Stutenabort (Pferd)
Synonym: Virusabort der Stute
Englisch: equine herpesvirus abortion
Definition
Als Stutenabort bzw. Virusabort der Stute bezeichnet man eine durch das equine Herpesvirus 1 (EHV-1) ausgelöste Infektionskrankheit beim Pferd.
Erreger
Das equine Herpesvirus 1 ist ein Virus der Gattung Varicellovirus innerhalb der Unterfamilie der Alphaherpesvirinae (Familie: Herpesviridae).
Alphaherpesvirinae sind behüllte, sphärisch bis pleomorph geformte Viren, die zwischen 150 und 200 nm groß sind. Das Kapsid besteht aus 162 Kapsomeren und ist von einer amorphen Hülle überzogen. Das Genom enthält eine 120 bis 180 kb große lineare dsDNA. Unmittelbar nach der Infektion binden virale Proteine an die Wirtszelle, um mit der Plasmamembran fusionieren zu können. Über Endozytose dringt der Erreger in die Zelle ein und entlässt dann den Kern sowie spezielle Hüllproteine in das Zytoplasma. Der DNA-Proteinkomplex wird zum Nukleus transportiert, wo die Virusreplikation stattfindet.[1]
Epidemiologie
Equine Herpesviren sind weltweit endemisch in Pferdepopulationen verbreitet. Sie verursachen hauptsächlich respiratorische Erkrankungen, wobei EHV-1 der Haupterreger für infektbedingte Aborte, neonatale Sterblichkeit und neurologische Ausfallserscheinungen beim Pferd ist.[2]
EHV-1 bedingte Aborte haben in den letzten 20 Jahren stark abgenommen, da durch Aufklärungskampagnen strikte Impfprogramme in die Pferdezucht integriert werden konnten.
Pathogenese
Die Virusübertragung erfolgt über Schleimhäute des Genitaltrakts. Die Virusausscheidung findet über Fruchtwasser statt. Der genaue Pathomechanismus einer EHV-1-Infektion ist bis heute (2020) noch nicht vollständig geklärt. Aufgrund der unterschiedlichen Infektionsstadien wird die Erkrankung derzeit in drei Stufen unterteilt:
- Infektion des respiratorischen Epithels
- Infektion mononukleärer und dendritischer Zellen
- Infektion von Endothelzellen
Nach der Infektion siedelt sich der Erreger vorerst im respiratorischen Epithel an. In diesen Zellen findet auch die erste Virusreplikation statt. Anschließend breiten sich die Viren über mononukleäre und dendritische Zellen im lymphatischen Gewebe des oberen Respirationstrakts aus. Durch die Virämie kommt es zur Infektion weiterer mononukleärer Zellen, die letztendlich in das Gefäßsystem (Zell-assoziierte Virämie) ausgeschwemmt und in verschiedenen Geweben des gesamten Organismus verbreitet werden. Da die Viren bevorzugt Endothelzellen infizieren, kommt es aufgrund der raschen Vermehrung zu unterschiedlichen Veränderungen im Gefäßsystem. Die Viren verursachen letztendlich eine Vaskulitis, es kommt zur Ausbildung von Thromben, Ödemen und Gefäßnekrosen.[2]
Während der virämischen Phase kann die Infektion auch auf den Fötus übertreten. Dies geschieht entweder über das fetomaternale Gefäßsystem oder durch die Inhalation von kontaminiertem Fruchtwasser. Durch die massiven Gefäßveränderungen (Thrombosen, Vaskulitiden und Gefäßnekrosen) kommt es zur Plazentaablösung. Gleichzeitig findet im nicht-immunkompetenten Fötus eine ungehemmte Virusvermehrung statt, was zum Absterben der Frucht führt. Sowohl die Plazentaablösung als auch die tote Frucht induzieren letztendlich den Abort.
Klinik
Die Infektion verläuft meist ohne allgemeine Krankheitsanzeichen. Die Inkubationszeit variiert zwischen 3 Wochen und 4 Monaten, wobei Stuten etwa ab dem 7. Trächtigkeitsmonat abortieren. In den meisten Fällen kommt es jedoch zwischen dem 8. und 10. Monat der Trächtigkeit zum Abort. Die Frucht wird dabei mitsamt den Fruchthüllen und in frischem Zustand ausgestoßen.
Infektionen zu einem späten Trächtigkeitszeitpunkt können auch zur Geburt lebensschwacher Fohlen führen. Die Neugeborenen zeigen keinen Saugreflex, sind meist nicht fähig zu stehen und versterben in der Regel innerhalb der ersten Lebenstagen.
In seltenen Fällen kommt es nach dem Abort zur Infektion des ZNS. Manche EHV-1-Stämme verursachen ohne vorangehende Störungen des Allgemeinbefindens oder Aborten eine Myeloenzephalitis. Die Entzündungsprozesse führen zu lokomotorischen Störungen, Nachhandparese und hohem Fieber (bis 41,5 °C). Diese Stämme (Rac4-Stämme) weisen eine typische Mutation in der DNA-Polymerase (besonderer Tropismus zum ZNS-Endothel) auf und können ganze Bestände infizieren. Erkrankungen treten dann auch bei Hengsten auf.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch eine Erregerisolierung aus Abortmaterial oder uterinen Spülproben. Der Antigennachweis kann auch aus Leber-, Lungen- oder Milzgeweben des abortierten Fötus sowie in Nachgeburtsteilen durch Immunfluoreszenz erfolgen.
Der indirekte Erregernachweis (Serumantikörpernachweis) ist auch mittels gepaarter Serumprobe möglich.
Prophylaxe
Stuten sollten im 5., 7. und 9. Monat ihrer Trächtigkeit gegen EHV-1 geimpft werden. Zusätzlich sind Neuzugänge (Pferde von anderen Stallungen) für mindestens 3 Wochen zu isolieren. Sind in einem Stall mehrere Stuten zur gleichen Zeit tragend, sollten die Stuten in Gruppen (gleicher Trächtigkeitsstadien) aufgeteilt und ebenfalls von den anderen Pferden isoliert gehalten werden.
Literatur
- Stephen M. Reed, Warwick M. Bayly, Debra C. Sellon. Equine internal medicine. 4th edition. Elsevier, 2018.
- Institut für Virologie. Vetmeduni Vienna. Skript Virologie für die Module Tierseuchen, Verdauung, Respiration + Kreislauf, ZNS, Reproduktion. Für Studierende der Veterinärmedizin. Stand 1/2017.
Quellen
- ↑ ViralZone. Alphaherpesvirinae SIB Swiss Institute of Bioinformatics (abgerufen am 01.03.2020)
- ↑ 2,0 2,1 Mohamed Kamel et al. EHV-1 Pathogenesis: Current in vitro Models and Future Perspectives Front Vet Sci. 2019; 6: 251. Published online 2019 Jul 31. (abgerufen am 01.03.2020)
um diese Funktion zu nutzen.