Pruritus gravidarum
Synonyme: Ikterus gravidarum, Schwangerschaftsjuckreiz
Englisch: recurrent cholestasis of pregnancy, pruritus gravidarum
Definition
Als Pruritus gravidarum bezeichnet man einen generalisierten Juckreiz, der im Rahmen einer Schwangerschaftscholestase auftritt. Der Juckreiz zeigt sich am häufigsten im dritten Trimenon und verschwindet in der Regel wenige Tage nach der Entbindung.
Epidemiologie
Die Inzidenz liegt zwischen unter 1 bis 27,6 %. Hohe Inzidenzraten von 22,1 % wurden insbesondere bei chilenischen Frauen araukanisch-indianischer Abstammung beobachtet. In Europa beträgt die Inzidenz zwischen 0,5 % und 1,5 %. Innerhalb von Europa zeigen sich besonders viele Fälle bei skandinavischen Frauen. Insgesamt besteht eine höhere Inzidenz in den Wintermonaten.
Ätiologie
Die genaue Ätiologie ist derzeit (2022) noch nicht geklärt. Man geht davon aus, dass hormonelle und genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Es werden unter anderem heterozygote Mutationen im MDR3-Gen mit der Erkrankung in Verbindung gebracht.
Risikofaktoren sind beispielsweise:
- Mehrlingsschwangerschaften
- Chronische Hepatitis C
- Hohes Alter der Mutter
- Pruritis gravidarum in einer früheren Schwangerschaft
Pathogenese
Ursächlich für den Juckreiz sind erhöhte Gallensäurespiegel in der Haut und im Serum. Der Gallensäurespiegel steigt typischerweise im Verlauf der Schwangerschaft an. Ursächlich sind Hormone wie Östrogen und Progesteron, die cholestatisch wirken und die hepatische Ausscheidungsfunktion verringern. Darüber hinaus können Mutationen im MDR3-Gen zu einer Cholestase führen.
Es ist derzeit (2022) noch nicht genau geklärt, wie die Gallensäuren den Juckreiz verursachen. Eine Hypothese ist, dass die Gallensalze durch ihre detergierenden Eigenschaften zu einer Auflösung von Zellmembranen führen. Dies hat eine Freisetzung von Histaminen und proteolytischen Enzymen zur Folge, die zu einer Aktivierung freier Nervenendigungen führen und somit Juckreiz verursachen können.
Klinik
Der Juckreiz beginnt in der Regel im späten zweiten bis frühen dritten Trimenon. Zu Beginn tritt er charakteristischerweise intermittierend auf, verstetigt sich jedoch im weiteren Verlauf bei den meisten Patientinnen. Die Beschwerden können leicht oder schwer ausgeprägt sein. Einige Patientinnen berichteten über eine Verstärkung des Pruritus in der Nacht.
Im Rahmen des Pruritus gravidarum zeigen sich typischerweise keine primären Hautveränderungen. Jedoch sind bei manchen Patientinnen selbst zugefügte Exkoriationen aufgrund des Juckreizes zu beobachten. Der Juckreiz beginnt häufig am Unterleib und breitet sich dann meist weiter auf den Rumpf sowie die Extremitäten (Handflächen, Fußsohlen) aus.
Zudem kann ein Ikterus vorliegen, der charakteristischerweise von einer Steatorrhoe begleitet wird.
Komplikationen
Mögliche maternale Komplikationen sind u.a. postpartale Blutungen, Malabsorption oder Cholelithiasis. Zu den fetalen Komplikationen zählen z.B. eine intrauterine Asphyxie, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und vom Mekonium verfärbtes Fruchtwasser. Man vermutet, dass die Komplikationen beim Fötus durch eine mangelnde Sauerstoffversorgung der Plazenta zustande kommen.
Diagnostik
Die Diagnose wird in erster Linie durch eine gründliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung sowie eine Laboruntersuchung gestellt. In der Laboruntersuchung zeigt sich ein Anstieg der Konzentration der Gallensäuren im Serum.
Differentialdiagnostik
Mögliche Differentialdiagnosen des Pruritus gravidarum sind beispielswese:
Besteht zusätzlich eine Leberfunktionsstörung, müssen Erkrankungen wie eine Virushepatitis, ein medikamenteninduzierter Leberschaden oder das HELLP-Syndrom ausgeschlossen werden.
Therapie
Das Ziel der Therapie ist es, die Komplikationen für die Mutter und das ungeborene Kind zu reduzieren sowie den Juckreiz zu mindern. Therapieoptionen sind juckreizstillende Externa (z.B. feuchte Umschläge mit Kamille). Die Patienten sollten reizende Kleidung vermeiden und auf Ruhe achten.
Antihistaminika der ersten Generation wie beispielsweise Diphenhydramin können als ergänzende Therapie verwendet werden. Zudem sollten die Patientinnen aufgeklärt werden, dass die Symptomatik nach der Entbindung abklingt. Eine weitere Behandlungsoption ist der Einsatz von Ursodeoxycholsäure.
Ab dem Zeitpunkt der Diagnose der Cholestase sollte ein- oder zweimal wöchentlich eine vorgeburtliche Überwachung des ungeborenen Kindes erfolgen. Der Zeitpunkt der empfohlenen Entbindung orientiert sich dabei an der Höhe der Gallensäurespiegel:
- <100 µmol/L: Empfehlung für Entbindung zwischen 36+0 SSW und 39+0 SSW
- 100 µmol/L oder mehr: Empfehlung für Entbindung bei 36+0 SSW
Prognose
Die Symptome klingen in der Regel innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach der Entbindung ab. Die Gallensäurespiegel im Serum liegen meistens nach etwa vier bis sechs Wochen wieder im Normbereich. Bei 40 bis 70 % der betroffenen Patientinnen treten die Symptome bei einer weiteren Schwangerschaft erneut auf.
Quellen
- Pschyrembel - Pruritus gravidarum, abgerufen am 14.09.2022
- Adhikari et al. Pruritus Gravidarum, StatPearls [Internet], 2021
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