Verschreibung

  • beabsichtigte Kaskade: Nebenwirkungen werden als solche erkannt und bewusst medikamentös behandelt
  • unbeabsichtigte Kaskade: die Nebenwirkung wird als neues Krankheitszeichen verkannt, das medikamentös behandelt wird

3.2. ... nach Risiko-Nutzen-Bilanz

  • adäquate Kaskade: die kombinierte Verordnung von Auslöse- und Folgearzneimittel ist insgesamt eher nützlich als schädlich; als Sonderfall gelten notwendige Kaskaden, bei denen die Hinzunahme des Folgearzneimittels sogar zwingend erforderlich ist (z.B. Laxativa bei Opioidtherapie)
  • inadäquate (problematische) Kaskade: die kombinierte Verordnung ist insgesamt eher schädlich als nützlich

3.3. ... nach zeitlicher Abfolge

  • prophylaktische Kaskade: vorbeugender Einsatz des Folgearzneimittels zur Vermeidung von Nebenwirkungen
  • therapeutische Kaskade: Einsatz des Folgearzneimittels als Reaktion auf eine Nebenwirkung

4. Beispiele

Häufige Beispiele für Verschreibungskaskaden sind:[2][3][4][5][6][7]

Auslösearzneimittel Nebenwirkung Folgearzneimittel
Dihydropyridine Ödeme Diuretika
Opioide Obstipation Laxantien
Übelkeit Metoclopramid
Metoclopramid Dyskinesien Biperiden
NSAR gastrale Ulzera Protonenpumpeninhibitoren
arterielle Hypertonie Antihypertonika
Anticholinergika hyperaktives Delir Benzodiazepine
Harnverhalt Cholinesterasehemmer
Cholinesterasehemmer Dranginkontinenz Anticholinergika
Breitspektrumantibiotika CDAD Metronidazol oder perorales Vancomycin
SGLT-2-Inhibitoren Harnwegsinfektionen oder genitale Mykosen Antibiotika oder -mykotika
Thiaziddiuretika Hyperurikämie Xanthinoxidasehemmer
Checkpointinhibitoren irAE Glukokortikoide

Insbesondere bei unbeabsichtigter Entstehung sind auch mehrschrittige, z.T. sehr lange Kaskaden beschrieben.[5][8]

5. Prüfung und Management

Generell empfiehlt es sich, bei Auftreten neuer Symptome bei Patienten unter Arzneimitteltherapie zunächst eine Prüfung der Medikationsliste vorzunehmen, um eine Arzneimittelnebenwirkung als Ursache auszuschließen.[2] Dabei sollten auch freiverkäufliche Substanzen beachtet werden.[6] Ist unklar, ob es sich bei dem Symptom um eine Nebenwirkung oder ein Krankheitssymptom handelt, kann der Naranjo-Score genutzt werden.[3]

Wurde eine Nebenwirkung oder eine unbeabsichtigte Kaskade identifiziert, sollte zunächst geprüft werden, ob die Indikation für das Auslösearzneimittel fortbesteht. Trifft dies zu, sind eine Dosisreduktion, andere Applikationsformen, alternative Arzneimittel innerhalb derselben Indikationsgruppe und nicht-pharmakologische Maßnahmen zu erwägen.[3][4][6] Weiterhin sollte überprüft werden, ob die Folgearznei für die Behandlung der Nebenwirkungen überhaupt effektiv ist;[4] dies ist beispielsweise für Diuretika zur Behandlung Dihydropyridin-vermittelter Ödeme nicht der Fall.[3] Die Notwendigkeit der Folgetherapie sollte im Verlauf reevaluiert werden und muss nicht zwingend für die gesamte Dauer der auslösenden Therapie fortgeführt werden.[4] Auch sollte darauf geachtet werden, dass beim Absetzen des Auslösers auch die Folgearznei wieder beendet wird.[3]

6. Einzelnachweise

  1. Rochon und Gurwitz, Drug therapy, The Lancet, 1995
  2. 2,0 2,1 2,2 Rochon und Gurwitz, Optimising drug treatment for elderly people: the prescribing cascade, British Medical Journal, 1997
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Dreischulte et al., Verordnungskaskaden – entdecken, verhindern, bewusst einsetzen, Deutsches Ärzteblatt, 2022
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 McCarthy et al., Assessing the Scope and Appropriateness of Prescribing Cascades, Journal of the American Geriatrics Society, 2019
  5. 5,0 5,1 Chen et al., Research on prescribing cascades: a scoping review, Frontiers in Pharmacology, 2023
  6. 6,0 6,1 6,2 Rochon und Gurwitz, The prescribing cascade revisited, The Lancet, 2017
  7. Strobach, Anticholinerge Arzneistoffe - Erkennen, erklären, ersetzen, Pharmazeutische Zeitung, 2013
  8. Pepa et al., Prescribing cascade in a geropsychiatric patient: A slippery slope, Journal of Geriatric Mental Health, 2018

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